Systematische Verfolgung: Bahai im Iran

Die Religionsgemeinschaft der Bahai hat weltweit etwa sechs Millionen Anhänger. In ihrem Ursprungland Iran sind die Bahai bis heute systematischer Verfolgung und Benachteiligung durch den Staat ausgesetzt.

Die Bahai stellen die größte nicht islamische Minderheit im Iran. Schätzungen zufolge könnten es etwa 300.000 sein, so Adib Reyhani, Pressesprecher der Bahai-Religionsgemeinschaft Österreich, gegenüber religion.ORF.at. Dennoch sind die Bahai im Iran offiziell keine religiöse Minderheit wie etwa Christen, Juden und Zoroastrier. Die meisten Bahai, rund 2,2 Millionen, leben heute in Indien, auch die USA haben eine große Bahai-Gemeinde. Weltweit schätzt man ihre Zahl auf sechs Millionen. „Im Großen und Ganzen“ empfänden sich die Bahai in den meisten Ländern als gut integriert, sagte Reyhani.

Bahai-Tempel in New Delhi, Indien

AP Photo/Altaf Qadri

Lotus-Tempel der Bahai in Delhi, Indien

In Österreich entstand 1911 eine Bahai-Gemeinde, sie hat hier den Status einer eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft. Heute leben Bahai in rund 160 österreichischen Städten und Ortschaften. Mit den iranischen Bahai sei man in Kontakt, so Reyhani, es gebe unregelmäßige Reisen zwischen den beiden Ländern, ansonsten erfahre man Neues über das Internet und andere Wege.

Fischer im Iran: Bahai-Thema angesprochen

Bundespräsident Heinz Fischer sprach im Zuge einer Unterredung mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani Anfang September in Teheran die Verfolgung der Religionsgemeinschaft im Iran sowie die Lage der Frauen und andere Menschenrechtsfragen „deutlich“ an, wie die APA berichtete. Fischer sei damit seit elf Jahren der erste europäische Staats- und Regierungschef gewesen, der den Iran besucht und sich dort für die iranischen Bahai eingesetzt habe, sagte Reyhani.

Bahai Center Austria in Wien

Bahai-Gemeinde Österreich

Bahai Center Austria in Wien

Die Verfolgung der Bahai begann gleichzeitig mit den Anfängen ihrer Religion. In den Gründungsjahren 1849/50 wurden etwa 20.000 Anhänger des Bab („Tor“), eines wichtigen Propheten der Bahai-Religion, in einem Pogrom getötet, der Bab selbst wurde 1850 öffentlich hingerichtet. Religionsstifter Baha’ullah selbst lebte bis zu seinem Lebensende im heutigen Israel in der Verbannung. Im orthodoxen Islam gelten Bahai als Apostaten (vom Glauben Abgefallene), was theoretisch mit dem Tod bestraft werden kann.

Druck auf Bahai wächst

Während der Islamischen Revolution 1979 habe die Verfolgung „von einem Tag auf den anderen schlagartig zugenommen“, so Reyhani. Es kam erneut zu Pogromen, Morden, Brandstiftungen und Plünderungen von Häusern und Geschäften, die Bahai gehörten.

Zahlreiche Hinrichtungen beraubten die Religionsgemeinschaft ihrer Führungselite, 10.000 Bahai mussten fliehen. Hatte sich die Lage während der 1990er Jahre wieder ein wenig beruhigt, erhöhte sich der Druck auf die Bahai in den 2000er Jahren wieder. Staatliche Stellen seien direkt angewiesen worden, Anhänger der Minderheit vom sozialen und wirtschaftlichen Leben abzuhalten, sagte Reyhani.

Sieben Porträts der "Yaran", der Gruppe, die für die Administration der iranischen Bahai Gemeinde zuständig war und seit über sieben Jahren inhaftiert ist

Bahai World News Service

Porträts der „Yaran“, der Gruppe, die für die Administration der iranischen Bahai-Gemeinde zuständig war und seit über sieben Jahren in Haft ist

Die Verfolgung im modernen Iran ist subtiler geworden - dafür aber systematisch. Bahai dürfen keine öffentlichen Ämter bekleiden, auch als Angestellte in der Privatwirtschaft sind sie selten zu finden. Es werde Druck auf die Arbeitgeber ausgeübt, sie zu entlassen, so Reyhani. So bleibt den Bahai nur die Selbstständigkeit. Doch auch hier werde es ihnen schwergemacht, so der Bahai-Sprecher: Unter dem Vorwand, dass die Bahai ihre Geschäfte an ihren eigenen Feiertagen nicht aufsperren, würden diese vom Staat geschlossen. Pensionen würden aberkannt, so Reyhani.

Vom Studium ausgeschlossen

Schlimmer noch: Bahai dürfen im Iran nicht studieren. „Bahai-Kinder werden in den Schulen beschimpft, teilweise auch der Schule verwiesen“, so Reyhani. Gewalt gegen Angehörige der Minderheit breche immer wieder aus, „es ist nie sicher, wo sie herkommt, und sie wird nie rechtlich verfolgt“, so der Bahai-Sprecher. Sie richte sich gegen Geschäfte und Personen, auch Friedhöfe würden geschändet. Angehörigen verstorbener Bahai werde zum Teil von den Behörden „wochenlang“ das Begräbnis verwehrt. Der Zugang zu heiligen Orten werde Bahai verunmöglicht, auch Gemeinderäume seien konfisziert worden.

Bahaismus

Der Bahaismus versteht sich als unabhängige monotheistische Religion. Sie ging im 19. Jahrhundert als eigenständige Religion aus dem schiitischen Islam Persiens hervor. Bahai sind überzeugt, dass die Lehren aller Religionsstifter wie Mohammed, Jesus und Buddha der gleichen göttlichen Quelle entstammen.

Hohe Haftstrafen für Religionsausübung

Da sie offiziell keine religiöse Gemeinschaft darstellen, haben Bahai auch kein Versammlungsrecht. Ihnen werde immer wieder vorgeworfen, für den Erzfeind des Iran, Israel, zu „spionieren“, so Reyhani. „Kleriker hetzen, in den Medien wird auch Hetze betrieben.“

Der Versuch, die Religion auszuleben, kann mit Gefängnisstrafen enden. So ist es den Bahai verboten, die traditionell vorgesehenen „Räte“ zu wählen, ein aus neun Personen bestehendes Komitee, das jährlich neu bestimmt wird und aus Frauen und Männern besteht. Einen Klerus kennt die Bahai-Religion nicht.

Fotos der inhaftierten "Yaran" bei einer Demonstration in Brasilien

Reuters/Ricardo Moraes

Fotos der inhaftierten „Yaran“-Mitglieder bei einer Demonstration in Brasilien 2011

An dieses Verbot halte man sich auch, sagte Reyhani - die Bahai sind „dazu angehalten, die Gesetze des Landes, in dem sie leben, einzuhalten“. Folglich wurden die bestehenden Räte aufgelöst. Ein „Ad-hoc-Komitee“, zusammengesetzt aus sieben Personen, sollte lediglich „das Nötigste organisieren“, berichtete der Bahai-Sprecher. Im Mai 2008 wurden die Mitglieder des Komitees, des „Yaran“, verhaftet und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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