Paul VI. selig gesprochen

Die Katholische Kirche hat einen neuen Seligen: Am Sonntag hat Papst Franziskus in einer Messe auf dem Petersplatz seinen vor 36 Jahren verstorbenen Vorgänger Paul VI. selig gesprochen.

Mit der Seligsprechung des Konzils- und Reform-Papstes endete auch die zweiwöchige Weltbischofssynode zu Ehe und Familie. An dem Gottesdienst nahm auch der emeritierte Papst Benedikt XVI., der Vorgänger von Papst Franziskus, teil. Paul VI., bereits der vierte Papst des 20. Jahrhunderts, der seliggesprochen wurde, hatte 1965 die Bischofssynode als feste Einrichtung der katholischen Kirche installiert. Mit der Anwesenheit des Weltepiskopats ehrt Franziskus einen Kirchenmann, der von Zeitgenossen vielfach geschmäht und in den Augen von Gläubigen verkannt wurde.

Ein Papst als Flüchtlingshelfer

Giovanni Battista Montini Paul VI. wurde am 26. September 1897 im norditalienischen Brescia geboren. In Zukunft wir der neue Selige auch an jedem 26. September verehrt werden. Nach kurzer Pfarrseelsorge war er über drei Jahrzehnte im Staatssekretariat tätig, ab 1937 als Substitut (Innenminister) und enger Vertrauter von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, des späteren Papstes Pius XII. In dieser Funktion sorgte Montini während des Zweiten Weltkriegs und unter der deutschen Besatzung maßgeblich dafür, dass in kirchlichen Gebäuden Roms und des Vatikan jüdische Flüchtlinge versteckt wurden.

1954 ernannte Pius XII. Montini zum Erzbischof von Mailand. In der größten Diözese Europas konnte er pastorale Erfahrung sammeln. Beim Konklave nach dem Tod von Johannes XXIII. war Montini Favorit und wurde am 21. Juni 1963 im fünften Wahlgang gewählt. Als Papst setzte Paul VI. das Konzil fort. Als erstes Kirchenoberhaupt der Moderne unternahm er im Jänner 1964 eine Auslandsreise. Sie führte in die Region Israel. Sein Treffen mit Patriarch Athenagoras in Jerusalem legte den Grundstein für eine neue Ökumene.

„Nie wieder Krieg!“

Als „Jahrhundert-Rede“ galt ein Jahr später seine Ansprache vor der UNO in New York mit dem leidenschaftlichen Appell: „Nie wieder Krieg!“ Nach dem Konzil passte Montini die vatikanische Kurie den neuen Aufgaben an. Er errichtete Behörden für eine sich der Welt öffnende Kirche: für die Ökumene, für Gerechtigkeit und Frieden, für interreligiösen Dialog und für die Medien. Außerdem begann er eine Neufassung des Kirchenrechts, die 1983 abgeschlossen wurde.

Im Schatten seines Vorgängers und Nachfolgers

Paul VI. steht zweifach im Schatten: zum einen seines populären Vorgängers Johannes XXIII. (1958-1963), und zum anderen seines charismatischen Nachfolgers Johannes Paul II. (1978-2005). Freilich leitete er die Kirche in einer besonders schwierigen Zeit. Sein Bemühen, die Umbrüche des Konzils behutsam umzusetzen, ging Reformern nicht weit genug; er galt ihnen als zu zögerlich.

Die von Pauls Außenminister Agostino Casaroli gestaltete „vatikanische Ostpolitik“, die mit kleinen Schritten einen Modus vivendi für die Kirchen im Sozialismus suchte, irritierte konservative Politiker. Sein polnischer Nachfolger zog die Pläne zur Gründung einer DDR-Bischofskonferenz sofort zurück. Er schaltete auf eine härtere Linie gegenüber den Kommunisten.

Friedens- und Sozialenzykliken

Breite Beachtung fand Paul VI. durch seine Friedens- und Sozialenzykliken. Durch sie zählt er zu den großen Päpsten des 20. Jahrhunderts. Prägend blieb etwa das Zitat seines Dritte-Welt-Schreibens „Populorum progressio“, wonach „der neue Name für Friede Entwicklung heißt“. Nicht weniger bedeutsam für die katholische Kirche ist des Dokument „Evangelii nuntiandi“ von 1975. Darin analysierte Paul VI. die Schwierigkeiten der Kirche mit der Glaubensverkündigung in der modernen Welt und fordert neue Ansätze zur Überwindung des Grabens zwischen Kirche und zeitgenössischer Kultur.

Auf Kritik und Häme stieß Paul VI. mit seinem Schreiben „Humanae vitae“ (1968), in dem er die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung als schwerwiegendes Problem bezeichnete und künstliche Mittel zur Empfängnisverhütung für Katholiken verbot. Die derzeitige Familiensynode im Vatikan versucht die umfassende Sicht dieses Schreibens für die personale Würde des Menschen herauszustreichen.

Während seines Sommerurlaubs in Castel Gandolfo im Juli 1978 erlitt der „Konzilspapst“ einen Herzinfarkt. An dessen Folgen starb er am 6. August 1978. Paul VI. wurde in den vatikanischen Grotten bestattet.

Seligsprechungsverfahren seit 1993

Johannes Paul II. eröffnete am 11. Mai 1993 das Seligsprechungsverfahren. Postulator wurde der italienische Redemptorist P. Antonio Marrazzo. Im Dezember 2012 stellte Papst Benedikt XVI. den heroischen Tugendgrad fest und erhob Paul VI. zum Diener Gottes.

Mitte Februar dieses Jahres erkannte die Heiligsprechungskommission die Heilung eines ungeborenen Kindes im Jahre 2001 im US-Bundesstaat Florida als Wunder an. Am 10. Mai gab der Vatikan bekannt, dass Paul VI. am 19. Oktober seliggesprochen wird; am 26. September wurde offiziell bekanntgegeben, dass die Seligsprechungsfeier auf dem Petersplatz sein wird und vom Papst höchstpersönlich geleitet wird.

religion.ORF.at/KAP

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