Franziskus von Staatspräsident Erdogan empfangen

Franziskus ist das erste ausländische Staatsoberhaupt in der Türkei, das in dem neuen umstrittenen Präsidenten-Palast empfangen wird. Präsident Erdogan kritisierte in seiner Begrüßungsrede eine wachsende Islamfeindlichkeit.

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Mehr dazu: Papst in der Türkei: Dialog und ökumenische Signale

Dem Zeremoniell für Staatsbesuche entsprechend wurde Papst Franziskus von einer Kavallerie-Abteilung des türkischen Militärs zum Präsidentensitz geleitet. Nach dem Abschreiten der Ehrenformation im Palasthof hatte der Papst die Soldaten protokollgemäß auf Türkisch mit „Seid gegrüßt, Soldaten“ anzusprechen. Er konnte sich dabei ein freundliches Lachen nicht verkneifen. Präsident Recep Tayyip Erdogan und Papst Franziskus zeigten sich beim Händedruck zum Fototermin entspannt.

Wie der türkische Nachrichtensender NTV meldet, schrieb der Papst ins Gästebuch, die Türkei sei eine „natürliche Brücke zwischen den Kontinenten“. Er wünsche sich, dass das mehrheitlich muslimische, aber westlich verfasste Gastland nicht nur als eine geografische Brücke fungiere, sondern auch ein Klima für den Dialog schaffe.

Kritik an Islamfeindlichkeit

Erdogan kritisierte in seiner Begrüßungsrede eine wachsende Islamfeindlichkeit in westlichen Ländern. Dort wachse die Tendenz, den Islam mit Gewalt, Terrorismus und Intoleranz gleichzusetzen. Viele Muslime würden Opfer von Hass, Übergriffen und Diskriminierung. Der Besuch von Franziskus in der Türkei sei hingegen ein Symbol der Hoffnung.

Papst Franziskus wiederum machte schon zu Anfang seiner Rede deutlich, dass die Türkei nicht nur von den Lehren des Propheten Mohammed und des Staatsgründers Atatürk geprägt wurde. „Dieses Land ist jedem Christen als Geburtsort des heiligen Paulus teuer, der hier mehrere Gemeinden gegründet hat“, lautete der zweite Satz seiner Rede. Dann verwies Franziskus auf die sieben ersten ökumenischen Konzilien, die alle in der Türkei stattgefunden hätten und auf das „Haus der Maria“, das als Wallfahrtstätte nahe Ephesus von Christen und Muslimen verehrt werde.

Gemeinsam gegen die Terrormiliz

Zuvor, auf dem Flug nach Ankara sagte Franziskus, er danke der Türkei für die Aufnahme von rund 1,6 Millionen Flüchtlingen aus den Krisengebieten. Nicht zuletzt wegen der Ankündigung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), den Machtbereich der Dschihadisten bis nach Rom ausdehnen zu wollen, gilt für den Papst in der Türkei „Alarmstufe Rot“. Eine türkische Zeitung verglich die Sicherheitsmaßnahmen mit den strengen Maßnahmen eines Ausnahmezustandes.

Der Papst rief zu gemeinsamen Anstrengungen gegen die (IS) auf. „Es ist erforderlich, dem Fanatismus und dem Fundamentalismus (...) die Solidarität aller Glaubenden entgegenzusetzen“, sagte er. Auch bekräftigte er seine frühere Aussage, dass ein „ungerechter Aggressor“ gestoppt werden müsse. Dies müsse jedoch immer in Einklang mit dem internationalen Recht erfolgen. Franziskus hob auch die große geopolitische Bedeutung hervor, die der Türkei für die Beilegung der Konflikte zukommt. Gleichzeitig betonte der Papst, die internationale Gemeinschaft habe die moralische Verpflichtung, die Türkei bei der Aufnahme der Flüchtlinge zu unterstützen.

Erdogan kritisierte den Westen

Wenige Stunden vor dem Papst-Besuch attackierte Erdogan den Westen scharf. Die Fremden hätten es nur auf die Reichtümer der Muslime abgesehen, sagte Erdogan bei einer Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul. „Die, die von außen kommen, mögen Öl, Gold, Diamanten, billige Arbeitskräfte sowie Gewalt und Streit“, sagte der Präsident am Donnerstag.

„Sie scheinen vordergründig unsere Freunde zu sein, aber freuen sich über unseren Tod und über den Tod unserer Kinder.“ Erdogan war zuletzt mit Kommentaren zur angeblich untergeordneten Rolle der Frauen und mit der Behauptung aufgefallen, muslimische Seefahrer hätten vor Christoph Kolumbus Amerika entdeckt. Mehr dazu in Erdogan: Islam will Frauen als Mütter und Erdogan verteidigt Aussage über Entdeckung Amerikas.

