„Vatileaks 2“-Prozess nach 70 Minuten vertagt

Der Prozess gegen fünf Personen wegen Veröffentlichung vertraulicher Dokumente über finanzielle Missstände im Vatikan ist am Dienstag eröffnet und nach nur 70 Minuten Verhandlungsdauer auf Montag vertagt worden.

Bei der Audienz wurden Pflichtverteidiger für die fünf Angeklagten - zwei italienische Journalisten und drei Mitglieder einer Wirtschaftsprüfungskommission - ernannt. Ein Antrag des sich in Untersuchungshaft befindlichen Prälaten Lucio Angel Vallejo Balda, seinem erst am Montag ernannten Anwalt mehr Zeit für die Vorbereitung der Verteidigung zu geben, wurde von Gerichtspräsident Giuseppe Dalla Torre abgelehnt. Abgelehnt wurde auch ein Antrag des angeklagten Journalisten Emiliano Fittipaldi auf Annullierung der Vorwürfe, weil diese im Anklagedokument des Vatikan unklar formuliert worden seien.

Gianluigi Nuzzi (li.) und Emiliano Fittipaldi und Francesca Chaouqui zum Prozessauftakt im Vatikan

APA/EPA/L'Osservatore Romano/Handout

Gianluigi Nuzzi (li.) und Emiliano Fittipaldi und Francesca Chaouqui zum Prozessauftakt im Vatikan

Fittipaldi: Prozess „in meiner Heimat“ unmöglich

Die Vernehmung der Angeklagten vor Gericht wird ab kommendem Montag am Vormittag und am Nachmittag erfolgen, verlautete aus dem Vatikan. Die angeklagten Journalisten Fittipaldi und Gianluigi Nuzzi hielten eine kurze Verteidigungsansprache. Nuzzi bezeichnete den Prozess als „kafkaesk und absurd“. Fittipaldi betonte, dass der Prozess dem in der Europäischen Konvention für Menschenrechte verankerten Prinzip der Medien- und Meinungsfreiheit widerspreche.

„In meiner Heimat Italien wäre ein derartiger Prozess nicht möglich, weil man mir nicht vorwirft, falsche, oder verleumderische Nachrichten verbreitet zu haben, sondern mich einfach beschuldigt, Informationen veröffentlicht zu haben, was von der universalen Menschenrechtserklärung verteidigt wird“, so Fittipaldi.

Nuzzi beklagt Missachtung seiner Rechte

Bei einer Pressekonferenz im Auslandspresseverband in Rom nach Ende der ersten Gerichtsverhandlung beklagte Nuzzi, dass die Rechte der Verteidigung missachten worden seien. Da seine Anwältin im Vatikan nicht zugelassen worden sei, habe er erst am Dienstag kurz vor Verfahrensbeginns erstmals seinen vatikanischen Pflichtverteidiger kennengelernt.

„Ich habe erst heute kurz die Akten mit den Vorwürfen gegen mich durchblättern können. In Italien funktioniert das Justizsystem anders, es schützt in erster Linie das Verteidigungsrecht. Ich darf keine Kopie des Prozessdossiers erhalten und habe keinen Zugang zu den Anklagedokumenten. Ich werde jedoch trotzdem am Prozess teilnehmen“, sagte Nuzzi. Er habe keine Angst und nichts zu verbergen, so Nuzzi weiter. „Ein Journalist hat die Pflicht, Informationen zu veröffentlichen", sagte der Enthüllungsbuchautor. Die ihm zugespielten Dokument seien nicht gestohlen worden“, sagte Nuzzi.

„Kaste von Pharaonen“ im Vatikan

„Das was in meinem Buch enthüllt wird und auf Tatsachen basiert, betrifft Privilegien und Missstände einer Kaste von Pharaonen, die täglich vom Papst angeprangert wird. Die Kaste ist nicht glücklich, dass ihre Geheimnisse enthüllt werden“, meinte der Mailänder Journalist. Der Prozess gegen ihn sei Ausdruck einer „obskuren Kirche“, die nicht die Botschaften des Papstes akzeptieren wolle.

Nuzzi glaubt nicht, dass der Skandal um sein Buch den Reformprozess des Papstes erschweren könnte. „Ich glaube, dass Franziskus ́ Erneuerungsprozess im Vatikan zwar voranschreitet, allerdings nicht so schnell wie wir denken. Teil der Machtlobby an der Spitze der Kurie ist schrittweise entfernt worden. Die Revolution der Transparenz des Papstes ist zwar stark, man muss jedoch nicht nur Menschen und Gesetze ändern, sondern auch die Mentalität“, so Nuzzi.

Staatsanwalt: Dokumente illegal erhalten

Der vatikanische Staatsanwalt Roberto Zanotti bestritt, dass der Vatikan die Medienfreiheit beschneiden wolle. Der Prozess kreise um den Druck, den die Angeklagten zum Erhalt der Dokumente ausgeübt hätten. „Hier geht es um den Verdacht, dass die Journalisten die Dokumente auf illegale Weise erhalten haben“, so Zanotti.

Vor Gericht erschien auch der seit Anfang November inhaftierte Vallejo Balda. „Mir geht es gut, ich werde gut behandelt“, versicherte der Spanier. Er befindet sich in einer Zelle der vatikanischen Gendarmerie in Untersuchungshaft.

Kritik an Vatikan wegen Prozesses

Der Verband der in Italien tätigen ausländischen Korrespondenten hat in einem Schreiben seine Sorge wegen des am Dienstag beginnenden Prozesses gegen die Enthüllungsjournalisten Nuzzi und Fittipaldi ausgedrückt. „Es ist besorgniserregend, dass die Ausübung der journalistischen Tätigkeit als Delikt betrachtet wird“, hieß es in dem Schreiben.

Zu den Menschenrechten würden nicht nur die von der katholischen Kirche und dem Vatikan verteidigte Religionsfreiheit, sondern auch die Meinungsfreiheit zählen. Es sei Pflicht der Journalisten, die Öffentlichkeit über Missstände zu informieren und somit zu deren Lösung beizutragen, hieß es. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte am Montag an den Vatikan appelliert, die Vorwürfe gegen die italienischen Enthüllungsjournalisten zurückzuziehen.

Angeklagt sind neben Nuzzi und Fittipaldi die PR-Agentin Francesca Chaouqui, der spanische Prälat Lucio Angel Vallejo Balda, der sich in Untersuchungshaft befindet, sowie Nicola Maio, Mitglied der von Papst Franziskus eingerichteten Kommission für die Überprüfung der Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen (Cosea). Den Angeklagten droht eine Strafe von bis zu acht Jahren Haft.

religion.ORF.at/APA

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