Neues Islamgesetz auf Schiene

Kommende Woche soll der Entwurf für das neue österreichische Islamgesetz in Begutachtung gehen. Es soll die bisherige Gesetzeslage in einem einzigen Gesetz zusammenfassen und Musliminnen und Muslimen einige neue Rechte verschaffen.

Das derzeit gültige Islamgesetz stammt aus dem Jahr 1912, eine Novellierung galt seit langem als überfällig. Der Entwurf, der religion.ORF.at vorliegt, verbindet zahlreiche Elemente der bereits bisher gültigen Religionsgesetzgebung in Österreich. Einige Teile des Entwurfs orientieren sich stark am Bekenntnisgemeinschaftengesetz, andere am Israelitengesetz. Zuständig für die Novellierung sind das von Josef Ostermayer (SPÖ) geleitete Kultusministerium und das Außenministerium unter Sebastian Kurz (ÖVP).

Rechtsstellung

Der erste Abschnitt des Entwurfs definiert die organisierten Muslime in Österreich als Körperschaften öffentlichen Rechts. Dezidiert ist hier im Plural von mehreren Religionsgesellschaften die Rede. Das war nicht immer so: Bis zur Anerkennung der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft (ALEVI) im Jahr 2013, die über den Verfassungsgerichtshof laufen musste, vertrat das Kultusministerium die Auffassung, dass es nur eine islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich geben dürfe.

Im Entwurf ist festgeschrieben, dass die beiden bisher anerkannten islamischen Religionsgesellschaften, Alevi und die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), bestehen bleiben. Allerdings ist auch die Anerkennung weiterer Gemeinschaften möglich. Sie müssen dafür - analog zum Bekenntnisgemeinschaftengesetz - eine Mitgliederzahl in der Höhe von zwei Promille der österreichischen Gesamtbevölkerung nachweisen. Außerdem darf ihre Lehre nicht ident mit der einer bereits bestehenden Religionsgesellschaft sein.

Deshalb muss jede islamische Religionsgesellschaft auch die „Darstellung der Lehre einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran und allenfalls Hadithe), der den Inhalt in deutscher Sprache wiedergibt“, vorlegen. Auch eine Aufhebung der Anerkennung ist möglich - für den Fall, dass eine Religionsgesellschaft die Voraussetzungen zur Anerkennung irgendwann nicht mehr erfüllen sollte.

Der Islamische Friedhof in Altach (Vorarlberg)

APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Islamischer Friedhof in Altach

Weiters regelt der erste Abschnitt des Gesetzesentwurfs, dass islamische Religionsgesellschaften „denselben gesetzlichen Schutz wie andere gesetzliche Religionsgesellschaften“ genießen. Allerdings ist es nicht möglich, sich „bei der Pflicht zur Einhaltung allgemeiner staatlicher Normen auf innerreligionsgesellschaftliche Regelungen oder die Lehre zu berufen“.

Aufgaben

Zu den Aufgaben einer Religionsgesellschaft zählen laut Gesetzesentwurf „die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder, soweit sie über den Wirkungsbereich einer Kultusgemeinde hinausreichen“. Kultusgemeinden wiederum würde das Gesetz, wenn es in der derzeitigen Form beschlossen wird, als Teilorganisationen der Religionsgesellschaften vorsehen, die diese - analog zum Israelitengesetz - einzurichten hätten. Jede Kultusgemeinde muss demnach 300 Mitglieder haben (oder 100 volljährige und „eine positive Prognose über die Entwicklung der Mitgliederzahlen“).

Die Kultusgemeinden schließlich sind es, die für „die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder und für die Bereitstellung der dafür erforderlichen Einrichtungen“ zu sorgen haben. Auch die Namen von islamischen Religionsgesellschaften sollen künftig besser geschützt sein. Bei Verstößen gegen diese Bestimmung erhält die betroffene Gruppierung das Recht, ein Verfahren einzuleiten.

Begutachtungsrecht

Islamische Religionsgesellschaften sind laut Entwurf offiziell berechtigt, den Organen der Gesetzgebung und Verwaltung Gutachten, Stellungnahmen, Berichte und Vorschläge „über Angelegenheiten, die gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften im Allgemeinen und die islamischen Religionsgesellschaften betreffen“, zu übermitteln.

