Evangelische Kirche nimmt Entschuldigung von 1966 an

Die evangelische Kirche hat nach 50 Jahren offiziell die Vergebungsbitte, die Erzbischof Andreas Rohracher 1966 ausgesprochen hatte, angenommen. Der katholische Geistliche bat um Vergebung für die Vertreibung der Protestanten im 18. Jahrhundert.

Mit einem Symposion und einem ökumenischen Dankgottesdienst haben die Evangelische und die römisch-katholische Kirche am Sonntag in der evangelischen Christuskirche in Salzburg an ein historisches Ereignis erinnert, das das Verhältnis der Kirchen zueinander geprägt hat, berichtete die evangelische Presseangentur am Sonntag. Nach 50 Jahren erfolgte die offizielle Annahme der historischen Vergebungsbitte durch Erzbischof Rohracher.

130 Jahre keine Protestanten in Salzburg

1966 hatte der damalige Salzburger Erzbischof Rohracher die evangelischen Christinnen und Christen um Vergebung für die Protestantenvertreibung von 1731/32 gebeten. Die damaligen Ereignisse, auf die sich der Erzbischof bezog, war die Vertreibung der Evangelischen aus Salzburg in den Jahren 1731/32. Etwa 20.000 evangelische Menschen wurden damals aus Salzburg vertrieben, sie mussten ihre Kinder zurücklassen, ihren Besitz und ihre Heimat - mehr dazu im Zwischenruf vom 13.3.2016.

Anlass für die Vergebungsbitte des Erzbischofs war die Amtseinführung des ersten evangelischen Superintendenten der neu eingerichteten Superintendenz Salzburg und Tirol am 27. März 1966. Rohracher sagte damals, er wolle sein „aufrichtiges Bedauern“ über die damaligen Ereignisse aussprechen, „nicht nur in meinem Namen, sondern auch im Namen meiner ganzen Erzdiözese meine evangelischen Brüder und Schwestern um Vergebung zu bitten, wie es Papst Paul VI. zu Beginn der Zweiten Session des letzten Vatikanischen Konzils getan hat“. 2016 erfolgte nun die offizielle Annahme der Vergebungsbitte durch die Evangelische Kirche.

Bischof Michael Bünker, Erzbischof Franz Lackner und Superintendent Olivier Dantine

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v.l.: Bischof Michael Bünker, Erzbischof Franz Lackner und Superintendent Olivier Dantine

Der damalige evangelisch-lutherische Bischof Gerhard May habe sich vor 50 Jahren für das Aussprechen der Vergebungsbitte bedankt. „Wir sagen heute im Namen der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich: Wir nehmen die Bitte um Vergebung an“, so Bischof Michael Bünker im Gottesdienst, den er gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner, Superintendent Olivier Dantine, der evangelisch-methodistischen Pastorin Esther Handschin, dem römisch-katholischen Pfarrer Matthias Hohla, dem altkatholischen Generalvikar Martin Eisenbraun, dem rumänisch-orthodoxen Erzpriester Dumitru Viezuianu, Max Aicher von der Pfingstgemeinde und dem gastgebenden evangelischen Pfarrer Tillmann Knopf gestaltete.

Evangelische oft in der Opferrolle

Auch die Evangelische Kirche habe Schuld auf sich geladen, hieß es in der Annahme der Vergebungsbitte, die Superintendent Olivier Dantine verlas. Dies sei auch dadurch verdunkelt worden, dass sich Evangelische gerade im heutigen Österreich oft in erster Linie als Opfer von Unrecht gesehen hätten. Mittlerweile habe die Evangelische Kirche die Nachfahren der Täuferbewegung für die blutige Verfolgung, die eben auch von Evangelischen betrieben wurde, um Vergebung gebeten.

Gegenüber der römisch-katholischen Kirche habe sich die Evangelische Kirche allzu oft durch Abgrenzung bis hin zur Abwertung und durch eine polemische, manchmal auch verzerrte Wiedergabe ihrer Lehre zu profilieren versucht. „Wir bedauern, dass dadurch das gemeinsame Streben nach Einheit erschwert wurde“, so die Evangelische Kirche. Heute verbinde die Kirchen mehr, als sie trenne: „Für die Beziehung der christlichen Kirchen in Österreich untereinander hoffen wir auf eine Fortführung des Weges der Versöhnung und wollen uns dafür einsetzen“, heißt es weiter in dem offiziellen Text, den Bischof Bünker gemeinsam mit Oberkirchenrat Karl Schiefermair und Superintendent Olivier Dantine unterzeichnet hatten.

