Veruntreuung, Verschwendung: Vatikan unter Beschuss

Nach den Festnahmen des spanischen Prälaten Lucio Angel Vallejo Balda und der Vatikan-Beraterin Francesca Chaouqui wegen der Weitergabe vertraulicher Dokumente kommt deren Inhalt ans Tageslicht.

Der spanische Opus-Dei-Prälat und die 32-jährige PR-Frau mit Kontakten zu einflussreichen Lobbys sind die beiden rätselhaften Schlüsselfiguren im zweiten „Vatileaks“-Skandal, der Papst Franziskus arg unter Druck setzt - mehr dazu in „Vatileaks 2“: Zwei Festnahmen im Vatikan. Beide waren Mitglieder der mittlerweile aufgelösten Kommission für die Neustrukturierung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Vatikan (COSEA).

Monsignore hinter Gittern

Noch vor zwei Jahren galt der 54-jährige Vallejo Balda als aufsteigender Stern der vatikanischen Wirtschaft und als Vertrauter Franziskus’. Heute sitzt der Monsignore hinter Gittern und auch die erzkonservative katholische Organisation Opus Dei, der er angehört, geht auf Distanz zu ihm. Als Franziskus im Frühjahr 2014 ein neues Wirtschaftssekretariat unter der Leitung des australischen Kardinals George Pell einrichtete, gab dieser zu verstehen, dass er Vallejo Balda als Nummer zwei einsetzen wolle. Doch den Auftrag erhielt dann Alfred Xuereb, persönlicher Sekretär von Benedikt XVI. und später von Franziskus.

Etwas soll in diesen Monaten in den Beziehungen zwischen dem spanischen Geistlichen und dem argentinischen Papst in die Brüche gegangen sein. Ein harter Schlag für den Spanier, den der Papst als einzigen Geistlichen in die Expertenkommission für die wirtschaftliche und administrative Reform des Vatikans gehievt hatte. Diese wurde inzwischen aufgelöst. In dieselbe Kommission war auch die von Valleyo Balda stark unterstützte PR-Expertin Chaouqui ernannt worden. Die Italienerin mit marokkanischem Vater hat ebenfalls Verbindungen zum Opus Dei.

„Lobbyistin“ mit exzellenten Beziehungen

Chaouqui, die 2013 nach einer Empfehlung des spanischen Monsignore als einzige Frau in das Finanzgremium aufgenommen worden war, wird von italienischen Medien als „Lobbyistin“ mit exzellenten Beziehungen im Vatikan und in der italienischen Regierung beschrieben. Die attraktive und redegewandte Kommunikationsexpertin mit einer Vergangenheit in der katholischen Studentenschaft war unter anderem für das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young tätig. Ihre Berufung in die achtköpfige Kommission hatte für Überraschung im Vatikan gesorgt. Kritiker hatten Zweifel an Chaouquis Kompetenz für die Aufgabe geäußert.

Chaouqui bestreitet die Vorwürfe der Dokumentenveruntreuung und schiebt dem Monsignore die Schuld in die Schuhe. Sie arbeite mit der vatikanischen Staatsanwaltschaft zur Klärung des Falls zusammen, hieß es am Montag. Die Frau war am Samstag festgenommen und kurz daraufhin aus der Haft entlassen worden. Inzwischen nahm sich Chaouqui die Star-Rechtsanwältin Giulia Bongiorno als Verteidigerin, die dem verstorbenen italienischen Regierungschef Giulio Andreotti zum Freispruch in einem eklatanten Mafia-Prozess verholfen hatte.

Motive noch unklar

Was den Geistlichen und die PR-Agentin bewogen haben soll, dem Investigativ-Journalisten Gianluigi Nuzzi vertrauliche Dokumente über die Missstände im Vatikan zuzuspielen, ist noch unklar. Mit Nuzzi, Autor von Bestsellern wie „Vatikan AG“ und „Seine Heiligkeit“ sei sie befreundet, gestand Chaouqui. Fest steht, dass Balda und Chaouqui als Mitarbeiter der Wirtschaftskommission leichten Zugang zu brisanten Dokumenten hatten. Um welche Papiere es sich genau handelt, ist noch nicht bekannt. Das Geheimnis dürfte aber bald gelüftet sein: Am Mittwoch werden in Rom Nuzzis Buch, sowie ein Werk des Investigativ-Journalisten Emiliano Fittipaldi präsentiert, die den Inhalt dieser Dokumente enthüllen dürfte.

