„Last Shelter“: Geschichte der „Votivkirchen-Flüchtlinge“

Protestmarsch, Hungerstreik und Forderungen - drei Jahre ist es her, dass Flüchtlinge in der Wiener Votivkirche Zuflucht gefunden haben. Filmemacher Igor Hauzenberger hat den Protest mit der Kamera begleitet.

Angesichts der aktuellen Situation von zehntausenden Flüchtlingen, die derzeit quer durch Europa ziehen, um eine neue Heimat zu finden, ist „Last Shelter“ brandaktuell. Die Forderungen der Flüchtlings-Protestbewegung, die sich Ende 2012 formiert hat, nach Reisefreiheit, Arbeitserlaubnis und raschen Asylverfahren werden in der aktuellen Debatte rund um Grenzen, Zäune und Asyl neuerlich heftig diskutiert. Die Dokumentation „Last Shelter“ läuft ab Freitag in den österreichischen Kinos.

Lebensgeschichten im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt des Films stehen die Flüchtlinge selbst. Helferinnen und Helfer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas und anderer Hilfsorganisationen kommen nur am Rande vor. Der Fokus liegt auf den in der eiskalten Votivkirche gestrandeten Schutzsuchenden und ihren Lebensgeschichten.

Filmstill "Last Shelter": Flüchtlinge sitzen mit Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner auf Matratzen in der Wiener Votivkirche

Stadtkino Filmverleih

Filmstill aus „Last Shelter“: Flüchtlinge mit Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner

Der Protest nahm im November 2012 seinen Ausgang im Flüchtlings-Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Erbost über die Zustände, die damals dort herrschten, zogen am 24. November 2012 rund 150 Asylwerber von Traiskirchen nach Wien, wo sie zunächst auf der Grünfläche vor der Votivkirche campierten. Als das Lager wenige Tage später geräumt wurde, entschieden die Flüchtlinge, ihren Protest in der Votivkirche fortzusetzen.

„Sie wollten mir ihre Geschichten erzählen“

Dort ist Filmemacher Igor Hauzenberger zum ersten Mal den Protagonisten seines Filmes begegnet. Im Rahmen der Aktion „Solidarisches Schlafen“ waren Menschen eingeladen, eine Nacht bei den Flüchtlingen in der Kirche zu verbringen.

Regisseur Igor Hauzenberger

Stadtkino Filmverleih

Regisseur Igor Hauzenberger

„Ich bin dann gleich drinnen geblieben und wurde von den Flüchtlingen eingeladen, meine Kamera aufzubauen. Sie wollten mir ihre Geschichten erzählen“, berichtete Hauzenberger im Interview mit religion.ORF.at. Die Idee, die Geschichte der „Votivkirchen-Flüchtlinge“ zu verfilmen, kam Igor Hauzenberger, der für seinen Dokumentarfilm „Der Prozess“ über den Wiener Neustädter Tierschützerprozess mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, erst später.

Österreichweite mediale Aufmerksamkeit erhielt die Flüchtlingsbewegung, als einige Männer in Hungerstreik traten - eine Phase, die in „Last Shelter“ breiten Raum einnimmt. War diese Entscheidung, als Druckmittel in einen Hungerstreik zu gehen, doch für die Flüchtlinge selbst, aber auch für Helferinnen und Helfer, eine enorme Herausforderung und Belastung. „Mich hat sehr bewegt, dass viele gesagt haben, wir wollen lieber hier in der Kirche im Hungerstreik sterben, bevor wir in unsere Länder zurückgehen, wo uns Terror und Gefahr drohen“, so Hauzenberger.

Kraft der Bilder

„Last Shelter“ kommt ohne Sprechertext aus. Die Bilder sprechen für sich. Etwa dann, wenn neben den Flüchtlingen Gottesdienst gefeiert und über die Barmherzigkeit Gottes gesprochen wird. Oder auch dann, wenn Sanitäter von der Nahrungsverweigerung komplett geschwächte Männer behandeln und diese ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Auch die Besuche des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn bei den Flüchtlingen und das Engagement der Caritas sind dokumentiert. Deutlich sichtbar wird dabei die schwierige Vermittlerrolle zwischen Flüchtlingen und staatlichen Stellen.

Filmtrailer von „Last Shelter“

Nach langen Verhandlungen übersiedelten die Schutzsuchenden schlussendlich Anfang März 2013 von der Votivkirche in das von der Erzdiözese Wien zur Verfügung gestellte Servitenkloster in Wien-Alsergrund. Auch als das Schicksal und die Forderungen der Flüchtlinge zusehends aus dem medialen Blickpunkt verschwinden, begleitete Igor Hauzenberger die Flüchtlinge mit der Kamera weiter.

Kein „Happy End“

Und so ist der Betrachter dabei, wenn einige Mitglieder der Flüchtlingsbewegung heiraten, zu einer großen Protestkundgebung nach Brüssel reisen oder via Skype mit ihren Verwandten in Pakistan sprechen. Laut dem Film haben von den 63 Schutzsuchenden aus der Votivkirche bis jetzt elf Asyl in Österreich erhalten, neun subsidiären Schutz. Ein klassisches filmisches „Happy End“ gibt es somit nur für einige der Flüchtlinge.

Christoph Riedl-Daser, religion.ORF.at

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