Erzbischof Lackner „dankbar“ für die Annahme

Erzbischof Franz Lackner zeigte sich im Gottesdienst gerührt und erfreut über die Annahme der Vergebungsbitte. Er sei „dankbar für die Prozesse des ökumenischen Miteinanders in den letzten 50 Jahren“. Zu Beginn des Symposiums, das dem Gottesdienst voranging, hatte der Erzbischof erklärt: „Man muss an dieser Stelle auch die Frage zulassen, ob es überhaupt möglich ist, Verbrechen, die von anderen zu anderen Zeiten begangen worden sind, zu verzeihen.“ Freilich sei es möglich, „auf Seiten der Schuldigen für erlangte Schuld um Verzeihung zu bitten“. Das habe Erzbischof Rohracher getan.

Die Vergebungsbitte Rohrachers bezeichnete Bischof Michael Bünker in seiner Predigt als „deutlichen Impuls der Christusbindung der Kirche“. Es brauche das Hinhören auf die Geschichte der anderen, „die Einfühlung und Einsicht, die uns zu einer gemeinsamen Zukunft führt“. Aus einem früheren Gegeneinander und späteren Nebeneinander der Kirchen sei ein Miteinander geworden, „und heute wissen wir, dass wir füreinander da sind, einstehen und Verantwortung tragen“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof.

Des Landes Verwiesene wanderten aus

Die große Welle der Protestantenvertreibungen fand unter Fürsterzbischof Leopold Anton von Firmian statt, der 1731/32 rund 22.000 Salzburger Lutheraner („Salzburger Exulanten“) des Landes verwies. Die Vertriebenen stammten vorwiegend aus dem Pongau und dem Pinzgau. Fast 1800, knapp zwei Drittel aller Bauernhöfe in den beiden Gebirgsgauen blieben verwaist zurück, was den größten Bevölkerungsverlust bedeutete, den Salzburg je erfahren hatte, und im Widerspruch zum Westfälischen Frieden von 1648 stand.

Viele Exulanten fanden Aufnahme in einigen Freien Reichsstädten und in den Niederlanden. 15.000 Salzburger fanden Aufnahme bei König Friedrich Wilhelm von Preußen, der sie in Ostpreußen ansiedelte, andere emigrierten nach Nordamerika und beteiligten sich an der Gründung der Kolonie Georgia.

Staat muss Religionsfreiheit garantieren

„Die Scham, dass so etwas in unserem Land geschehen ist, macht betroffen“, sagte Landeshauptmann Wilfried Haslauer zu den Geschenissen im 18. Jahrhundert. Mit der strikten Trennung von Staat und Religion sei ein „wichtiger Schritt in der Kultur der Menschheit“ erreicht worden. Das Vermengen von Staat und Kirche, die Monopolisierung von Religion als Zwang und Druck „war und ist immer eine Fehlentwicklung“, so der Landeshauptmann.

Der Staat habe für die freie Religionsausübung zu sorgen, die Säkularisierung sei ein „wichtiger Wert bei aller Religionsverbundenheit“. Die Gesetze des Staates seien immer an der „Würde des Menschen und seinen Grundrechten“ zu messen. Auch wenn die Vergebungsbitte erst heute offiziell angenommen wurde, „in Salzburg wird sie schon viele Jahre gelebt“, meinte Hauslauer.

Festgottesdienst und Verdienstzeichen

Im Anschluss an den Festgottesdienst überreichte der Landeshauptmann mehreren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der evangelischen Kirche das Verdienstzeichen des Landes Salzburg und dankte für die „Zuwendung, Wertschätzung und Hilfeleistung“, vor allem in der Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen.

Ein Empfang im Schloss Mirabell beschloss die Veranstaltung, die auch im Zeichen des Jubiläums „50 Jahre Evangelische Superintendenz A.B. Salzburg und Tirol“ stand und zu der die evangelische Diözese gemeinsam mit dem Ökumenischen Arbeitskreis Salzburg eingeladen hatte. Musikalisch gestalteten den Festgottesdienst Landeskantor Gordon Safari und die „Cantorey Salzburg“

religion.ORF.at/epd