Jesiden: Verfolgte Minderheit

Die Bluttaten der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak haben nach Einschätzung von UNO-Experten in Anzahl und Heftigkeit der Angriffe das Ausmaß von Völkermord erreicht, heißt es in einem entsprechenden Bericht.

In einem im März 2015 in Genf veröffentlichten Bericht des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte heißt es, die IS-Milizen hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und einen Völkermord an den Jesiden begangen. Die Verbrechen müssten aufgeklärt, die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, appellierte die UNO. Zudem müsse der UNO-Sicherheitsrat die Angelegenheit vor den Internationalen Gerichtshof bringen.

Anzahl und Heftigkeit der Angriffe auf Jesiden deuteten auf einen Völkermord hin, heißt es in dem Bericht weiter. Insbesondere in der Provinz Ninive sei die jesidische Bevölkerung einiger Dörfer vollständig ausgelöscht worden. Auch Tausende Christen seien vor den Terroristen geflüchtet. Der Bericht stützt sich auf mehr als 100 Interviews mit Zeugen aus dem Irak. Er dokumentiert IS-Übergriffe auf verschiedene ethnische und religiöse Gruppen, darunter Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Vergewaltigung, erzwungene Religionsübertritte sowie die Verpflichtung von Kindersoldaten.

Jesiden mit Kindern auf der Flucht

Reuters/Rodi Said

Tausende Jesiden sind auf der Flucht

Klischee „Teufelsanbeter“

Verfolgung und Vertreibung sind für die seit Jahrtausenden bestehende Religionsgruppe nichts Neues. Für den IS sind die Jesiden eine Ansammlung von Teufelsanbetern und Ungläubigen. Diese Vorurteile werden auch von vielen orthodoxen Muslimen geteilt. Jesiden glauben an einen Gott, wie Christen und Muslime auch. Allerdings verehren sie auch Melek Taus, einen der Überlieferung nach gefallenen Engel.

Mit dem Teufel hat dieser, nach Angaben irakischer Jesiden, nichts zu tun. Die Jesiden folgen damit einem uralten Glauben, der aus Mesopotamien stammt. Er soll vor 3.500 bis 4.000 Jahren entstanden sein und hat seine Wurzeln im Zoroastrismus, einer antiken persischen Religion und Philosophie. Später beeinflusste die Religion auch das Christentum und den Islam. Jesiden beten mehrmals am Tag zu ihrem Gott und verehren seine sieben Engel.

Weltweit etwa 500.000 Jesiden

Während die Religion vor tausenden Jahren zu einer der mächtigsten der Welt gehörte, gibt es heute nur mehr rund 500.000 Jesiden - die pessimistischste Schätzung spricht von lediglich 100.000. Die meisten Jesiden lebten bis vor kurzem in der irakischen Provinz Nineveh, die 400 Kilometer nordwestlich von Bagdad entfernt ist. Von Saddams Husseins Regime wurden sie brutal verfolgt, tausende Familien flohen aus dem Land.

Der Sturz Husseins durch die von den USA angeführte Invasion 2003 verbesserte die Situation der Jesiden nicht. Sie fanden sich nun im Mittelpunkt mehrerer Konflikte wieder: Einerseits zwischen jenem der irakischen Zentralregierung und islamistischen Gruppierungen, anderseits zwischen dem der Zentralregierung und den autonomen kurdischen Regionen. In August 2007 töteten Extremisten zwischen 400 und 700 Menschen bei Attacken auf jesidische Dörfer in Nineveh.

Mehr als 70 Massaker durch IS

Seit dem rasanten Vormarsch von IS befinden sich die Jesiden - neben vielen anderen religiösen Minderheiten- auf der Flucht vor der Terrorgruppe. Viele waren nach der Eroberung von Mossul, Ninevehs Hauptstadt, in Sinjar und anderen von Kurden kontrollierten Städten untergekommen, die nun ebenfalls unter Kontrolle der Islamisten stehen. Mehr als 70 Massaker hat die Minderheit seit ihrem Bestehen nach Angaben eines jesidischen Abgeordneten erlebt.

In Deutschland lebt mit geschätzten 40.000 Jesiden die größte Auslandgemeinschaft der Religionsgruppe, während es in Österreich nur sehr wenige Jesiden gibt - kurdische Vertreter sprechen von rund 1.000.

religion.ORF.at/APA/KAP

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