Glaube und Arbeit: Ein Spannungsverhältnis?

Die Debatten über religiöse Feiertage, den freien Sonntag und das Kopftuchtragen bei der Arbeit zeigen: Religion beeinflusst Arbeit und Wirtschaft. Das Verhältnis ist mitunter gespannt, doch für die gute Vereinbarkeit von Glaube und Arbeit gibt es Vorbilder.

Tarek H. (Name von der Red. geändert) ist gläubiger Muslim, Zivildiener und Angestellter in einem Fitnesscenter. Wenn er am Arbeitsplatz ein paar Minuten Zeit hat, zieht sich der junge Mann in einen freien Raum zurück, breitet seinen Gebetsteppich, eine Weste oder eine Jacke aus und betet unbemerkt. Vorgesetzte bittet er nicht um Erlaubnis, seinen spirituellen Bedürfnissen nachgehen zu dürfen, auch Kollegen sagt er nichts davon. Er geht nur dann beten, wenn nicht viel zu tun ist. So wie andere Rauchpause machen.

„Pause vom Leben“

Das rituelle Gebet, das Salat, gilt im Islam als religiöse Pflicht. Es ist fünfmal am Tag in Richtung Mekka zu verrichten - zu festgelegten Zeiten. Wenn die nicht eingehalten werden können, dürfen Gläubige ihre Gebete am Abend nachholen. Tarek ist darum bemüht, zu den vorgegebenen Zeiten zu beten. Das Gebet gibt ihm Kraft. „Wenn ich meine Gebete einhalten konnte, bin ich während der Arbeit besser drauf. Man ist erleichtert, weil man seine Pflichten erledigt hat“, sagt Tarek im Gespräch mit religion.ORF.at. Es sei auch einfach schön, wenn man fünf oder zehn Minuten „Pause vom Leben“ machen könne. Zufriedene Arbeitnehmer leisten bessere Arbeit - das ist längst zu einer Binsenweisheit geworden.

Der Wunsch religiöser Menschen, in der Arbeit beten zu können, wird meist nur in Zusammenhang mit muslimischen Gläubigen thematisiert. Doch auch bei Christen findet sich dieses Bedürfnis. In einigen Unternehmen Deutschlands haben sich christliche Firmengebetsgruppen zusammengefunden. Sie beten in der Firma für die Angelegenheiten des Betriebs, aber auch für persönliche Belange.

Christliche Firmengebete

Auf der Website des Wirtschaftsverbands Christen in der Wirtschaft (CiW), einer Organisation, die Menschen ermutigen will, christliche Werte im Berufsleben umzusetzen, sind 77 Unternehmen mit Firmengebetsgruppen gelistet. Siemens, Lufthansa, IBM, BMW, die Deutsche Bahn und das zweitgrößte Verlagshaus Europas, Gruner + Jahr, werden hier aufgeführt - um nur einige zu nennen.

In österreichischen Unternehmen sei die Frage, wie mit religiösen Mitarbeitern und ihren Wünschen umzugehen ist, laut Gerhard Niederhofer vom Diversity-Referat der Wirtschaftskammer Wien (WKW) bisher eine kaum gestellte. Die Aufgabe der Wirtschaftskammer sei diesbezüglich, jene Unternehmen dahingehend zu sensibilisieren, die religiöse Vielfalt als Chance zu sehen, und eine Win-win-Situation herbeizuführen, sagt Niederhofer gegenüber religion.ORF.at.

Rücksicht auf Juden und Muslime

So gibt es vereinzelt Unternehmen, die im Zuge von Diversity-Management, also einer Unternehmensphilosophie, wonach die Vielfalt der Mitarbeiter wahrgenommen und genutzt werden soll, auf die Bedürfnisse religiöser Mitarbeiter reagieren. Besonders internationale Firmen, vor allem aus dem angloamerikanischen Raum, gingen mit gutem Beispiel voran, so Niederhofer. Die Schaffung von Gebetsräumen, geänderte Kantinenzeiten während des Ramadan und flexible Pausenzeiten sind einige Beispiele.

Das Österreichische Bundesheer etwa berücksichtigt die religiösen Pflichten gläubiger Juden und Muslime besonders - etwa durch spezielle Kost, Ruhezeiten für Gebete und die Dienstfreistellung zu religiösen Feiertagen. Muslime können zum Freitagsgebet und Juden den Sabbat einhalten. Ihre Dienste können sie dafür verstärkt am Sonntag leisten.

