Pessach: Bitterkeit und Freude

Weltweit feiern etwa 15 Millionen Juden seit 4. April 2015 das einwöchige Pessach-Fest. Pessach (auch: Passah, Pascha) erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei.

Das Pessach-Datum wird aus dem Mondkalender ermittelt und orientiert sich am ersten Frühlingsvollmond. Zu Beginn der Frühlingsvollmond-Nacht, in der Nacht zum 15. Nissan des jüdischen Kalenders, finden sich alle im Haus zusammen. Jüdische Feiertage beginnen mit dem Abend davor - heuer also bereits am Freitag. Mit Lesungen aus der Haggada, einem Buch, das Geschichte, Auslegungen, Lieder und Bilder vom Exodus enthält, und dem Sedermahl wird das Fest eröffnet. Symbolisch wird zu Pessach der rasche Aufbruch beim Auszug aus Ägypten nachempfunden.

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg

APA/Herbert Pfarrhofer

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg

Paul Chaim Eisenberg, Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, erklärt für die Ö1-Sendung „Erfüllte Zeit“, wie wichtig es an dem Fest der Befreiung sei, sich zunächst an die Zeit der Unterdrückung zu erinnern und an die Tränen, die vergossen worden sind.

Symbole für Sklaverei und Errettung

Dazu werden beim Sedermahl am Vorabend des Feiertags auf einem Teller sechs Symbole für die Sklaverei und deren Ende aufgetragen: Das Salzwasser als Zeichen der Tränen, Kren oder anderes bitteres Gemüse (Maror) für die erlebte Bitternis, Radieschen oder Erdäpfel als Frucht der Erde (Karpas) und der lehmfarbene, weingetränkte Nussbrei (Charosseth) für die Ziegel, die die Israeliten in Ägypten herstellen mussten. Daneben liegen auf dem Teller die Zeichen der Errettung und des Lebens: Ein kleiner Lammknochen und ein Ei, als Zeichen für das ewige Leben.

Eine orthodoxe jüdische Familie beim Sedermahl zu Pessach

APA/EPA/Nati Shohat-Flash90

Sedermahl mit Matzenbrot in einer ultraorthodoxen Familie

Ein Becher Wein steht für den Propheten Eliah bereit, womit die Hoffnung ausgedrückt wird, der Prophet möge zum Fest erscheinen und das Kommen des Messias ankündigen. Das hebräische Wort „Seder“ bedeutet Ordnung und ist insofern sehr zutreffend, als der Ablauf des Sederabends genau festgelegt ist.

Erst nach der Rückbesinnung auf die „traurige Zeit“, auf die Unterdrückung, gedenke man der Befreiung, so Eisenberg im Interview mit dem ORF. „Wir sind nicht immer nur traurig, sondern wir erinnern uns an die traurigen Zeiten und feiern dann die Befreiung“, sagt Eisenberg. Da Freiheit nicht nur bei Juden einen zentralen Stellenwert habe, seien auch viele Menschen, die nicht Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind, interessiert am Pessach-Fest.

Orthodoxe Juden verbrennen Lebensmittel mit Sauerteig oder Vergorenes

Reuters/Finbarr O'Reilly

Ultraorthodoxe jüdische Männer beim Backen der Matzen

Keine Zeit zum Gären

Der Verzehr ausschließlich ungesäuerter Brote (Matzen) zum „Fest des ungesäuerten Brotes“, wie Pessach auch genannt wird, soll an den übereilten Aufbruch der Israeliten erinnern, der keine Zeit für das „Aufgehen“ von Teigen mehr ließ. Es gilt, alles zu vermeiden, was „Chamez“ ist. Dazu zählen neben jedem gesäuerten Brot auch Pizza, Bier und alle Germteige. Auf spiritueller Ebene symbolisiert Chamez, das Gesäuerte, alles Negative, wovon man sich während der Pessach-Feiertage reinigen will. Es geht weniger darum, etwas Bestimmtes zu sich zu nehmen, sondern vielmehr, Chamez „loszuwerden“.

Sendungshinweis:

„Erfüllte Zeit“

Sonntag, 5.April 2015, 7.05, Ö1

Matzen sind dünne Fladenbrote, deren gesamter Herstellungsprozess nicht länger als 18 Minuten dauern darf, und die keine Backtriebmittel wie Germ oder Backpulver enthalten.

Orthodoxe Juden verbrennen Lebensmittel mit Sauerteig oder Vergorenes

APA/EPA/Jim Hollander

Orthodoxe Juden verbrennen in Jerusalem Speisen, die Gärungsstoffe enthalten

„Frühjahrsputz“

Vor dem Pessachfest wird das Haus daher von allem Sauerteig gereinigt: Dadurch soll auch alles, was im Leben zur Gewohnheit geworden ist, entfernt werden. Brösel von gesäuerten Lebensmitteln werden oft feierlich verbrannt. Reste von Chamez können weggeworfen, verschenkt oder verkauft werden. Auch für das Geschirr gelten strenge Reinigungsregeln, in vielen Haushalten gibt es sogar eigenes Besteck und Geschirr nur für das Pessach-Fest. Manche reinigen das Geschirr rituell durch Auskochen, damit keine Spuren von Gesäuertem mehr übrig sein können.

Der Sederabend ist für Kinder ein Vergnügen, sie müssen Matzenstücke, die zuvor versteckt wurden, suchen. Wer etwas findet wird mit kleinen (Geld)-Geschenken belohnt.

Ein Aufstand zu Pessach

Oberrabbiner Eisenberg erinnert im Jahr 2015, zum Jahrestag der 70-jährigen Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, auch an einen besonderen jüdischen Aufstand gegen die Nazis im Ghetto von Warschau 1943. Nicht zufällig, meint der Rabbiner, hat dieser Aufstand zu Pessach begonnen. Die Gruppe sei damals einige Tage in der Lage gewesen, Widerstand gegen die Nazis zu leisten, so Eisenberg.

Auch für die Entstehung des christlichen Osterfests hat Pessach eine Bedeutung. Die Befreiung Israels aus der ägyptischen Knechtschaft wurde in der christlichen Deutung zu einem Bild der Erlösung von Sünde und Tod. Zu Ostern feiern Christen deren Überwindung.

religion.ORF.at

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