Missbrauchs-Aufarbeitung bei „Domspatzen“ gestartet

Konstruktiv und in guter Atmosphäre ist nach Teilnehmerangaben das erste Gespräch des Beratungskuratoriums zur Aufklärung der Prügel- und Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen verlaufen.

Die Treffen würden „so lange wie nötig“ fortgesetzt, sagte der Jurist Ulrich Weber am Dienstag in Regensburg der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Das Gremium hatte sich am Montagabend getroffen. Über Gesprächsinhalte wurde nichts bekannt. Ein zweites Treffen soll dem Vernehmen nach in der kommenden Woche stattfinden.

An der Runde nahmen sechs Opfervertreter, der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, Generalvikar Michael Fuchs, vier Mitglieder des Domspatzen-Stiftungsvorstands und zwei Mediatoren teil. Das Kuratorium war von Weber einberufen worden. Der Rechtsanwalt sagte der KNA, zu den Inhalten wolle er nichts sagen: „Ich möchte meine Neutralität bewahren.“ Offenbar wurden mehrere weitere Termine vereinbart.

Konstruktive Gespräche

Bei dem weltberühmten Knabenchor kam es zwischen 1953 und 1992 zu hunderten Fällen von körperlicher und sexueller Gewalt. Weber, der von der Diözese mit einer Untersuchung betraut ist, gibt die Zahl der bisher bekannten Prügel- und Misshandlungsfälle mit 231 an, die des sexuellen Missbrauchs mit 62. Die Dunkelziffer könnte bei bis zu 700 Opfern liegen. In einem Zwischenbericht sprach der Jurist vor kurzem von einem „System der Angst“, das über Jahrzehnte hinweg in den Einrichtungen der Domspatzen geherrscht habe.

„Wir können bestätigen, dass wir die Gespräche als zielführend, gut und konstruktiv empfunden haben“, sagte ein Diözesansprecher der KNA. Man wolle dem unabhängig tätigen Ermittler Weber aber nicht in seine Arbeit hineinreden, „weder öffentlich noch unöffentlich“. Nach den Worten von Berthold Wahl, Leiter des Domspatzen-Gymnasiums, verlief das Treffen in einer „ausgesprochen angenehmen und freundlichen Atmosphäre“. Es seien auch Ziele festgelegt worden, „die wir angehen wollen“. Alle Teilnehmer wünschten, dass die Vorfälle „in einer friedlichen und menschenwürdigen Atmosphäre geklärt werden“.

Bischof: „Keine Rechtfertigung“

Die von Ex-Domspatzen erhobenen Vorwürfe reichen von Schlägen, psychischer Gewalt, Essensentzug oder Zwangsernährung bis hin zu sexuellen Übergriffen vom „Streicheln“ bis zur Vergewaltigung.

Bischof Voderholzer hatte die Opfer der Übergriffe mehrfach um Entschuldigung gebeten. Jeder einzelne Fall tue ihm „in der Seele weh“, äußerte er vor kurzem. Der Geistliche betonte, die Zeitbedingtheit der Pädagogik rechtfertige „in keiner Weise die Exzesse körperlicher Züchtigung, wie wir sie beklagen müssen, und erst recht nicht die Fälle sexueller Gewalt, die zutage getreten sind“. Die bisher bekannten Opfer erhielten als „symbolische Anerkennung des Leids“ je 2.500 Euro. Zudem werden die Kosten für Therapien übernommen.

religion.ORF.at/KAP

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