Dreikönigsaktion: Klimavertrag kein Grund zum Feiern

Die Dreikönigsaktion, das Hilfswerk der Katholischen Jungschar, sowie über 100 weitere Organisationen üben heftige Kritik am Pariser Klimavertrag. Es fehle die Verbindlichkeit, außerdem seien die Lösungen schlichtweg falsch.

Die Dreikönigsaktion sowie mehrere andere Organisationen und Vereine haben sich zur Initiative "System Change, not Climate Change!“ zusammengeschlossen. Mittlerweile gebe es 110 österreichische Unterstützer der Forderungen, schreibt die Dreikönigsaktion in einer Aussendung am Mittwoch. Weltweit würde der Klima-Kompromiss von sozialen Bewegungen kritisch betrachtet.

„Klimavertrag kein Erfolg“

Das Abkommen enthalte zum Beispiel kein einziges Mal die Wörter fossile Brennstoffe, Kohle, Öl, Gas, globalen Güterhandel, Individualverkehr, Fleischproduktion Palmöl oder andere Abholzungsursachen. Die Bereiche der zivilen Luftfahrt und des Seeverkehrs, die fast 10 Prozent der weltweiten Emissionen ausmachen seien von jeglichem Ziel befreit, kritisieren die Organisatoren.

„Was als Erfolg verkauft wird, beinhaltet keinerlei verpflichtenden oder gar einklagbaren Sanktionen zur Emissionsreduktion, keine konkreten Maßnahmen und keinen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen“, so die Initiative. Der Vertrag trage die Handschrift der großen Klimaverschmutzer und Konzerne und verschweige die Ursachen und Verursacher der Klimakrise. „Er untergräbt die Rechte der global bereits jetzt vom Klimawandel am stärksten gefährdeten Menschen“.

„Freiwillig und zahnlos“

Als „freiwillig und zahnlos“ bezeichnet "System Change, not Climate Change!“ das Abkommen. „Das propagierte globale 1,5-Grad-Ziel ist mit dem Vertrag in weiter Ferne. Die freiwilligen und nationalen Zusagen werden nach aktuellem Stand zu katastrophalen 2,7°C bis 3.7°C Erderwärmung führen. Gültig ist der Vertrag erst ab 2020 – dann, wenn der CO2-Austoß, welcher zu 1,5°C-Grad Erwärmung führen wird, bereits in etwa erreicht ist“, beklagen die Organisationen. Die nationalen Beiträge sollen zudem erst ab 2023 alle fünf Jahre überprüft und unverbindlich nachgebessert werden. Ein Datum für das Erreichen der globalen Spitzenemissionen werde nicht genannt.

Das Ziel, „in der zweiten Jahrhunderthälfte“ ein Gleichgewicht zwischen Emissionsausstoß und -bindung zu erreichen, sei „völlig unkonkret und bedeutet keineswegs das Aus für fossile Brennstoffe“. Das Abkommen öffne für jene Länder, die am meisten emittieren, die Möglichkeit, sich über Marktmechanismen aus ihrer Verantwortung freizukaufen, so die Initiative.

Experte: Profitinteressen verhindern Änderungen

Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssten aber zwischen 80 und 90 Prozent der fossilen Energieträger im Boden bleiben. Dabei würden die weltweit bekannten Öl- und Kohlereserven heute 35.000 Milliarden (35 Trillionen) Dollar betragen, erklärt Ulrich Brand, Professor für internationale Politik und Experte für internationale Klimapolitik an der Universität Wien.

„Diese enormen Profitinteressen und Machtstrukturen stützen ein Produktions- und Konsummodell, das auch die Logik der internationalen Klimapolitik bestimmt. Um diese erfolgreich zu ändern, müssten sich die Regeln und Grundsätze der Weltwirtschaft nach den Klimazielen richten – und nicht umgekehrt. Doch Themen wie Handel, Landwirtschaft oder Verkehr werden im Abkommen völlig ignoriert", so Brand.

Keine menschenrechtlichen Verpflichtungen

Während die Klimarahmenkonvention von Cancun 2010 noch menschenrechtliche Verpflichtungen beinhaltet habe, seien in Paris die letzten diesbezüglichen Referenzen in die unverbindliche Präambel verfrachtet worden. Künftige “Klimaschutzmaßnahmen“ würden somit weiterhin die Rechte indigener Gemeinschaften verletzen – darunter etwa Waldschutzprojekte, mit denen sich große CO2-Emittenten in Industrieländern freikaufen.

