Chicagos Kardinal publiziert Missbrauchsdossier

Die Erzdiözese Chicago (US-Bundesstaat Illinois) hat am Donnerstag (Ortszeit) Tausende interne Dokumente zum Thema sexueller Missbrauch durch Priester - und dessen Vertuschung - zugänglich gemacht.

Die Veröffentlichung der bisher zurückgehaltenen Dokumente war von Kardinal Francis George (77) versprochen worden, dessen Amtszeit vor kurzem endete. Wie die Zeitung „New York Times“ (Freitag-Ausgabe) berichtet, umfasst das Dossier insgesamt rund 15.000 Seiten, die Missbrauchsvorwürfe und Untersuchungen gegen 36 Priester aus den vergangenen Jahrzehnten dokumentieren. Viele der Beschuldigten, deren Namen schon vorher bekannt waren, sind zwischenzeitlich verstorben.

„Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir hoffen, dass wir das Vertrauen durch einen ehrlichen und offenen Dialog wiederaufbauen können“, so George in einer Stellungnahme, und: „Kindesmissbrauch ist ein Verbrechen und eine Sünde.“

Der scheidende Erzbischof von Chicago, George Francis

Reuters/Alessandro Bianchi

Der scheidende Erzbischof von Chicago, George Francis

Verwurf der Vertuschung

Die Dokumente zeigen einem AP-Korrespondentenbericht zufolge, wie die Erzdiözese routinemäßig die Vergangenheit missbrauchender Priester vertuschte, indem sie sie die Gemeinden wechseln ließ, sie nicht schnell genug vom Pfarrdienst fernhielt und ihnen in einigen Fällen half, Priester zu bleiben, lange nachdem Anschuldigungen gegen sie für glaubwürdig befunden worden waren.

Anwälte der Opfer sagten AP zufolge, dass die Enthüllungen willkommen seien, aber nicht ausreichten. Viel mehr Priester seien wegen Fehlverhaltens angezeigt worden, als in den Aufzeichnungen vorkämen. Die Akten zu einem der jüngsten und ungeheuerlichsten Fälle - dem des früheren Priesters Daniel McCormack, der sich 2007 des Missbrauchs an fünf Kindern schuldig bekannt hatte - seien nicht bei den nun enthüllten Dokumenten.

Landesweite Enthüllungswelle

Die Erzdiözese Chicago hatte sich nach einer landesweiten Enthüllungswelle um sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche vor rund zehn Jahren um Aufarbeitung bemüht. Neben Schadenersatzzahlungen in mehrstelliger Millionenhöhe veröffentlichte die Erzdiözese zu Jahresbeginn erste Akten von 30 ehemaligen Priestern, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden.

Kardinal George leidet seit Jahren an Krebs. Ende September nahm Papst Franziskus seinen alters- und krankheitsbedingten Amtsverzicht an und ernannte Bischof Blase Joseph Cupich (65) zu seinem Nachfolger als Erzbischof von Chicago. Die offizielle Amtsübernahme durch Cupich findet am 18. November statt. George leitete die Erzdiözese Chicago seit 1997. Von 2007 bis 2010 war er Vorsitzender der US-Bischofskonferenz.

religion.ORF.at/KAP/KNA/AP

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