Bischöfe gedenken des Armeniergenozids

Was sich damals in Anatolien und anderen Teilen des Osmanischen Reichs ereignete, „war eine der größten Katastrophen der Christenheit in ihrer ganzen Geschichte“, heißt es in einer offiziellen Erklärung der Österreichischen Bischofskonferenz.

Die Österreichischen Bischöfe gedenken der Opfer des Genozids an den Armeniern und den Christen syrischer Tradition vor 100 Jahren im Osmanischen Reich. Noch seien viele Archive in unterschiedlichen Ländern nicht zur Gänze ausgewertet, aber es zeichne sich ab, dass die von armenischen Historikern seit jeher genannte Zahl von 1,5 Millionen in den Jahren 1915 bis 1923 getöteten Armeniern der Realität entspricht, ebenso wie die Zahl von 500.000 syrisch-christlichen Opfern. Die Bischöfe bekennen zudem die Mitschuld Österreich-Ungarns am Genozid und kritisieren jede Leugnung des Völkermordes.

„Menschliche Katastrophe“

Mit der menschlichen Katastrophe der Jahre 1915 bis 1923 sei auch eine kulturelle Katastrophe ungeheuren Ausmaßes einhergegangen, heißt es weiter in der Erklärung: Im kleinasiatischen Raum seien tausende Kirchen und hunderte Klöster zerstört und entweiht worden. Heute kündeten vielfach nur mehr Ruinen „von einer der eindrucksvollsten christlichen Kulturlandschaften, die unendlich viel im Bereich von Architektur, Musik, Wissenschaft zur Weltkultur beigetragen hat. Damals versank auch endgültig die armenisch-osmanische Symbiose, die trotz aller Spannungen und Ungerechtigkeiten doch eine Möglichkeit des Zusammenlebens von Christen und Muslimen darstellte.“

Die österreichischen Bischöfe bei einer Bischofskonferenz

APA/Georg Hochmuth

Die österreichischen Bischöfe gedenken des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich

Die führenden Politiker des „Komitees für Einheit und Fortschritt“, das damals die osmanische Regierung stellte, seien zwar nach ihrem eigenen Zeugnis überwiegend Agnostiker oder Atheisten gewesen, aber sie hätten den Islam benützt, um die Ausrottungskampagne gegen die Christen populär zu machen, halten die Bischöfe weiter fest. Das zeige auch die Tatsache, dass sich retten konnte, wer bereit war, zum Islam zu konvertieren. Zugleich weisen die Bischöfe auch auf die Hilfsbereitschaft gläubiger Muslime für die verfolgten armenischen und syrischen Christen hin.

„Bemühungen um neue Objektivität“

Kritisch merken die heimischen Bischöfe an, dass in der Türkei der Völkermord an den armenischen und den syrischen Christen „bedauerlicherweise Jahrzehnte hindurch geleugnet“ wurde. Es zeigten sich aber in der türkischen Zivilgesellschaft neue Entwicklungen, „die Auswirkungen auch im politischen Bereich haben und Hoffnung auf Versöhnung geben“. So orten die österreichischen Bischöfe in der türkischen Geschichtsschreibung „Bemühungen um eine neue Objektivität“. Zudem sei es in den letzten Jahren üblich geworden, dass in türkischen Städten am 24. April Solidaritätsmärsche zum Gedenken an die „verschwundenen“ armenischen Mitbürger stattfinden.

„Die Leugnung des Völkermords an den Armeniern - und den syrischen Christen - hat bis heute dramatische Auswirkungen“, halten die Bischöfe weiter fest. Es solle nicht vergessen werden, dass die Begrifflichkeit und juristische Definition des Völkermords auf das tragische Geschick des armenischen Volkes ab 1915 zurückgeht.

Ebensowenig dürfe man aber auch vergessen, dass die Nazis bei ihren Plänen zur Vernichtung des jüdischen Volkes in Europa bewusst auf die Vergesslichkeit der Weltmeinung spekulierten, wie das bei den Armeniern der Fall gewesen war. Wörtlich schreiben die Bischöfe: „Es stellt sich die Frage, ob weitere Völkermorde hätten verhindert oder eingedämmt werden können, wenn nach Ende des Ersten Weltkriegs das Schicksal der armenischen und syrischen Christen nicht dem Vergessen anheimgegeben worden wäre.“

Parlamentsparteien erkennen Genozid an

Erstmals haben alle sechs Nationalratsfraktionen eine gemeinsame Erklärung abgegeben, die den vor 100 Jahren verbrochenen Massenmord an Armeniern im Osmanischen Reich als Genozid verurteilt. Der Mord an 1,5 Millionen Armenien war zuletzt wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, da Papst Franziskus und das Europaparlament den Völkermord gegeißelt hatten. Der Papst sprach vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Die Türkei reagierte jeweils empört. Sie zog ihren Botschafter aus dem Vatikan ab. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht der Papst „Unsinn“ - mehr dazu in Erdogan: Papst redet „Unsinn“ in Armenierfrage.

