Papst geht mit Philippinern auf Tuchfühlung

Zum Auftakt seines Besuchs auf den Philippinen ist Papst Franziskus vor Hunderttausenden Gläubigen gleich auf Tuchfühlung gegangen und hat bei der Predigt gefragt: „Hast Du mich lieb?“

Auf dem Weg in den Präsidentenpalast kurbelte er Freitagfrüh als Erstes die Scheibe seines Wagens herunter, lehnte sich weit hinaus und winkte fröhlich. Die Straßen entlang der Strecke waren mit Menschenmassen gefüllt.

Präsident Aquino empfängt Franziskus in Manila

Papst Franziskus ist zu Beginn seines Besuchsprogramms heute Früh auf den Philippinen mit Staatspräsident Benigno Aquino zusammengetroffen. Am Freitagmorgen (Ortszeit) empfing Aquino den Papst mit einem offiziellen Zeremoniell in seiner Residenz, dem Malacanang-Palast.

Präsident Aquino begrüßt Papst Franziskus

REUTERS/ Stefano Rellandini

Präsident Aquino begrüßt Papst Franziskus

Den Weg zum Amtssitz des Präsidenten in der Hauptstadt Manila legte der Papst in einem Kleinwagen zurück. Wie bei der Ankunft am Vortag säumten wieder Tausende Menschen die Strecke.

Besucher entlang der Straße fotografieren den Papst mit ihren Handies

APA/EPA/Dennis M. Sabangan

Besucher entlang der Straße fotografieren den Papst mit ihren Handies

Im Park des im spanischen Kolonialstil erbauten Malacanang-Palasts wurde Franziskus mit 21 Salutschüssen willkommen geheißen. Während der Vorstellung der Delegationen intonierte eine Militärkapelle eine flotte Marschversion von Händels „Tochter Zion“. Auf dem Weg zu Fuß zum Palast hatten die Personenschützer dem Papst immer wieder Kleinkinder von Regierungsmitarbeitern und Gästen anzureichen, damit er diese segne.

Papst Franziskus gestikuliert beim Präsidentenempfang

APA/EPA/Dennis M. Sabangan

Papst Franziskus beim Präsidentenempfang

Faksimilie von einem Seefahrer-Atlas aus dem Jahr 1562

Der Sitte entsprechend, bekam Franziskus beim Betreten des Palasts ein Erfrischungstuch und ein Glas Wasser angereicht. Als Gastgeschenk überreichte der Papst dem Präsidenten ein Faksimilie von einem Seefahrer-Atlas aus dem Jahr 1562, der dem Kartografen Bartolome Oliva zugeschrieben wird.

Nach dem Eintrag ins Goldene Buch zogen sich Aquino und Franziskus zu einem privaten Gespräch zurück. Es war die erste persönliche Begegnung der beiden.

Papst Franziskus fragt: „Hast Du mich lieb?“

Bei einem Gottesdienst mit 2.000 Priestern, Bischöfen und Ordensleuten in der katholischen Kathedrale von Manila hatte der Papst sofort die Lacher auf seiner Seite. Franziskus’ erste Worte waren „Hast Du mich lieb?“, eine Wiederholung aus dem gerade vorgelesenen Evangelium nach Johannes. Einige in der Gemeinde antworteten aber deutlich „Ja“, bevor der Papst fortfahren konnte. Er unterbrach seinen Text lachend und sagte: „Ja, vielen Dank - auch wenn ich eigentlich nur aus dem Evangelium zitiert hatte.“ Dann setzte er seine Predigt fort.

Den Politikern ins Gewissen geredet

Die gut 80 Millionen Katholiken der Philippinen sind in der Mehrzahl tief religiös. Die Begeisterung über den Papstbesuch kannte kaum Grenzen. Manche Menschen warteten mehr als acht Stunden am Straßenrand, um die Wagenkolonne vorbeifahren zu sehen. Viele berichteten sofort von übernatürlichen Erlebnissen. „Mir wurde in dem Moment so leicht ums Herz“, meinte etwa Emma Velasquez.

Franziskus redete zunächst den Politikern in dem von Korruption geplagten Land ins Gewissen. „Politiker müssen ein leuchtendes Beispiel für Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und Hingabe für das Gemeinwohl sein“, sagte er. Dann prangerte er „eklatante und skandalöse soziale Ungerechtigkeit“ an.

„Skandalöse Ungleichheit“ auf den Philippinen

Papst Franziskus hat die katholische Kirche auf den Philippinen zum Kampf gegen eine „skandalöse soziale Ungleichheit“ im Land aufgerufen. Diese „verunziere“ das Gesicht der philippinischen Gesellschaft und stehe „in krassem Widerspruch zur Lehre Christi“.

