„Vatileaks 2“: Autoren von Ermittlungen unbeeindruckt

Gelassen haben die Autoren Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi darauf reagiert, dass die vatikanische Justiz nach dem Erscheinen ihrer Bücher gegen sie wegen des Verdachts der „Beihilfe zur Verbreitung vertraulicher Informationen“ ermittelt.

Nuzzi habe von den Ermittlungen bisher nur aus der Presse erfahren, sagte er bei einem Pressegespräch am Donnerstag in Wien. Er verwies darauf, dass in seiner Heimat Italien die Pressefreiheit von der Verfassung geschützt sei, was laut mehreren Höchstrichter-Entscheidungen auch journalistische Recherchen zu nicht öffentlich bekannten Informationen umfasse.

Fittipaldi: „nichts zu befürchten“

Vatikansprecher Federico Lombardi hatte zuvor am Mittwochabend bekanntgegeben, dass die vatikanische Justiz gegen Nuzzi sowie einen zweiten Journalisten, den L’Espresso-Redakteur Emiliano Fittipaldi, ermittelt. Beide veröffentlichten jüngst vertrauliche Dokumente, die Misswirtschaft und Korruption im großen Umfang im Vatikan belegen. Ihre Bücher waren vor einer Woche erschienen.

Auch Fittipaldi äußerte sich gelassen zu den Ermittlungsankündigungen. Er habe nichts zu befürchten, meinte er gegenüber dem Internetportal „Vatican Insider“. Von einem internationalen Rechtshilfeersuchen des Vatikan sei ihm nichts bekannt.

Nuzzi kritisiert Staatsanwaltschaft

Nuzzi wiederum betonte in Wien, dass er es als italienischer Staatsbürger als „ungewöhnlich“ empfinde, dass der Vatikan die Namen von Personen, gegen die Ermittlungen laufen, öffentlich nennt. Es handle sich um eine „kafkaeske Situation“, so Nuzzi wörtlich, wenn ein Staat, der Ermittlungen wegen der Weitergabe seiner Ansicht nach vertraulicher Informationen führe, gleichzeitig vor der Presse die Namen jener nennt, gegen die ermittelt werde. In Italien seien von Ermittlungen Betroffene in diesen Fragen vom Ermittlungsgeheimnis geschützt.

Buchautor Gianluigi Nuzzi bei der Pressekonferenz zur Vorstellung seines Buchs "Alles muss ans Licht. Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes"

APA/EPA/Giorgio Onorati

Gianluigi Nuzzi: „Ein Journalist veröffentlicht Nachrichten. Der Papst wusste, dass die Vatikan-Konten außer Kontrolle waren, die Gläubigen nicht. Jetzt wissen es auch die Bürger“

Nuzzi nahm zudem auf die Worte von Papst Franziskus Bezug, der am vergangenen Sonntag öffentlich die Weitergabe vertraulicher Dokumente verurteilt hatte und darauf verwies, dass er selbst die Untersuchungen veranlasst habe, über deren Ergebnisse in diesen Akten berichtet werde. Nuzzi betonte dazu, dass er nie angezweifelt habe, dass der Papst die Dokumente kenne. Als Journalist gehe es ihm jedoch um die Information der Öffentlichkeit. „Es gibt einen Papst, der weiß, was läuft und versucht, das eine oder andere zu ändern - und es gibt einen Journalisten, der einfach seine Arbeit macht“, sagte der Autor.

Vatikan nur geringe Aussichten

Nuzzi und Fittipaldi sind beide italienische Staatsbürger. Der Vatikan müsste daher ein Rechtshilfeersuchen an Italien stellen, um sie juristisch zu belangen. Im Juli 2013 hatte der Vatikan erstmals in seiner Geschichte ein solches Ersuchen an die italienische Justiz gerichtet. Damals ging es um Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche gegen einen ranghohen vatikanischen Buchhalter.

In italienischen Medien wird regelmäßig aus vertraulichen Dokumenten oder abgehörten Telefongesprächen zitiert, ohne dass dies juristische Folgen hätte. Häufig stammt das Material zudem offensichtlich aus Justizkreisen. Daher gelten die Chancen, dass die italienische Justiz ihre vatikanischen Kollegen in diesem Fall unterstützt, als gering.