Gemeinsames Gedenken der Kirchen

Die christlichen Kirchen in Österreich gedenken am Freitag, 24. April, im Wiener Stephansdom gemeinsam der Opfer des Völkermords an den Armeniern, den Christen der syrischen Tradition sowie der Opfer der griechischen Christen des Pontus und Ioniens. Dem Gottesdienst werden Kardinal Schönborn, der armenisch-orthodoxe Patriarchaldelegat P. Tiran Petrosyan, der syrisch-orthodoxe Chorepiskopos Emanuel Aydin und der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) vorstehen. Der Gottesdienst beginnt um 17.00 Uhr.

Anfang des Monats hatte der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRKÖ) an Bundespräsident Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) appelliert, die Republik Österreich möge endlich den Völkermord am armenischen Volk anerkennen und „damit dem Beispiel vieler anderer Staaten folgen“.

Trotz der nunmehrigen Anerkennung durch den Nationalrat ist Österreich beim zentralen Gedenken an den Völkermord am 24. April in der armenischen Hauptstadt Eriwan nur auf Botschafterebene repräsentiert: Bundespräsident Fischer hat eine Einladung nicht angenommen.

EKD: Mut, die Dinge beim Namen zu nennen

In der Debatte um die Massaker an den Armeniern plädiert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für eine klare Benennung als Völkermord. Die Zeit sei reif dafür, dass Deutschland bei den Gräueltaten zu einer klaren Sprache finde, sagte die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Es müsse den Mut geben, die Dinge beim Namen zu nennen.

Die Berliner Koalitionsfraktionen wollen am Dienstag über ein Papier zu einer Gedenkstunde am Freitag - dem Jahrestag des Beginns der Massaker - im Bundestag abstimmen. Im Entwurf ist nun doch der Begriff „Völkermord“ enthalten. Zunächst war darin mit Rücksicht auf die Beziehungen zur Türkei der Begriff vermieden worden.

Türkei geht einen Schritt auf Armenier zu

Die Türkei ist im Streit um die Massaker an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs einen Schritt auf Armenien zugegangen. In einer am Montag veröffentlichten Erklärung des türkischen Premiers Ahmet Davutoglu, heißt es aus Anlass des 100. Jahrestags des Beginn des Tragödie am 24. April: „Wir teilen den Schmerz der Kinder und Enkel der Armenier, die ihr Leben bei Deportationen 1915 verloren.“

Der Forderung der Armenier, ihre Verfolgung im Osmanischen Reich als „Völkermord“ anzuerkennen, verschloss sich die türkische Regierung aber erneut. „Alles auf ein einziges Wort zu reduzieren“, und die Verantwortung pauschal „nur auf die türkische Nation“ abzuwälzen, sei „rechtlich und moralisch problematisch“, erklärte Davutoglu. Doch der vergleichsweise versöhnliche Ton der Erklärung hebt sich ab von Ankaras scharfer Reaktion auf Papst Franziskus, der in seiner Messe im Petersdom zum 100. Jahrestag des Massenmords am vorvergangenen Sonntag die Armenier als Opfer des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts bezeichnet hatte.

Religiöse Gedenkzeremonie in Istanbul

Der osmanischen Armenier werde am kommenden Freitag mit einer religiösen Zeremonie im Armenischen Patriarchat in Istanbul gedacht werden, hieß es in einer Mitteilung Davutoglus weiter.

Nach Darstellung der Armenier starben bis zu 1,5 Millionen Armenier im Zuge einer gezielten Vernichtungskampagne des Osmanischen Reiches. Die Türkei bestreitet dagegen, dass es sich um einen Völkermord handelte und spricht von einigen hunderttausend Toten infolge von Kämpfen und Hungersnöten während des Krieges. Das Europaparlament bezeichnet die Ereignisse schon seit 1987 offiziell als Völkermord. Die EU-Kommission vermeidet dagegen den Begriff Völkermord.

religion.ORF.at/APA/dpa/AFP/KAP

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