Papst Franziskus prangert die soziale Ungleichheit auf den Philippinen an

REUTERS/ Stefano Rellandini

Papst Franziskus prangert die soziale Ungleichheit auf den Philippinen an

Die christliche Botschaft könne zum Aufbau einer „wirklich gerechten und ausgeglichenen Gesellschaft“ beitragen, so der Papst. Die Kirche müsse alljenen nahe sein, die an Armut und Korruption in der Gesellschaft innerlich zerbrochen seien. Sie müsse auch die Gründe der „tief verwurzelten Ungleichheit und des Unrecht“ im Land erkennen und bekämpfen, da diese der Lehre Jesu entgegenstünden. Zudem sollten die Katholiken „Netzwerke der Solidarität“ schaffen, die durch ihr prophetisches Zeugnis die Gesellschaft verwandelten.

Bescheidene Lebensführung von Priestern gefordert

Die Priester forderte der Papst in seiner Predigt zu einer bescheidenen Lebensführung auf. „Nur wenn wir selber arm werden, wenn wir unsere Selbstgefälligkeit ablegen, werden wir fähig sein, uns mit dem Geringsten unserer Brüder und Schwestern zu identifizieren“, so der Papst. In ihrer Lebensführung müsse sich die Armut Christi widerspiegeln.

Gottesdienst in der Kathedrale von Manila

REUTERS/ Stefano Rellandini

Gottesdienst mit 2.000 Priestern, Bischöfen und Ordensleuten in der katholischen Kathedrale von Manila

Weiters kritisierte Franziskus eine Abkehr vom christlichen Familienbild auf den Philippinen. Die Gesellschaft werde durch „verwirrende Darstellungen von Sexualität, Ehe und Familie“ in Versuchung geführt. Die christlichen Werte gerieten zunehmend „unter den Beschuss mächtiger Kräfte, die drohen, Gottes Schöpfungsplan zu entstellen“, so Franziskus. Er rief die jungen Priester auf, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen.

Milliardärs-Familien aber ein Viertel unter Armutsgrenze

Der asiatische Inselstaat hat viele Milliardärs-Familien, aber ein Viertel der etwa 100 Millionen Einwohner lebt unter der Armutsgrenze, deutlich mehr als im weltweiten Durchschnitt. „Um die sozialen Strukturen zu verändern, die die Armut festschreiben, müssen Einstellungen verändert werden“, sagte der Papst.

Aktivisten führen die Armut in dem Land unter anderem auf das explosive Bevölkerungswachstum zurück, das die Kirche mit ihrem Widerstand gegen künstliche Empfängnisverhütung mit zu verantworten habe.

Die Kirche hat auf den überwiegend katholischen Philippinen erheblichen Einfluss auf die Politik. Franziskus hielt aber die Familienwerte noch. Die Familie müsse geschützt werden, wie auch der Respekt für die Würde des ungeborenen Lebens.

"Größte Sicherheitsoperation der jüngeren Geschichte“

Der Besuch von Franziskus in Manila steht unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Nach Informationen der Zeitung „Philippine Daily Inquirer“ (Freitag) sind die Maßnahmen von Nachrichtendiensten und Polizei umfangreicher als beim Besuch von US-Präsident Barack Obama im vergangenen Jahr. Es handle sich um „die größte Sicherheitsoperation der jüngeren Geschichte“, zitierte das Blatt eine nicht namentlich genannte Militärquelle.

Präsident Aquino sagte im Vorfeld des Besuchs, es seien mindestens 25.000 Soldaten und Polizisten im Einsatz. Die Vorkehrungen für den Personenschutz des Papstes seien doppelt so hoch wie für ihn selbst. Nach den Anschlägen in Paris erklärten laut „Inquirer“ philippinische Sicherheitsverantwortliche, sie seien auf ein ähnliches Szenario vorbereitet.

Sorge vor Attentat

Bislang wurden beide Päpste, die die Philippinen vor Franziskus besuchten, Ziele von Anschlägen: 1970 unternahm ein Bolivianer vor den Augen von Diktator Ferdinand Marcos eine Messerattacke auf Paul VI. (1963-1978). Beim Besuch von Johannes Paul II. (1978-2005) in Manila zum Weltjugendtag 1995 sollte ein als Priester verkleideter Attentäter eine Bombe in der Nähe des Papstes zünden. Beide Anschläge wurden vereitelt.

Franziskus hatte auf dem Weg nach Manila am Donnerstag im Blick auf mögliche Angriffe gesagt, er setze auf sein offenherziges Auftreten und verfüge ansonsten über eine „gute Portion Ahnungslosigkeit“. Wenn es zu einem Attentat komme, bitte er nur um „die Gnade, dass es nicht wehtut“; er sei nicht besonders mutig im Aushalten von Schmerz, sondern „sehr, sehr ängstlich - nur nicht vor Gott“, so der Papst vor mitreisenden Journalisten.

religion.ORF.at/APA/dpa/KAP

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