Weitere Personen im Visier

Vatikansprecher Lombardi sagte, die vatikanische Justiz habe Material sichergestellt, das den Verdacht gegen Nuzzi und Fittipaldi untermauere. Im Visier der Ermittler seien noch weitere Personen, die beim Ankauf der fraglichen Dokumente mitgewirkt haben könnten.

Der Vatikanstaat führte den Straftatbestand der Verbreitung von vertraulichen Informationen und Dokumenten 2013 nach der sogenannten Vatileaks-Affäre im Jahr 2012 ein. Er kann mit einer mehrjährigen Haftstrafe geahndet werden. Damals hatte der Kammerdiener von Benedikt XVI. Dokumente von dessen Schreibtisch gestohlen. Veröffentlicht wurden viele der Unterlagen in einem früheren Buch Nuzzis.

Bereits Ermittlungen

In der jüngsten Causa ermittelt die vatikanische Staatsanwaltschaft bereits gegen einen ranghohen vatikanischen Geistlichen und eine italienische PR-Fachfrau wegen des Verdachts auf Diebstahl und Verbreitung von vertraulichen Dokumenten.

Der spanische Priester Lucio Angel Vallejo Balda, Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls, ist seit anderthalb Wochen in vatikanischer Haft. Die 33-jährige Francesca Chaouqui ist nach einer vorübergehenden Festnahme wieder auf freiem Fuß. Die vatikanische Justiz ermittelt jedoch weiter gegen sie.

„Fides“: Immobilienvermietung sauber

Gegen in italienischen Medien zuletzt erhobene Vorwürfe einer Veruntreuung von Geld und Immobilienbesitz setzten sich die Vatikanbehörden zugleich zur Wehr. Die Kongregation für die Evangelisierung der Völker (Missionskongregation) bezeichnete Veröffentlichungen, wonach die Vatikanbehörde römische Luxuswohnungen weit unter marktüblichen Preisen an Begünstigte vermiete, als „unwahr“ und „inakzeptabel“. Die Vermietung folge italienischen Gesetzen, hieß es in der am Mittwoch vom „Fides“-Missionspressedienst veröffentlichten Erklärung.

Ausnahmen gebe es „lediglich für Menschen in Notsituationen“, so „Fides“. Für ihre Einkünfte habe die Missionskongregation im Jahr 2014 allein für Liegenschaften in Rom 2,2 Millionen Euro an den italienischen Fiskus gezahlt. Auf welchen Zeitraum und auf welche Objekte sich die Summe bezieht, teilte „Fides“ allerdings nicht mit.

Das vatikanische Presseamt dementierte zudem Berichte, denen zufolge die Güterverwaltung des Heiligen Stuhls (APSA) in der Vergangenheit in unrechtmäßige Finanzgeschäfte verwickelt gewesen sein soll. Italienische Medien hatten sich dafür auf ein vertrauliches Vatikandokument berufen, das in diese Richtung spekuliert. Die vatikanische Justiz untersuche derzeit, wie das Papier an die Öffentlichkeit gelangen konnte, so das Presseamt. Die APSA habe stets mit den zuständigen Stellen kooperiert und erfülle ihre Aufgaben nach den geltenden Regeln.

Papst: „bedauernswerten Akt“

Der Papst bezeichnete die Veröffentlichung der Dokumente am Sonntag als „Fehler“ und „bedauernswerten Akt“, der nicht weiterhelfe. Er kündigte an, seine Reformen ungeachtet des Geheimnisverrats fortzusetzen - mehr dazu in Papst nennt „Vatileaks 2“ „bedauerliche Tat“

Nuzzi spielte bereits in der sogenannten Vatileaks-Affäre aus der Zeit von Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. eine prominente Rolle. Auch damals waren in größerem Stil geheime Papiere aus dem Vatikan geschmuggelt und publiziert worden.

religion.ORF.at/AFP

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