Religiöse Betreuung

Das Islamgesetz fixiert außerdem erstmals das Recht von Muslimen auf religiöse Betreuung - also auf Seelsorger - in Einrichtungen wie dem Bundesheer, in Justizanstalten sowie in Krankenhäusern und Pflegeheimen - auch wenn es diese auch bisher schon teilweise gab. Allerdings wird festgeschrieben, dass der Bund den Sach- und Personalaufwand für diese Seelsorgeeinrichtungen zu tragen hat. In konfessionellen Belangen unterstehen die Seelsorger den jeweiligen gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften.

Muslim liest auf Gebetsteppich im Koran

APA/Hans Klaus Techt

Muslim beim Koranstudium im Wiener Islamischen Zentrum

Absatz zwei dieses Paragrafen hat bereits für Befürchtungen und Kritik von Beschneidungsgegnern gesorgt. Dort heißt es: „Islamische Religionsgesellschaften und ihre Mitglieder sind berechtigt, Kinder und Jugendliche durch alle traditionellen Bräuche zu führen und entsprechend den religiösen Geboten zu erziehen.“ Einen solchen Passus gibt es auch im 2012 modernisierten Israelitengesetz nicht.

Speisevorschriften

Auch dieser Paragraf sorgte für Aufregung bei Gegnern der umstrittenen Schlachtmethode des Schächtens. Muslime hätten - ähnlich auch Juden laut Israelitengesetz - demnach das Recht, „in Österreich die Herstellung von Fleischprodukten und anderen Nahrungsmitteln gemäß ihren interreligionsgesellschaftlichen Vorschriften zu organisieren“. Auch bei der Verpflegung von Muslimen im Bundesheer, in Haftanstalten, Krankenhäusern und öffentlichen Schulen soll mit dem Islamgesetz sichergestellt werden, dass auf religiöse Speisegebote und -verbote Rücksicht genommen wird.

Feiertage

„Islamischen Feiertagen wird der Schutz des Staates gewährleistet“, heißt es in dieser Passage. Arbeitsrechtlich hat das zwar noch keine Auswirkungen, dennoch bietet die Aufzählung offizieller Feiertage eine Basis für Verhandlungen zur Verankerung im Feiertagsruhegesetz und den Kollektivverträgen. Für die IGGiÖ sind im Entwurf drei solcher Tage angeführt (Ramadanfest, Pilger-Opferfest, Aschura), für die Aleviten fünf.

Abberufung von Funktionsträgern

Die islamischen Religionsgesellschaften sind laut Entwurf künftig dazu verpflichtet, Funktionsträger wie etwa Imame ihrer Funktion zu entheben, sollten diese von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von ab einem Jahr verurteilt worden sein. Das gilt auch, sollten diese die „öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden“.

Islamisch-theologische Studien

Auch der Fahrplan für ein islamisch-theologisches Studium an der Universität Wien ist im Entwurf zum Islamgesetz geregelt: Ab 1. Jänner 2016 hat demnach der Bund sechs Stellen für Lehrpersonal zu erhalten. Die Religionsgesellschaften haben bei der Besetzung insofern ein Wort mitzureden, als ihnen die Personen vier Wochen vor Bestellung „zur Kenntnis zu bringen“ sind und diese eine Stellungnahme abgeben dürfen.

Islamische Friedhöfe

Das Islamgesetz soll den Bestand der Friedhöfe für Muslime in Österreich regeln. Diese sind „auf Dauer angelegt“. Ihre Auflösung und Schließung sind „unzulässig“ bzw. bedürfen der Zustimmung der zuständigen Kultusgemeinden. Bestattungen auf islamischen Friedhöfen dürfen zudem nur mit Zustimmung der jeweiligen Gemeinde vorgenommen werden.

Anzeige- und Meldeverpflichtungen

Sollte gegen einen Funktionsträger der Religionsgesellschaft ein Verfahren eingeleitet oder Haft verhängt werden, muss diese umgehend von der Republik informiert werden. Auch umgekehrt soll diese Verpflichtung bestehen.

Untersagung von Veranstaltungen

Behörden können Versammlungen und Veranstaltungen zu Kultuszwecken untersagen, „von denen unmittelbar eine Gefahr für die Interessen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, der nationalen Sicherheit oder die Rechte und Freiheiten anderer ausgeht“.

religion.ORF.at/APA