Papstschüler: Benedikt wollte sich nicht einmischen

Der deutsche Theologe Wolfgang Beinert, der dem „Ratzinger-Schülerkreis“ angehört, glaubt nicht an eine gezielte Einmischung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. in die Debatte um wiederverheiratete Geschiedene.

Beinert äußerte sich am Mittwoch gegenüber dem Kölner „domradio“ zur bevorstehenden Veröffentlichung der „Gesammelten Werke“ Joseph Ratzingers, für die dieser einen vielzitierten Aufsatz aus dem Jahr 1972 über die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen neu gefasst hat.

In der ursprünglichen Version des Textes hatte Ratzinger für Ausnahmegenehmigungen zum Sakramentenempfang plädiert, die geänderte Fassung geht nun in die entgegengesetzte Richtung. Die Veröffentlichung fällt überdies in eine Zeit, in der die Frage wegen der Bischofssynode im Oktober erneut ganz oben auf der Agenda der katholischen Kirche steht - mehr dazu in Benedikt XVI. überrascht mit Aufsatz zu Eheverständnis.

Änderungen „signifikant“

Beinert ist allerdings der Meinung, dass das Datum der Veröffentlichung ein Zufall sei. „Ich vermute, dass die Änderung, die Benedikt vorgenommen hat, bereits erfolgt ist, ehe man von einer Bischofssynode und deren Problematik wusste“, sagte er gegenüber dem „domradio“. Die Herausgabe der Gesammelten Werke erfordere einen langen Vorlauf. Die Änderungen, die Benedikt XVI. an seinem liberalen Aufsatz von 1972 vorgenommen habe, bezeichnete Beinert allerdings als „signifikant“.

Bisher sind die wiederverheirateten Geschiedenen von den Sakramenten ausgeschlossen. Erwartet wird, dass sich Papst Franziskus im kommenden Jahr nach der weltweiten Bischofssynode zu diesem Thema äußern wird. Der Ratzinger-Aufsatz aus dem Jahr 1972 wurde in diesem Zusammenhang immer wieder zitiert.

Konservative Wende nach „Tübingen 1968“

Beinert sagte, die Änderungen entsprächen „dem ganzen Denken des Ratzingers der zweiten Lebenshälfte“. Verursacht seien sie durch seine Erfahrungen im Zusammenhang mit der Studentenrevolution 1968, „die er in Tübingen sehr dramatisch erlebt hat“. Ratzinger sei da bewusst geworden, dass „manche seiner Positionen möglicherweise zu den Erscheinungen der Revolution, zu diesen Umbrüchen geführt haben“.

In seiner nun „eher pessimistischen Sicht“ gehe der emeritierte Papst darauf ein, „welche Folgen das haben kann“. Schließlich habe Ratzinger nach Tübingen „ganz klar und ganz konsistent eine sehr konservative und immer konservativer werdende Haltung“ entwickelt.

religion.ORF.at/KAP