Junge „Aufrührer“: Wer ist die Muslimische Jugend?

Die Muslimische Jugend Österreich hat gegen das Islamgesetz protestiert und will nun den Abgang des Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Der Verein der jungen Muslime sorgt für Diskussionen.

Sie sind zwar bereits seit 1996 aktiv, aber in den vergangenen Wochen zogen sie viel Aufmerksamkeit auf sich - der Verein „Muslimische Jugend Österreich“ (MJÖ) ist aus der Debatte um den Islam in Österreich nicht mehr wegzudenken. Die MJÖ wehrte sich gegen den neuen Islamgesetz-Entwurf, initiierte eine Bürgerinitiative dagegen und präsentierte selbst einen eigenen, alternativen Gesetzesvorschlag.

Jetzt will die Muslimische Jugend Österreich den Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), Fuat Sanac, entmachtet wissen. Er soll zurücktreten, weil er bei den Verhandlungen zum Islamgesetz versagt habe. Doch wer sind die jungen Muslime eigentlich, die sich so deutlich gegen den offiziellen Vertreter der Muslime, den Präsidenten der IGGiÖ, stellen?

Österreichisch-islamische Identität

Dudu Kücükgöl ist Vorstandsmitglied und Sprachrohr der MJÖ. Die Wirtschaftspädagogin versucht seit Jahren zu vermitteln, dass es kein Widerspruch sei, Muslim und Österreicher zu sein, sprich, eine „österreichisch-islamische Identität“ zu haben. Die Muslimische Jugend entstand 1996 aus dem Bestreben heraus, eine Anlaufstelle für junge Muslime anzubieten. Die ethnische Ausrichtung der Moscheen, die sich auf die Herkunftsländer ihrer Betreiber, beziehungsweise Besucher stützen, war mit ein Grund für das Entstehen der neuen Struktur.

„Die Moscheenlandschaft ist ethnisch organisiert, teilweise innerethnisch noch mal aufgesplittet und kommuniziert in der jeweiligen Landessprache“, sagte Kücükgöl gegenüber religion.ORF.at. Bei der MJÖ sollen junge Menschen islamischen Glaubens unabhängig von ihrer Herkunft angesprochen werden. Die Fokussierung auf die deutsche Sprache und das Leben in Österreich sind in der Muslimischen Jugend Österreich augenscheinlich. Die MJÖ bezeichnet sich selbst als „die einzige deutschsprachige, muslimische, unabhängige Jugendorganisation der zweiten und dritten Generation“ in diesem Land.

Bundesjugendvertretung als Heimat

Die MJÖ wolle auf die Probleme der muslimischen Jugendlichen aufmerksam machen, Impulse für die Verbesserung der Lebensrealitäten geben, Demokratie und Bildung fördern, sowie Vorurteile abbauen. Der Verein wird mehrheitlich von Frauen geführt und hat nach eigenen Angaben rund 30.000 Mitglieder. Seit 2006 ist die Muslimische Jugend außerdem Mitglied in der Österreichischen Bundesjugendvertretung. „Wir haben uns immer auf die österreichische Jugendarbeit hin ausgerichtet. Unsere Heimat ist die Bundesjugendvertretung“, sagte Kücükgöl.

Zur Islamischen Glaubensgemeinschaft besteht derzeit ein gespaltenes Verhältnis. Die MJÖ ist ein Fachverband der IGGiÖ, aber es gebe „strukturell, finanziell und organisatorisch“ keine Verflechtung, sagte Kücükgöl. „Wir sehen uns nach wie vor als Teil der IGGiÖ. Sie ist eine sehr sinnvolle Einrichtung. Wir sind nur mit der Führung nicht einverstanden“, erklärte das Vorstandsmitglied.

Junger politischer Aktivismus

Der Verein hat in den vergangenen Jahren wiederholt Projekte initiiert, die zur beruflichen Qualifizierung von jungen Musliminnen beitragen sollten, etwa das Projekt „Mentoring“, bei dem Musliminnen eine Mentorin zur Seite gestellt bekamen - mehr dazu in Mentoring für junge Musliminnen. Zuletzt machte die MJÖ aber weniger mit Bildungsprojekten als mit politischem Aktivismus auf sich aufmerksam. Nachdem Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) im Herbst der Öffentlichkeit den Entwurf des neuen Islamgesetzes präsentiert hatten, lehnte die Muslimische Jugend den Entwurf als „diskriminierend“ ab und probte den Widerstand.

Die MJÖ startete die Kampagne „Nein zum Entwurf des neuen Islamgesetzes“ und eine gleichlautende Bürgerinitiative, die bisher 20.836 Menschen unterzeichnet haben. Obwohl die MJÖ Gespräche mit verschiedenen politischen Parteien führe, sei man in die konkreten Verhandlungen über das Islamgesetz nie eingebunden gewesen, sagte Kücükgöl gegenüber religion.ORF.at. Da Fuat Sanac - wie die MJÖ kritisiert - im „Alleingang“ verhandelt und die Interessen der Muslime nicht ausreichend gewahrt habe, fordert die MJÖ nun seinen Rücktritt.

Im Zuge der Diskussion über junge österreichische Dschihadisten geriet die Muslimische Jugend aber selbst in die Kritik. Sie hätte das Problem der Radikalisierung junger Muslime zu spät thematisiert, monierten Kritiker. Kücükgöl verwies darauf, dass die Arbeit der MJÖ Präventionsarbeit sei. In einer Stellungnahme distanzierte sich die Muslimische Jugend Österreich vom Terror im Nahen Osten und präsentierte unter dem Titel „Radikal gegen Extremismus“ ein Maßnahmenpaket gegen Radikalisierung und hielt gemeinsam mit der Katholischen Jugend eine Mahnwache für Frieden und sozialen Zusammenhalt ab.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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