Versöhnungsappell des Papstes in früherer Kampfzone

Papst Franziskus hat an seinem zweiten Besuchstag in Sri Lanka das Tamilengebiet, eine der Hauptkampfzonen des Bürgerkriegs (1983-2009) im Norden des Landes, besucht und zur Versöhnung aufgerufen.

Im Marienheiligtum von Madhu rief Papst Franziskus am Mittwochnachmittag (Ortszeit) die Volksgruppen der Tamilen und Singhalesen auf, die „verlorene Einheit wiederherzustellen“ und eine Zukunft in Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden aufzubauen. Franziskus ist der erste Papst, der das vorwiegend tamilische Nordsrilanka - die Region des von 1983 bis 2009 geführten Bürgerkriegs - besucht hat.

Papst Franziskus lässt im Tamilengebiet eine Friedenstaube fliegen

REUTERS/ Alessandra Tarantino/Pool

Papst Franziskus lässt im Tamilengebiet eine Friedenstaube fliegen

Nach „Jahren von so viel Hass, Gewalt und Zerstörung“ gehe es nun darum, „die offenen Wunden zu heilen und den gebrochenen Herzen Frieden zurückzugeben“, sagte er vor mehr als 100.000 Pilgern in Madhu. Darunter waren auch viele Angehörige und Hinterbliebene von Opfern des Bürgerkriegs.

Ehrwürdige Marienstatue war entfernt

Franziskus erinnerte in seiner Ansprache daran, dass die ehrwürdige Marienstatue während der Kämpfe aus dem Heiligtum entfernt wurde. Der Wallfahrtsbetrieb konnte erst 2010 wieder aufgenommen werden. „Bitten wir darum, dass dieses Heiligtum immer ein Haus des Gebetes und eine Insel des Friedens sei“, sagte Franziskus.

Marienstatue von Madhu

REUTERS/Stringer

Die Marienstatue wurde nach den Kämpfen wieder aufgestellt

Das Heiligtum wird von Gläubigen aus beiden Volksgruppen besucht und verehrt. Ganz besonders gilt die Gottesmutter von Madhu als Schutz und Heilerin bei Schlangenbissen. Zum eineinhalbstündigen Besuch des Papstes in Mahdu waren viele Familien aus beiden Volksgruppen gekommen, die unter dem langjährigen Konflikt schwer gelitten hatten.

„Viele Menschen aus dem Norden wie aus dem Süden wurden in diesen Jahren der schrecklichen Gewalt und des Blutvergießens getötet. Kein Bewohner Sri Lankas kann die tragischen Ereignisse vergessen, die mit genau diesem Ort verbunden sind“, sagte der Papst.

„Echte Verzeihung anbieten“

Daher komme es jetzt darauf an, zu einer „tieferen Versöhnung“ zu kommen. „Aber nur wenn wir im Licht des Kreuzes zur Einsicht gelangen, zu welchem Übel wir fähig sind und an welchem wir sogar teilgenommen haben, können wir echte Reue und aufrichtige Buße erfahren“, hob Franziskus hervor.

Man müsse nun „wirklich reumütig aufeinander zugehen und so echte Verzeihung anbieten und suchen.“ In diesem schwierigen Bemühen um Vergebung und Frieden sei „Maria stets da, um uns zu ermutigen, uns zu leiten und zu führen“, versicherte der Pontifex.

Fahrt im Papamobil durch die Menschenmenge

Franziskus und seine Begleitung - darunter der Erzbischof von Colombo, Kardinal Albert Malcolm Ranjith - waren in drei Hubschraubern des srilankischen Militärs von Colombo nach Madhu und später wieder zurück geflogen.

Nach seiner Ankunft fuhr das Kirchenoberhaupt im offenen weißen Jeep lange Zeit durch die Menschenmenge. Dabei trug er um den Hals eine Blumenkette aus violetten und weißen Blüten, die er bei der Ankunft als Willkommensgruß erhalten hatte.

Zufluchtsort im Bürgerkrieg

Madhu liegt im bewaldeten Hinterland der tamilisch besiedelten Küstenstadt Mannar im Nordwesten Sri Lankas. In dieser Region sind 33 Prozent katholisch; landesweit beträgt der Katholikenanteil 7 Prozent.

Die Geschichte der in Madhu verehrten Marienstatue geht auf den Beginn der Christianisierung Sri Lankas um 1544 zurück. Sie hängt eng mit religiösen wie auch konfessionellen Auseinandersetzungen zusammen.

Katholiken suchten in dem Heiligtum im Dschungel Schutz vor Verfolgungen durch den König von Jaffna, dann vor niederländischen Kolonisten. In den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen in den 1980er-Jahren wurde Madhu weitgehend als entmilitarisierte Zone respektiert. Ab 1990 befand sich hier ein riesiges Flüchtlingslager. Auf dem Gelände der Wallfahrtskirche fanden Zehntausende Vertriebene Zuflucht. Der Pilgerbetrieb wurde erst 2010 wieder aufgenommen.

Ausschreitungen dementiert

Noch am Dienstagabend hatte das Verteidigungsministerium Berichte über Ausschreitungen in der Stadt Vavuniya, etwa 35km östlich von Madhu, dementiert. Aussagen in sozialen Netzwerken über eine angespannte Lage und Gewalttätigkeiten seien „komplett falsch“, erklärte Armeesprecher Ruwan Wanigasooriya über eine Regierungswebsite.

Vavuniya lag während der Militäroffensive 2008/2009 an der Front zwischen der Regierungsarmee und den tamilischen Separatisten der LTTE. Die Stadt gilt wegen wiederholter Zusammenstöße zwischen militanten Tamilengruppen als unsicher. Die Armee unterhält in Vavuniya ein regionales Hauptquartier und einen Luftwaffenstützpunkt.

religion.ORF.at/KAP

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