Missbrauch: El Salvadors Kirche im Schockzustand

Die katholische Kirche in El Salvador hat in allen Diözesen Anlaufstellen für Missbrauchsopfer eingerichtet. Vor wenigen Tagen war der Generalvikar der Hauptstadtdiözese San Salvador, Jesus Delgado, suspendiert worden.

Er hatte die Vorwürfe bestätigt, eine heute 40 Jahre alte Frau im Kindesalter missbraucht zu haben. Zudem liegen fünf Anschuldigen gegen einen weiteren Geistlichen vor. San Salvadors Erzbischof Jose Luis Escobar Alas kündigte eine Null-Toleranz-Strategie an. Er forderte ein Gesetz, das eine Verjährung von Kindesmissbrauch ausschließt. Die beiden vorliegenden Fälle sind mittlerweile verjährt und können strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden.

„Null-Toleranz-Politik ohne Ausnahme“

Erzbischof Escobar war am Sonntag in die Offensive gegangen und hatte in einer Pressekonferenz nach dem Gottesdienst mit der Veröffentlichung eines weiteren mutmaßlichen Missbrauchsfalls in seiner Diözese überrascht. Gegen einen Priester aus der Gemeinde Rosario de Mora lägen fünf Anschuldigen vor, der Geistliche sei inzwischen suspendiert, so Escobsar. „Ich möchte klarstellen, dass wir in unserer Erzdiözese keinerlei sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Kirchenvertreter dulden werden“, sagte er und versprach „eine Null-Toleranz-Politik ohne Ausnahme“.

Der suspendierte Generalvikar der Hauptstadtdiözese San Salvador, Jesus Delgado

Reuters/Alessandro Bianchi

Der suspendierte Generalvikar der Hauptstadtdiözese San Salvador, Jesus Delgado

Zuvor war bereits Generalvikar Jesus Delgado (77) nach Missbrauchsvorwürfen suspendiert worden. Das trifft die Kirche in El Salvador besonders hart, denn Delgado ist eine der Schlüsselfiguren im weltweit beachteten Heiligsprechungsprozess für den 1980 ermordeten Erzbischof Oscar Romero.

Romero-Heiligsprechung betroffen

Das Medienecho in dem mittelamerikanischen Land ist enorm. Seit Tagen berichten die Zeitungen ausführlich über den Fall. Delgado ist vielen Menschen in El Salvador wegen seiner Fernseh-Interviews zum Romero-Fall bekannt. Der Geistliche ist Romeros führender Biograf und war in den 70er-Jahren dessen persönlicher Sekretär.

Die Suspendierung betrifft auch die Mitarbeit im laufenden Heiligsprechungsverfahren, wie die Diözese mitteilte. Dieses soll dadurch aber nicht beeinträchtigt werden, heißt es aus Kirchenkreisen. Erst im Frühjahr dieses Jahres war Romero, der als eine der populärsten Kirchenfiguren Lateinamerikas des vergangenen Jahrhunderts gilt, seliggesprochen worden. Hunderttausende Gläubige pilgerten zu der Zeremonie in San Salvador.

Zwischen neun und 17 Jahren missbraucht

Den Skandal ins Rollen gebracht hat eine inzwischen über vierzigjährige Frau, die Delgado vorwirft, sie im Alter zwischen neun und 17 Jahren sexuell missbraucht zu haben. Die Vorwürfe treffen offenbar zu, denn der Geistliche sei bereit, „sich mit dem Opfer zu treffen und um Verzeihung zu bitten“, hieß es vonseiten der Erzdiözese. Ob noch weitere Vorwürfe gegen Delgado auftauchen, wie in Teilen der salvadorianischen Presse spekuliert wird, ist unklar.

Auch Erzbischof Escobar bat die Frau sowie die mutmaßlichen Opfer des anderen Geistlichen um Vergebung: „Mich schmerzt sehr, was passiert ist und ich bitte die Opfer dieser Fälle um Entschuldigung“, sagte Escobar in der Pressekonferenz. Zugleich forderte er mögliche weitere Opfer auf, sich bei der Erzdiözese zu melden.

Weil die Fälle nach salvadorianischem Recht verjährt sind, sollen die Täter zumindest nach Kirchenrecht zur Verantwortung gezogen werden. El Salvadors Politikern reicht das allerdings nicht. In dieser Woche entbrannte eine heftige Debatte darüber, ob der Gesetzgeber nicht handeln und die Verjährungsfrist außer Kraft setzen sollte. Auch in dieser Frage ging Erzbischof Escobar in die Offensive und forderte das Ende der Verjährungsfrist. „Ich unterstütze den Vorstoß des Bischofs“, sagte Parlamentspräsidentin Lorena Pena.

religion.ORF.at/KAP/KNA