Recht auf Religion

Religion beeinflusst Arbeit auch in rechtlicher Hinsicht: In Österreich haben von 13 gesetzlichen Feiertagen nur zwei, nämlich der 1. Mai und der 26. Oktober, der Nationalfeiertag, keinen religiösen Hintergrund. Klar ist, dass das Arbeitsrecht in Einklang mit dem Antidiskriminierungsrecht zu stehen hat. Arbeitgeber dürfen bei einem Bewerbungsgespräch nicht nach der Religion des Bewerbers fragen, auch ist es verboten, jemandem wegen seiner Religion oder Weltanschauung Arbeit zu verweigern - wie das im Fall von muslimischen Frauen mit Kopftuch regelmäßig geschieht.

Wenn Religion oder Weltanschauung aber für die berufliche Tätigkeit als Voraussetzung erachtet wird - etwa bei einem religiösen Seelsorger - dann gilt eine Ausnahme. So können sogenannte Tendenzbetriebe ihr Personal auch nach Kriterien bewerten, die eigentlich gegen das Antidiskriminierungsrecht verstoßen. Problematisch kann es werden, wenn das Recht auf Religionsausübung mit den arbeitsrechtlichen Verpflichtungen kollidiert. Etwa wenn Gläubige in der Arbeitszeit beten, an außergesetzlichen Feiertagen frei haben wollen oder sich weigern, bestimmte Tätigkeiten zu verrichten, weil es ihre Religion verbietet.

Seite an Seite: Kirche und Gewerkschaft

Vor einigen Jahren ging ein muslimischer Supermarktangestellter in Deutschland vor Gericht, er war gekündigt worden, weil er keinen Alkohol in die Regale einräumen wollte. Schließlich gab ihm das Gericht Recht, da das Unternehmen ihn auch anderweitig hätte einsetzen können.

Was die gesetzliche Verankerung von „Heiligen Zeiten“ betrifft, haben Christen in Österreich eine privilegierte Stellung. Trotzdem keimt die Diskussion über die Sonntagsöffnungszeiten regelmäßig auf und offenbart ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Arbeit und Religion. Das Spannungsverhältnis - nämlich zwischen Kirche und Arbeit - sieht Heiner Sternemann, Betriebsseelsorger der Erzdiözese Salzburg und aktiv in der Allianz für den freien Sonntag, historisch begründet. „Die Kirche hat Schuld auf sich geladen, weil sie sich lange Zeit nicht um die Arbeiter gekümmert hat“, sagt er zu religion.ORF.at. Sie sei in Zeiten der industriellen Revolution auf der Seite der Mächtigen und Kapitalgeber gestanden.

„Mensch bleiben am Arbeitsplatz“

Seit 30, 40 Jahren, so der Theologe, korrigiere die Kirche diesen Fehler und setze sich für die Schwachen ein. „Wenn wir jetzt als Kirche Partei ergreifen für die Schwächeren, dann müssen wir aufseiten der Arbeitnehmer sein und nicht aufseiten des Kapitals“, so Sternemann, Mitarbeiter in der Organisation Kirche & Arbeitswelt der Katholischen Aktion Salzburg. Heute gebe es viele Punkte, die „uns mit den Gewerkschaften“ verbinden. Die Forderungen nach dem freien Sonntag, der Verträglichkeit von Familie und Arbeit und der Wahrung der Gesundheit von Arbeitnehmern sind einige davon.

Als Christen „haben wir ein bestimmtes Bild von einem heilen Menschen“, und es sei seine religiöse Pflicht und sein religiöser Impuls, so Sternemann, sich sowohl dafür einzusetzen, dass der Wert von Nichterwerbsarbeit - wie etwa Pflege von Angehörigen - geschätzt werde, dass Arbeiter weder in Österreich noch in Bangladesch ausgebeutet werden, aber auch dafür, dass Menschen am Arbeitsplatz pausieren, essen, rauchen und beten dürfen. All das habe mit Religion zu tun, so Sternemann: Denn es gehe um den „heilen Menschen“, und hinter all dem liege schließlich die Frage: „Kann man am Arbeitsplatz Mensch bleiben?“

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

Links: