Kein Lamento über Weihnachtsgeschenke
„Sich aus verschiedenen Anlässen Geschenke zu machen ist wohl seit Menschengedenken eine kulturelle Gepflogenheit gewesen.“ Und auch in religiösen Kontexten sei es üblich gewesen, einander zu bestimmten Jahreszeiten und besonders zu Jahreswechseln zu beschenken, so Rupert Klieber, Kirchenhistoriker an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Die erste Geschichte, die biblisch vom Schenken handelt, ist die von den „Heiligen drei Königen“, die dem neugeborenen Jesuskind Geschenke bringen, sagte Klieber in einem Interview mit dem ORF-Radio, Abteilung Religion.
kathbild/Franz Josef Rupprecht
Waren es damals Gold, Weihrauch und Myrrhe, spielen heute oft Gutscheine, Plastikspielzeuge, Küchenmaschinen und Krawatten die Hauptrollen unter dem Weihnachtsbaum. Dass das nicht unbedingt als Zeichen vorangeschrittener Dekadenz zu werten ist, davon ist der Religionswissenschaftler Franz Winter überzeugt, wenngleich er gegenüber religion.ORF.at betonte, dass es auch Übertreibungen in Sachen Kaufwahn gebe. Wo die Grenze überschritten werde, sei aber nicht pauschal zu beurteilen. Er plädiert jedenfalls dafür, den Kern des Weihnachtsfestes und seinen wirtschaftlichen Aspekt nicht gegeneinander auszuspielen. Schenken gehöre nun einmal zu Weihnachten dazu und bereite ja auch Freude.
Weihnachten verändert sich
Fakt sei, dass Religionen immer schon auch einen ökonomischen Aspekt hatten. Anders ließen sich etwa repräsentative religiöse Bauten nicht erklären, so Winter. Religiöse Feste seien, wie die Religionen selbst, einem ständigen Wandel unterzogen, so der Religionswissenschaftler. Daher könne er dem Klagen über den Verlust des „Eigentlichen“ zu Weihnachten nicht viel abgewinnen.
Debatte: Wo liegt der Sinn von Weihnachten?
Auch Klieber sieht das entspannt. Diese Veränderungen seien kulturgeschichtliche Prozesse, keine theologischen, so der Kirchenhistoriker gegenüber religion.ORF.at. Dass die emotionale Bindung an die Religion zurückgegangen ist, sei „einfach eine gesellschaftliche Entwicklung“, sagte dazu auch der Zukunfts- und Motivforscher Andreas Reiter im Gespräch mit religion.ORF.at.
Zeit ist der neue Luxus
Etwas zu schenken wird anthropologisch als Ausdruck von Anerkennung und Wertschätzung dem anderen gegenüber betrachtet. Schenken stärke auch die emotionale Bindungskraft, so Reiter. Und so ist das Schenken auch trotz aller Kommerzialisierung von Weihnachten eine schöne Geste zwischen Menschen. „Schenken macht generell glücklich“, sagte der Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie an der Medizinischen Universität Wien, Johannes Wancata, gegenüber der APA. Dabei mache Schenken an sich glücklicher, als beschenkt zu werden, da es eine aktive Tätigkeit sei, so der Mediziner.
APA/Herbert Pfarrhofer
Weil gegenwärtig eine Geldwirtschaft existiert, würden Geschenke eben gekauft, sagte der Religionswissenschaftler. Der Geldwert eines Geschenks scheint für den Beschenkten aus psychologischer Sicht übrigens nicht so wichtig zu sein. „Wer ein unpassendes, aber sehr teures Geschenk bekommt, ist natürlich dennoch enttäuscht“, so Wancata.
Die Herausforderung liegt darin, ein wirklich individuelles Geschenk zu finden. Daher liegen gemeinsame Aktivitäten wie etwa Kochkurse, Reisen und Wanderungen - kurz gesagt: Erlebnisse - im Trend. Trendforscher Reiter stellt fest, dass Prestigeobjekten immer weniger Wert beigemessen wird, wohingegen Erlebnisse, bei denen man gemeinsam Zeit verbringt, wertvoller werden. „Es wird ja eigentlich etwas Soziales gefeiert“, sagte Reiter.
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Das Christkind ist erst 200 Jahre alt
Die Tradition, einander zu Weihnachten zu beschenken, ist noch relativ jung. Es habe Schenktraditionen zum Nikolausfest am 6. Dezember und zu Neujahr gegeben, aus den beiden habe sich - nicht zuletzt durch Martin Luther - das Schenken zu Weihnachten entwickelt, erklärte Klieber. Denn Reformator Luther habe das Christkind als Gabenbringer erfunden. Nach und nach hätten sich auch andere protestantische Bräuche wie etwa der Adventkranz in der katholischen Tradition fest verankert.
Die „kleine Geschichte“ der Gabenüberbringung durch Magier (Matthäusevangelium 34; 9-11) habe „so viele Elemente, die man später mit viel Fantasie in viele Richtungen hat erweitern können“, so Klieber. Eine Interpretationsvariante sei zum Beispiel die Theorie, dass auch Reiche, wie eben Könige, sich mit Geschenken einbringen konnten.
Nina Goldmann, religion.ORF.at