"Kranzniederlegung im Atatürk-Mausoleum

Nachdem der Papst in Ankara gelandet war und von einem Vertreter der Regierung sowie weiteren Repräsentanten aus Politik und Religionen willkommen geheißen wurde, besuchte Franziskus das Mausoleum des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk (1881-1938). Am Grab Atatürks legte er einen Kranz nieder.

Begleitet wurde Franziskus vom früheren Europaminister und amtierenden Außenminister Mevlüt Cavusoglu, der ihn auch am Flughafen empfangen hatte. Der Besuch an dem Mausoleum ist traditionell die erste Station von Staatsgästen der Türkei.

Erstmals im VW und mit Schauspielerin unterwegs

Bei seiner Reise am Freitag wurde Papst Franziskus in einem schwarzen VW Passat chauffiert. Es war dies das erste Mal, dass das Kirchenoberhaupt bei einer Auslandsreise eine Mittelklasse-Limousine aus Wolfsburg nutzte. Bisher bestand Franziskus stets erfolgreich auf ungepanzerte Kleinwägen oder Fahrzeuge der unteren Mittelklasse, bevorzugt aus nationaler Produktion. Das türkische Protokollamt hatte aber dagegen Sicherheitsbedenken geltend gemacht. Anders als sonst bei päpstlichen Auslandsreisen trug der Wagen von Franziskus in Ankara nicht das Vatikan-Kennzeichen „SCV 1“; das Nummernschild ist schwarz abgeklebt.

Eine ungewöhnliche Rolle kommt während des dreitägigen Papstbesuchs der türkischen Theater- und Filmschauspielerin Serra Yilmaz zu: Die 60-Jährige agiert als Übersetzerin für den Pontifex, wie die Zeitung „Hürriyet“ in ihrer Onlineausgabe am Freitag meldete. Yilmaz, die Italienisch und Französisch beherrscht, arbeitet auch als freie Dolmetscherin. Sie hatte bereits beim Besuch von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 übersetzt.

Keine Begegnung mit Flüchtlingen

Entgegen vieler Erwartungen fehlt auf dem offiziellen Reiseprogramm des Papstes jedoch eine Begegnung mit syrischen Flüchtlingen, die zu Hunderttausenden in der Türkei Zuflucht gesucht haben. Dies sei nicht geplant - aber natürlich könnten bei einigen Gelegenheiten in Istanbul auch Flüchtlinge anwesend sein, betonte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi.

Neben der großen islamischen Mehrheit leben nur knapp 100.000 Christen in der Türkei. Christen und andere Minderheiten können ihre Religion zwar grundsätzlich ausüben, sie leiden aber unter Einschränkungen, wie auch der aktuelle EU-Fortschrittsbericht bemängelt. So darf etwa die orthodoxe Kirche keine Priester in der Türkei ausbilden.

Am Samstag reist der 77-jährige Pontifex weiter nach Istanbul, wo allein 7000 Polizisten zu seiner Sicherheit im Einsatz sein sollen. Anlass des Besuchs des katholischen Kirchenoberhaupts ist die Feier des orthodoxen Andreasfests mit Patriarch Bartholomäus am Sonntag.

Ali Agca beschimpfte Papst: „Der größte Feind Gottes“

Der türkische Papstattentäter Mehmet Ali Agca hat Papst Franziskus vor dessen Besuch in der Türkei als „Feind Gottes“ bezeichnet. Der Papst sei der „Botschafter des Satans“ und „der größte Feind Allahs“, sagte Agca laut türkischen Presseberichten vom Freitag. Agca kritisierte, er habe den Vatikan um ein Treffen mit Franziskus in der Türkei gebeten, aber keine Antwort erhalten. Jetzt wolle er auch nicht mehr mit dem Papst sprechen. Auf mögliche Sicherheitsrisiken für den Papst in der Türkei angesprochen, sagte Agca, eine Kugel koste zehn Lira, etwa 3,30 Euro. Das Leben des Papstes sei aber „nicht mal fünf Lira wert“.

Ali Agca, der Papst-Attentäter von 1981

REUTERS/Osman Orsal

Ali Agca, der Papst-Attentäter von 1981, spricht geringschätzig über Papst Franziskus

Bizarre Äußerungen des ehemaligen Attentäters

Der heute 56-jährige Agca, der 1981 den damaligen Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz in Rom mit mehreren Schüssen verletzte, hat in den vergangenen Jahren schon häufiger mit bizarren Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht; unter anderem bezeichnete er sich selbst als Messias. Die Bilder von Johannes Paul II., der Agca in seiner Zelle besuchte und ihm seine Tat vergab, gingen um die Welt.

Seit seiner Haftentlassung in der Türkei im Jahr 2010 war es ruhig um Agca geworden. Zuletzt kündigte er 2013 in seiner ostanatolischen Heimatstadt Malatya an, ein Filmprojekt starten zu wollen.

religion.ORF.at/APA/KNA/dpa/KAP

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