Missbrauch: Wirbel um geplantes Kremsmünster-Buch

Eine Kontroverse um ein geplantes Buch über die Missbrauchsfälle im Stift Kremsmünster ist entbrannt. Schüler und Autoren wollen eine Aufarbeitung in Papierform, dem Kloster reicht die Onlineveröffentlichung.

Nach den Missbrauchsfällen im Stift Kremsmünster und deren Aufarbeitung in einer Studie des Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) pochen ehemalige Schüler auf die Veröffentlichung der Ergebnisse in Buchform, damit diese zu Forschungszwecken verfügbar ist. Das IPP, das eine vergleichbare Studie auch für die deutsche Abtei Ettal erstellt hat, strebt dies an, das Stift ist aber dagegen.

Kein Gras darüber wachsen

Nach dem Bekanntwerden des Skandals im Jahre 2010 hatte das Stift das Münchner Institut mit einer Studie zur Aufarbeitung beauftragt. Das Ergebnis wurde in einer Pressekonferenz präsentiert und auf der Homepage des Stiftes veröffentlicht. Mittlerweile ist das Dokument dort zwar noch abrufbar, man muss aber bewusst danach suchen.

Der Jurist und Alt-Kremsmünsterer Franz Staudinger befürchtet, dass „eine blasse PDF-Datei in den Weiten des Internet irgendwann nicht mehr vorhanden ist“. Wenn die Studie als Buch veröffentlicht wird, „dann kann man auch in 20 Jahren noch nachlesen. Es soll nichts vom Tisch gewischt werden, es soll nicht Gras über die Sache wachsen“, sagte er im Gespräch mit der APA. Staudinger, der in der Begleitgruppe zu der Studie saß, sowie andere ehemalige Schüler wollen, dass das Werk in wissenschaftlichen Bibliotheken steht. Das sei ihm ein großes Anliegen, er sei damit beim Abt aber nicht durchgekommen, schildert Staudinger.

Stift gegen Buchveröffentlichung

Das Stift argumentiert, dass man die Studie bereits online veröffentlicht habe „wie ausgemacht“ - und es sei keineswegs selbstverständlich, dass eine Studie über interne Vorgänge an die Öffentlichkeit gebracht werde, so Pressesprecher Pater Bernhard Eckerstorfer zur APA. Das IPP wolle das Werk wohl als Buch herausbringen, aber das Stift Kremsmünster sieht hier keine Notwendigkeit.

Man habe sich in der Vorgehensweise mit Ettal abgestimmt. Die Rechte an der Studie liegen laut Eckerstorfer beim Kloster. Das IPP hielt sich gegenüber der APA mit Aussagen zurück, unter Hinweis darauf, dass die Causa noch in Schwebe ist.

Mindestens 350 Fälle

In der auf Interviews basierenden Studie wurden 350 Fälle sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt ausgemacht, 24 Personen wurden beschuldigt. Da es sich um keine repräsentative Umfrage handelt, besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Diagnose des IPP lautete „Systemversagen“: Im Kloster fehlte es demnach an Kommunikation, pädagogischer Ausbildung und sexueller Reife, Eltern zeigten zu wenig Gespür, aber auch Polizei und Staatsanwaltschaft wird eine „Teilschuld an der Nichtaufdeckung“ bis 2010 zugeschrieben. Juristisch hatte die Aufarbeitung kaum Auswirkungen, weil die meisten Fälle bereits verjährt waren. Nur ein heute 82-jähriger Ex-Pater wurde verurteilt - zu zwölf Jahren Haft, die er gerade absitzt.

religion.ORF.at/APA

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