„Die großen Verlierer des Abkommens sind damit jene Menschen im globalen Süden, die bereits jetzt von den Folgen des Klimawandels am stärksten betroffen sind“, kritisiert Brigitte Reisenberger von FIAN in der Aussendung. „Klimagerechtigkeit herzustellen und Schaden von den Ärmsten und Verletzlichsten abzuhalten, ist auch ein deklariertes Anliegen der Kirche. Dazu braucht es systemische Veränderungen unserer Konsum- und Wirtschaftsweisen. Dies fordern katholische Entwicklungsorganisationen wie auch Papst Franziskus“, so Jakob Wieser, Geschäftsführer der Dreikönigsaktion.

Keine Haftungen für Verursacher

Doch auf Betreiben großer Verschmutzer enthalte der Vertrag keine Grundlage für Haftung oder Schadensersatz für klimawandelbedingte Schäden und Verluste, so Wieser. Das Abkommen sieht vor, vorerst ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden Dollar für “Entwicklungsländer” zu „mobilisieren“, um Anpassungsmaßnahmen zu finanzieren. Laut Internationaler Energiebehörde IEA würden die Subventionen für fossile Brennstoffe pro Jahr fünfmal mehr betragen.

„Das Abkommen nennt mehrere Geldquellen, auch Exportförderungen und hoch verzinste Kredite. Auch werden bestehende Geldtöpfe wie jene aus der Entwicklungszusammenarbeit höchstwahrscheinlich einfach umgeschichtet und als „grün“ betitelt werden“, befürchtet Wieser und fordert vor allem zusätzliche Mittel „ohne Zahlenakrobatik und Mehrfachanrechnungen“.

Internationales Handelsregime sticht Klimavertrag

Die globalen Handelsströme sind für fast ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. „Während die Regierungen, allen voran die EU und die USA in Paris die Klimaretter/innen spielen, treiben sie gleichzeitig weltweit Handelsabkommen wie TTIP, CETA, TPP oder TiSA voran, die den Güterhandel ausweiten, Dienstleistungen weiter liberalisieren und – wie sie selbst eingestehen – zu noch mehr Emissionen führen werden", schreiben die Mitglieder der Initiative „System Change, not Climate Change!“.

Zusätzlich bekämen Konzerne exklusive Klagerechte gegen Staaten, die die Handlungsspielräume von Regierungen für zukünftige Maßnahmen im Bereich Energiewende und Klimaschutz massiv einschränken. „Verbote für den Abbau von fossilen Energieträgern (wie z.B. Fracking), den Bau von fossilen Infrastrukturen (Pipelines, Autobahnen etc.), die Erhöhung von Abgaben auf CO2 oder die Rekommunalisierung von Energieunternehmen können so Gegenstand von Konzernklagen für entgangenen Gewinn werden. Die Erfahrungen mit NAFTA zeigen, dass das bereits Realität ist“, kritisiert Alexandra Strickner von Attac Österreich.

Millionen Kleinbauern unter Druck

Auch für die globale Kleinbauernbewegung La Via Campesina ist der Vertrag eine Mogelpackung. „Die industrielle Landwirtschaft gehört durch Massentierhaltung, Abholzung und hohen Einsatz von synthetischen Düngern zu den größten Verursacher/innen von Treibhausgasen“. Sie werde im Vertragstext nicht einmal erwähnt. Gleichzeitig würde marktbasierten Instrumenten, die sozial und ökologisch katastrophale Produktionsmodelle legitimieren, ein hoher Stellenwert eingeräumt, so Via Campesina.

Mit Hilfe von Emissionshandel und Kompensationsmechanismen könnten Landgrabbing und die Spekulation mit natürlichen Ressourcen fortgesetzt werden. Und mit „Climate Smart Agriculture“ würden große Agrarkonzerne Monokulturen, Industrialisierung und Gentechnik forcieren. „Der Klimawandel mit seinen verheerenden Folgen auf die Landwirtschaft wird so nicht gebremst“, kritisiert Irmi Salzer, Biobäuerin und Mitarbeiterin der ÖBV-Via Campesina Austria.

Aufruf zum nachhaltigen Wandel

„System Change, not Climate Change!“ ist die Ansage einer wachsenden globalen und österreichischen Bewegung, die „Widerstand gegen diese falschen Klimalösungen leistet“, wie die Initiative schreibt. „Klimawandel ist kein isoliertes Umweltproblem, sondern untrennbar mit der profit- und wachstumsorientierten Produktions- und Konsumweise verbunden“, so die Organisationen.

Sie fordern einen Systemwandel, der unter anderem die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe, Energiedemokratie, Umstieg auf öffentlichen und umweltschonenden Verkehr sowie eine agrarökologische Landwirtschaft und Ernährungssouveränität beinhaltet.

religion.ORF.at

Mehr dazu:

Links: