Zwischenfall bei Papst-Besuch in Mexiko

Zu einem kleinen Zwischenfall ist es am Dienstag bei einem Treffen von Papst Franziskus mit Jugendlichen in der mexikanischen Stadt Morelia gekommen. Jemand zog Franziskus beim Bad in der Menge so stark zu sich hin, dass er auf ein behindertes Kind im Rollstuhl stürzte.

Der sichtlich erzürnte Papst schimpfte nach dem Vorfall heftig. „Sei nicht egoistisch!“, rügte er den jungen Mann, der den 79-jährigen Argentinier kräftig am Arm gezogen und ihn dadurch fast zu Fall gebracht hätte. Eine Videoaufnahme der etwa 20 Sekunden langen Episode verbreitete sich wenig später tausendfach in den Sozialen Netzwerken.

Papst wir gezogen und fällt auf einen Buben im Rollstuhl

Reuters/Mexican Government Televison

Papst Franziskus wird gezogen und fällt beinahe auf einen Buben im Rollstuhl

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi kommentierte das Verhalten des Papstes mit den Worten, dessen Reaktion in dieser Situation sei „absolut normal und verständlich“ gewesen. Franziskus habe sich gleich danach wieder mit Freude den Menschen zugewendet.

Leben nicht Drogenkartellen überlassen

Papst Franziskus rief während der Veranstaltung die Jugend Mexikos zum Widerstand gegen Drogen, Rauschgifthandel und Gewalt aufgerufen. Die Jugendlichen dürften ihr Leben nicht den Drogenkartellen überlassen, sagte er am Dienstag bei einem Treffen mit Jugendlichen in der Stadt Morelia.

Jugendliche jubeln Papst Franziskus in Morelia, Mexiko, zu

Reuters/Carlos Garcia Rawlins

Jugendliche jubeln Papst Franziskus in Morelia, Mexiko, zu

„Jesus würde uns nie dazu auffordern, Auftragsmörder zu sein, sondern er nennt uns Jünger“, so der Papst in seiner teils improvisierten Ansprache. Die Jugendlichen - rund 100.000 waren im und um das Stadion von Morelia versammelt, Tausende weitere bei einer Live-Übertragung in der Stadt Guadalajara - rief er zum Aufbau einer friedlichen und solidarischen Gesellschaft auf und nannte sie „Reichtum Mexikos“ und auch „Reichtum der Kirche“.

Zehntausende Tote jährlich

Morelia und der Bundesstaat Michoacan sind in den vergangenen Jahren zu einem mittelamerikanischen Epizentrum der Gewalt und der organisierten Kriminalität geworden; viele der Täter - und der Opfer - sind im jugendlichen Alter, aus diesem Grund hatte der Papst darauf bestanden, Michoacan zu besuchen und das bei Papst-Reisen übliche Jugendtreffen gerade hier anzusetzen. Landesweit starben im Krieg gegen die Kartelle seit 2006 mehr als 70.000 Menschen, rund 25.000 Menschen werden vermisst.

Er kenne die Lage der Jugendlichen Mexikos, gab der Papst nach vorbereiteten Fragen von vier Jugendlichen zu ihrer Lebenssituation zu verstehen. Er sprach von Freunden und Angehörigen der Anwesenden, die „in den Händen des Rauschgifthandels, der Drogen, der kriminellen Organisationen sind, die Terror verbreiten“, sowie von Arbeitslosigkeit, verschlossenen Wegen zu Bildung und einem Ausmaß von Entrechtung, das „einen schließlich in Grenzsituationen treibt“.

Glück nicht mit Besitz verwechseln

Der Papst wandte sich gegen eine materialistische Lebenseinstellung, die Glück mit Besitz verwechsle. „Die Hauptbedrohung für die Hoffnung ist, dir einzureden, dass du erst dann etwas giltst, wenn du dich hinter der Maske der Kleidung, der Marken, des letzten Schreis der Mode versteckst“, so Papst Franziskus. „Die Hauptbedrohung ist, zu meinen, mit Geld könne man alles kaufen, einschließlich Zuneigung, oder zu glauben, weil du ein großes Auto hast, bist du glücklich.“ Die jungen Menschen dürften niemals an ihrem Wert zweifeln und daran, in der Welt wichtig zu sein.

