Türkisches Religionsamt dämpft Erwartungen

Zum Besuch von Papst Franziskus in der Türkei hat der Leiter des türkischen Religionsamtes Erwartungen gedämpft, der Besuch könne den christlich-islamischen Dialog fördern. Diese Erwartungen sind tatsächlich hoch.

„Gewiss können religiöse Institutionen miteinander über moralische Fragen der Welt sprechen“, sagte Mehmet Görmez in einem Interview am Donnerstag der italienischen Tageszeitung „La Stampa“. Aber von solchen Reisen „Werte zu erwarten, die über einfache menschliche Beziehungen hinausgehen, endet damit, dass wir uns voneinander entfernen“, so Görmez.

Kein „interreligiöser Dialog“?

Der Begriff „interreligiöser Dialog“ werde für Christentum und Islam nicht gebraucht, erklärte er. Der Vatikan verwende ihn eher für das Gespräch mit den christlichen Konfessionen. Weiter forderte Görmez den Vatikan auf, „angesichts von Vorgängen, die religiöse Gefühle stören“ ebenso wie die Türkei kritisch Stellung zu beziehen. Als Beispiele nannte er das Eindringen israelischer Soldaten mit Stiefeln in die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem UND einen Überfall auf eine Synagoge.

Der Papst bricht am Freitag zu einer dreitägigen Türkei-Reise auf. Am Freitag trifft er in Ankara auch zu einem Gespräch mit Görmez zusammen. Das Religionsamt verwaltet die 80.000 Moscheen in der Türkei und ist für eine staatstreue Auslegung des Islam zuständig. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hatte den interreligiösen Dialog in einem Interview mit dem vatikanischen Fernsehzentrum laut Vorabmeldungen vom Mittwoch als einen Schwerpunkt der Reise von Franziskus bezeichnet.

Erwartungen an Reise hoch

Dabei sind die Erwartungen an die Reise tatsächlich hoch: „Wenn Papst Franziskus am Samstag in Istanbul die Blaue Moschee besucht, hoffen seine türkischen Gastgeber auf eine Geste der Verständigung zwischen Christentum und Islam“, schreibt etwa der AFP-Reporter Thomas Seibert in einem Korrespondentenbericht im Vorfeld der Papst-Reise.

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I.

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi sagte vor dem Türkei-Besuch, der Papst werde die Hagia Sophia besuchen und in der Blauen Moschee mit „Respekt und geistiger Kontemplation“ ein Zeichen setzen. In von den Terrortaten muslimischer Dschihadistengruppen wie dem Islamischen Staat (IS), die in den Nachbarländern der Türkei, in Syrien und im Irak, Christen, Muslime anderer Richtungen und Jesiden ermorden und versklaven, verunsicherten Zeiten wäre ein versöhnlicher christlich-islamischer Dialog bitter nötig. Papst Franziskus wird von vielen Seiten ein solcher Schritt zugetraut.

Christen: Kein Rechtsstatus

Die Christen stellen heute in der Türkei eine kleine Minderheit - mehr dazu in Türkei: Religiöse Minderheiten im Nachteil. Die christlichen Gemeinschaften haben in der Türkei keinen Rechtsstatus. Die orthodoxen Gemeinden - die griechisch- und armenisch-orthodoxe - sowie die der Juden werden immerhin als „Stiftung“ anerkannt. Ein großes Problem für Christen in der Türkei sind die fehlenden Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten.

Für den orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. wäre es wichtig, „eine junge Generation von Theologen hier zu erziehen, im Geiste des Dialogs und der friedlichen Koexistenz. Denn die jungen Geistlichen aus dem Westen haben diese ökumenische Denkweise nicht.“ Dieser Wunsch des Patriarchen blieb bisher allerdings unerfüllt. „Wir drängen darauf, wir beten dafür“, schildert Bartholomaios die Situation um das orthodoxe Priesterseminar auf der nahe gelegenen Prinzeninsel Halki (Heybeli Ada). Die 1844 errichtete orthodoxe Ausbildungsstätte ist seit 1971 geschlossen.

Bartholomaios beklagt insbesondere den Umstand, dass die Regierung in Ankara im Austausch für eine Wiederöffnung des Priesterseminars den Bau einer Moschee in Athen fordert. Diese Verknüpfung sei vom Standpunkt der Menschenrechte unzulässig. „Wir sind türkische Bürger und wollen unsere Rechte ausüben, ohne dabei Opfer von türkisch-griechischen Fragen zu werden“, macht der Patriarch unmissverständlich klar. Er sei für den Bau einer Moschee in Athen, „doch das kann kein Grund dafür sein, dass unser Seminar nicht geöffnet wird“.

Orthodoxe im „Überlebenskampf“

Als „Überlebenskampf“ definiert der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. das Leben der griechisch-orthodoxen Kirche in der Türkei. „Wir leben in einer nicht-christlichen Umgebung. Das darf nicht bedeuten, dass wir weniger Rechte haben als die Mehrheit. Als Bürger erfüllen wir unsere Pflichten, daher wollen wir nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt werden“, so das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. Immerhin stoßen sich die türkischen Behörden nicht mehr daran, dass Bartholomaios als Patriarch das Attribut „ökumenisch“ im Titel führt; diese „extraterritoriale“ Bezeichnung war ihm lange offiziell verwehrt worden.

Betende in armenisch-orthodoxer Kirche in Istanbul

Reuters/Murad Sezer

Betende in armenisch-orthodoxer Kirche in Istanbul

„Heute geht es uns besser. Die jetzige Regierung machte einige Schritte in Richtung Religionsfreiheit“, stellte Bartholomaios im Oktober im Gespräch mit österreichischen Journalisten fest. So seien der orthodoxen Kirche einige Besitztümer restituiert worden. In einigen früheren Kirchen Anatoliens dürften wieder Gottesdienste gefeiert werden. Dem früheren Premier und heutigen Staatschef Recep Tayyip Erdogan rechnet es Bartholomaios als Verdienst an, dass Wahlen für eine Patriarchennachfolge erfolgen können.

Die Republik Türkei lässt nur türkische Staatsbürger als Kandidaten zur Wahl des Ökumenischen Patriarchen zu. Ein beunruhigendes Faktum, zumal in der Türkei keine Priesterausbildung erlaubt ist. Erdogan verlieh nun einer Reihe von Patriarchen die türkische Staatsbürgerschaft, diese können an ihren Einsatzorten im Ausland verbleiben und ihre bisherigen Pässe behalten. „Diese Wahlen sind wichtig für das Weiterleben des Ökumenischen Patriarchats“, zeigte sich Bartholomaios erleichtert. Die orthodoxen Bischöfe seien im Schnitt 78 Jahre alt.

religion.ORF.at/KAP/AFP/APA

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