Religionsrechtler: Islamgesetz fehlt letzter Schliff

Das neue Islamgesetz, das am Mittwoch den Nationalrat passiert hat, ist laut dem Wiener Religionsrechtsexperten Richard Potz auch nach einer Überarbeitung nach wie vor nicht genügend ausgereift.

Gegenüber dem ersten Entwurf seien im fertigen Gesetz zwar im Detail sehr viele Paragraphen entscheidend entschärft worden, dennoch gebe es nach wie vor einige berechtigte Einwände, so Potz am Mittwoch gegenüber Kathpress. Vom Gesetz betroffen sind die Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft. Mit ihnen haben sowohl das Integrations- als auch das Kultusministerium die Verhandlungen geführt.

Experte ortet Widersprüche

Besonders problematisch sei jener Passus - so der Experte -, der die Auflösung islamischer Vereine verlangt, die ihre Grundlage in denselben Glaubensquellen - insbesondere im Koran - haben wie die IGGiÖ, auch wenn diese Vereine der IGGiÖ gar nicht angehören. Dabei dürfe es auf Grund des Gesetzes ja mehrere islamische Religionsgesellschaften geben. Was gefordert werde, „widerspricht meines Erachtens klar der Vereinsfreiheit“, so Potz wörtlich.

Richard Potz

ORF/Marschalek

Religionsrechtler Richard Potz

Im Detail verlangt das Gesetz von jedem bestehenden und zu gründenden islamischen Verein die Vorlage einer Glaubenslehre und der wesentlichen Glaubensquellen, die sich von bestehenden Glaubensgemeinschaften unterscheiden müssen. Damit mache das neue Gesetz die Gründung neuer islamischer Vereine oder Glaubensgemeinschaften so gut wie unmöglich, so Potz. Denn der Koran sei nun einmal der zentrale Quellentext einer jeden islamischen Glaubensgemeinschaft.

Aleviten-Status besser separat regeln

Ähnlich problematisch sieht der Experte auch die Einbeziehung der schon als Religionsgesellschaft gesetzlich anerkannten Aleviten in das Gesetz. Es wäre besser gewesen, den Status der Aleviten separat gesetzlich zu regeln, so der Experte, der grundsätzlich meint, dass sich der Staat stärker am kürzlich reformierten Israelitengesetz hätte orientieren sollen.

Jetzt seien Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einführung von islamischer Theologie an der Universität Wien zu erwarten. Die Einigung auf zwei verschiedene Curricula habe das Problem zwar etwas entschärft, wie es aber bei der Auswahl der Professoren zu einer Einigkeit kommen soll, sei alles andere als geklärt.

Wenn der Staat mit der Etablierung einer islamischen Ausbildungsstätte an einer österreichischen Universität auch den Einsatz der künftigen Absolventen hierzulande verbinde, dann müsse es auch eine „Rück- und Einbindung islamischer Institutionen zu diesem Studium geben“ geben, so Potz, der selbst mehre Jahre als Vizedekan der juridischen Fakultät wirkte.

„Generalverdacht“ zu vermuten

„Völlig unverständlich“ sei laut dem Experten auch eine im Gesetz ausdrückliche Festlegung des Vorrangs des österreichischen Rechts vor den islamischen Glaubensvorschriften, die so in keinem anderen Religionsgesetz enthalten sei und einen Generalverdacht gegenüber dem Islam vermuten lasse. Die Regierung habe zwar zu Recht betont, man müsse zwischen den österreichischen Muslimen und der Islamischen Glaubensgemeinschaft einerseits und terroristischen islamischen Milizen und Vereinigungen andererseits unterscheiden, umso bedauerlichen ist es, wenn das Gesetz mit diesem Passus diese Absicht konterkariert.

Opposition dagegen

Heftige Kritik gab es bei der Diskussion zum Gesetz am Mittwochnachmittag im Parlament von Seiten der Oppositionsparteien. Die Grünen konnten dem neuen Gesetz in einigen Punkten zwar etwas abgewinnen, wollten aber aufgrund des im Gesetz vorhandenen „Generalverdachts gegen Muslime“ dagegen stimmen.

Auch die NEOS waren auf dieser Linie, sahen außerdem aber noch einige Hintertüren beim Auslandsfinanzierungsverbot muslimischer Vereine als gegeben an. Die gleichen Befürchtungen äußerte auch das Team Stronach, das ebenso geschlossen gegen das Gesetz stimmen wollte. Die FPÖ wiederum kritisierte die wesentliche Rolle der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) im Gesetz. Kritik kam auch aus der Türkei - mehr dazu in Islamgesetz: Kritik aus Türkei.

religion.ORF.at/KAP

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