Vatikan prüft rechtliche Schritte

Italienische Medien sprachen bereits von einem „Vatileaks 2“. In der sogenannten „Vatileaks“-Affäre gelangten 2012 vertrauliche Dokumente vom Schreibtisch Papst Benedikts XVI. (2005-2013) an die Öffentlichkeit. Sein Kammerdiener Paolo Gabriele gestand den Diebstahl; die Hintergründe blieben unklar. Der Vatikan lässt unterdessen ausrichten, wer glaube, er stärke mit eklatanten Enthüllungen die Mission des Papstes, der täusche sich. Solche Bücher dienten auch nicht der Wahrheitsfindung, hieß es weiter. Man prüfe vielmehr die Möglichkeit, rechtliche Schritte gegen die Autoren der beiden Bücher zu ergreifen.

Das Buch des italienischen Investigativjournalisten Emiliano Fittipaldi über Finanzmissstände sorgte bereits für Aufregung. Inhalte des Werks wurden bereits am Dienstag bekannt: Es geht darin der APA zufolge um riesige Reichtümer, Verschwendungen, Benefizgelder, die nicht für Arme verwendet werden, sondern auf Konten angesammelt oder für Ausgaben der Kurienmitglieder verschwendet werden.

Petersplatz im Vatikan

APA/Dragan Tatic

Schwere Anschuldigungen erschüttern den Vatikan

„Avarizia“ (Geiz) heißt das Sachbuch des 41-jährigen Fittipaldi, Vatikan-Berichterstatter des renommierten italienischen Nachrichtenmagazins „L’Espresso“, das am Mittwoch vom Mailänder Verlag Feltrinelli veröffentlicht wird.

Charterflug mit Stiftungsgeldern

In seinem Werk veröffentlicht Fittipaldi brisante Dokumente, die Veruntreuung von Spenden durch vatikanische Stiftungen. In Italien skandalumwitterte Unternehmen verstecken angeblich weiterhin Schwarzgelder in Millionenhöhe auf Konten der Vatikanbank IOR. Unter die Lupe nimmt Fittipaldi auch eine 2008 gegründete Stiftung des vatikanischen Kinderkrankenhauses „Bambini Gesu“, die Geld für die kleinen Patienten sammelt. Die Stiftung soll 2012 23.800 Euro ausgegeben haben, um den damaligen vatikanischen Staatssekretär Tarcisio Bertone mit einem Charterflugzeug in die Region Basilikata für „Marketingaktivitäten im Interesse des Krankenhauses“ zu fliegen, berichtete Fittipaldi.

Ein Kapitel widmet der Journalist den Renovierungsarbeiten in Bertones Wohnung im Palast San Carlo. Die Stiftung des Kinderkrankenhauses habe mit 200.000 Euro die teuren Renovierungsarbeiten finanziert. Das wurde jedoch von Bertone heftig bestritten.

Vorwürfe: Geldwäsche und Veruntreuung

Fittipaldi beschäftigt sich auch mit dem sogenannten Peterspfennig, den Gläubige auf der ganzen Welt als Beitrag für den Papst und dessen karitative Werke zahlen. Der Peterspfennig sei in einen Fonds geflossen, der nicht in den Bilanzbüchern des Heiligen Stuhls erscheint, berichtete Fittipaldi in seinem Buch, das am Dienstag auszugsweise von der römischen Tageszeitung „La Repubblica“ veröffentlicht wurde.

Der Journalist zitiert auch einen Bericht des Europaratskomitees zu Geldwäsche und Terrorfinanzierung, Moneyval, über die Verwendung des Peterspfennig. Die Vatikan-Gelder seien vor allem für die Ausgaben der Dikasterien (einzelne Ämter der römischen Kurie) und der Institutionen der römischen Kirche verwendet worden und nicht in karitative Projekte geflossen.

Fittipaldi nimmt auch die Vatikanbank IOR ins Visier. Über 100 verdächtige Konten gebe es noch in der Vatikanbank trotz Franziskus’ Bemühungen, dort mehr Transparenz zu schaffen. Einige Konten seien auf skandalumwitterte Unternehmer zurückzuführen. Der Chef der Finanzaufsichtsbehörde AIF, Rene Brülhart, versicherte, jedoch, dass diese Konten bereits gesperrt worden seien.

religion.ORF.at/APA

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