Zugleich forderte der Pontifex bessere Zukunftschancen für die Jugend in Mexiko; fast ein Drittel der Mexikaner ist unter 15 Jahre alt. Es sei schwer, sich als Reichtum des Landes zu sehen, wenn es keine Möglichkeit zu würdiger Arbeit, Ausbildung und Studium gebe oder wenn man wegen seiner Jugend ausgenutzt und ausgeschlossen werde, kritisierte der Papst. Große Hoffnungen und Träume im Leben würden dabei für viele wie Seifenblasen zerplatzen.

Gegengift gegen die Bedrohungen

Die Jugendlichen ermutigte der Papst, den „Mut zum Träumen“ nicht zu verlieren und dabei ihr Leben auf Jesus Christus zu gründen. „An seiner Hand können wir jedes Mal wieder neu beginnen.“ Jesus strafe alle Lügen, „die euch unnütz oder zu reinen Knechten der Ambitionen anderer machen wollen“. Er reiche zudem die Hand, wenn man hingefallen sei, und helfe dabei, wieder aufzustehen. Nach diesem Vorbild sollten die Jugendlichen auch anderen helfen und ihnen die Hand zum Aufstehen reichen, „aber sagt nicht: Ich bring dir das Rezept. Nein, macht es mit Würde und Geduld, mit Worten und mit Zuhören, nicht mit einer Strafpredigt“, sagte der Papst.

Franziskus rief Mexikos Jugend dazu auf, ihre Rechte und Pflichten als Staatsbürger stärker wahrzunehmen und ein „Gegengift“ gegen die vielfältigen Bedrohungen zu sein; für ihre Familien, ihre Pfarren und ihr Stadtviertel sowie für die gesamte Gesellschaft sollten sie wie ein „Sauerteig“ wirken.

Enthusiasmus und Darbietungen

Die Jugendlichen hatten Franziskus nach seiner Stadioneinfahrt in einem Golfwagen mit schierem Enthusiasmus und kulturellen Darbietungen empfangen. Der 79-jährige Papst, der zuvor etwas müde gewirkt hatte, ließ sich von dieser Welle der Begeisterung mittragen. Zwei Mädchen mit Down-Syndrom stürmten zu Beginn der Feier auf den Papst zu und warfen sich ihm förmlich ans Herz.

Papst Franziskus umarmt zwei Mädchen in Morelia, Mexiko

Reuters/Carlos Garcia Rawlins

Enthusiasmus für den Papst

Bei den Berichten und Fragen der Jugendlichen saß Franziskus dann konzentriert auf seinem schlichten weißen Sessel und machte mit Schreibblock und Stift Notizen, die er dann in seine Rede einarbeitete. Am Ende der Feier, nachdem er selbst die Lieder „Vive Jesus“ und „Christus König“ mitgesungen hatte, stiegen weiße Luftballons in den Himmel, und Dutzende große Holzkreuze wurden durch das Stadion getragen, die den Auftakt einer besonderen Aktion zur Jugendmission symbolisieren.

Letzter Besuchstag an der Nordgrenze

Nachdem der Papst im Anschluss an das Treffen in die Hauptstadt zurückflog und zum letzten Mal in der dortigen Nuntiatur übernachtete, stand für Mittwoch, den letzten Tag der Mexiko-Reise des Papstes, ein Besuch in der nordmexikanischen Stadt Ciudad Juarez auf dem Programm. Dort will Franziskus zunächst ein Gefängnis besuchen und mit 700 Gefangenen in der Kapelle beten.

Danach ist ein Treffen mit Vertretern der Arbeitswelt vorgesehen. Den Höhepunkt bildet schließlich eine Messe unter freiem Himmel unmittelbar am Grenzzaun zu den USA. An diesem Gottesdienst wollen auch mehrere Zehntausend Gläubige in der US-Stadt El Paso (Bundesstaat Texas) jenseits der Grenze in den USA teilnehmen.

Äußerung zu Migrationsproblemen erwartet

Erwartet wird, dass sich Franziskus dort zu den Migrationsproblemen in der Region äußert. Nach Schätzungen versuchen jedes Jahr Zehntausende arme Migranten aus Lateinamerika, die Grenze zwischen Mexiko und den USA über den Landweg zu passieren. In Ciudad Juarez, der letzten Station seiner Reise, will Franziskus zudem eine Haftanstalt besuchen. Die Stadt in der Unruheregion Chihuahua galt zeitweise als der Ort mit der höchsten Mordrate der Welt. Von Ciudad Juarez fliegt das Kirchenoberhaupt nach Rom zurück, wo er am frühen Donnerstagnachmittag (Ortszeit) erwartet wird.

religion.ORF.at/KAP

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