Papst: Vertreibung von Armeniern war Völkermord

In einer Messe zum Gedenken an den Massenmord durch die osmanische Regierung vor 100 Jahren hat Papst Franziskus am Sonntag im Petersdom erneut vom „Völkermord“ an den Armeniern gesprochen.

Er zitierte damit eine Erklärung von Papst Johannes Paul II. und dem armenischen Patriarchen aus dem Jahr 2000. Am 24. April 1915 begann die damalige Regierung des Osmanischen Reiches mit der Verhaftung der Armenier. In der Folgezeit fielen nach armenischen Angaben bis zu 1,5 Millionen Angehörige der Minderheit einem Völkermord zum Opfer. Die Türkei weist diesen Begriff zurück und setzt die Zahl der Opfer deutlich niedriger an.

Papst Festgottesdienst

REUTERS/Tony Gentile

Papst Franziskus spricht beim Festgottesdienst von „Völkermord“ im Jahr 1915

Begriff „Völkermord“ mit Spannung erwartet

An der Messe im Petersdom nahmen auch der armenische Patriarch Nerses Bedros XIX. (Tarmouni) und der armenische Präsident Serzh Sarksyan teil. Ob der Papst den Begriff Völkermord benutzen würde, war mit besonderer Spannung erwartet worden.

Der Papst sagte, für die beiden anderen Völkermorde des 20. Jahrhunderts seien der „Nazismus und Stalinismus“ verantwortlich. In jüngerer Vergangenheit habe es aber noch weitere Massenmorde gegeben, etwa in Kambodscha, Ruanda, Burundi und Bosnien. Die Menschheit sei offenbar nicht dazu in der Lage, „dem Vergießen von unschuldigem Blut ein Ende zu setzen“, sagte Franziskus.

Türkische Regierung kritisiert Papst-Äußerungen

Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu hat die Äußerungen von Papst Franziskus zu den Massakern an den Armeniern am Sonntagabend als „unangemessen“ und „einseitig“ kritisiert.

Leider stünden die Bemerkungen des Papstes nicht im Einklang mit dessen Forderung nach Versöhnung, die er während seines Besuchs in der Türkei im November erhoben habe, sagte Davutoglu im Fernsehen. Er hoffe, dass Franziskus seine Haltung revidieren werde.

Die Türkei bestellte daraufhin den Gesandten des Vatikan ein und berief zugleich den eigenen Botschafter am Heiligen Stuhl zu Konsultationen nach Ankara.

Türkei verhindert Messe des Papstes in Armenien

Laut Bericht der türkischen Zeitung „Vatan“ habe die Türkei einen Gedenkgottesdienst des Papstes in Armenien verhindert. Der Gedenkgottesdienst hätte am 24. April in Eriwan stattfinden sollen, stattdessen fand der Gottesdienst am 12. April im Vatikan statt.

Das türkische Außenministerium warnte nun den Vatikan davor, „Schritte vorzunehmen, die irreparable Konsequenzen für unsere Beziehungen haben könnten“. Vom Pontifikat werde erwartet, zum Weltfrieden beizutragen, statt Feindseligkeiten über historische Ereignisse zu schüren, hieß es weiter.

Wiederholte Proteste der Türkei

Im Jahr 2006, als Jorge Mario Bergoglio noch Erzbischof von Buenos Aires war, hatte er die Türkei aufgefordert, die Massaker als „das größte jemals von der ottomanischen Türkei begangene Verbrechen gegen das armenische Volk und die Menschheit insgesamt“ anzuerkennen.

Ankara legte daraufhin Beschwerde ein und zitierte den Apostolischen Nuntius ins Außenministerium. Als Franziskus die Gräueltaten an den Armeniern knapp drei Monate nach seinem Amtsantritt als Papst, Anfang Juni 2013, schon einmal als „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete, protestierte die Türkei ebenfalls offiziell. „Absolut inakzeptabel“ sei diese Äußerung, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Ankara.

Wieder wurde der vatikanische Botschafter zu einem Gespräch zitiert. Der Begriff war nicht in einer offiziellen Stellungnahme gefallen, sondern im persönlichen Gespräch mit Nachfahren von Opfern der Vertreibung am Rande einer Privataudienz für Nerses Bedros XIX. im Vatikan. Bekannt wurde die Äußerung durch einen Mitschnitt des vatikanischen Fernsehens.

Papst erhebt armenischen Mönch zum Kirchenlehrer

Die katholische Christenheit hat einen neuen Kirchenlehrer: Papst Franziskus erhob den armenischen Mönch und heiligen Gregor von Narek zum „Doktor der Universalkirche“. Der Mystiker und Schriftsteller wurde 950 im armenischen Andzevatsik geboren und starb um 1005 in einem Kloster in Narek. Beide Orte liegen heute in der Türkei. Das Kloster und das Grab Nareks wurden in den Jahren 1915 und 1916 im Zuge der Massaker an den Armeniern zerstört.

Als Kirchenlehrer verehrt die katholische Kirche Heilige, die eine herausragende Bedeutung für die Glaubenslehre haben. Mit der Erhebung Nareks gibt es nun 36 Kirchenlehrer. Aus dem deutschen Sprachraum kommen Hildegard von Bingen (1098 bis 1179), Albertus Magnus (um 1200 bis 1280) sowie der Jesuit Petrus Canisius (1521 bis 1597).

Die Zeremonie fand im Rahmen des Gottesdiensts zum Gedenken an den Beginn des Völkermords an den Armeniern vor 100 Jahren statt. An dem Gottesdienst nahmen auch der armenische Staatspräsident Sersch Sargsjan teil sowie der Patriarch Karekin II., das Oberhaupt der Armenisch-Apostolischen Kirche und Patriarch Nerses Bedros XIX., das Oberhaupt der Armenisch-katholischen Kirche.

religion.ORF.at/APA/KAP

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