Kritik an Bruderkirchen bei orthodoxem Konzil

Mit deutlicher Kritik an abwesenden Bruderkirchen hat das erste Konzil der Orthodoxen seit mehr als 1.000 Jahren auf Kreta begonnen. Der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., nannte am Montag die Absagen aus Russland, Bulgarien und Georgien unverständlich.

Auch das Patriarchat von Antiochien mit Sitz im syrischen Damaskus blieb fern. Die Patriarchate von Konstantinopel und Moskau ringen hinter den Kulissen um die Führung der zersplitterten orthodoxen Welt. „Leider denken wir manchmal nicht an die Konsequenzen, die unsere Taten für die Einigkeit der Kirche haben“, sagte Bartholomaios in einer Rede, die vom griechischen Fernsehen übertragen wurde.

Der Patriarch erinnerte daran, dass bis vor vier Monaten alle Kirchen ihre Beteiligung zugesagt hätten. Sogar Zimmer hätten die Kirchen gebucht, die dem Treffen am Ende fernblieben, hieß es. Am Konzil, das bis zum 27. Juni dauern soll, nehmen zehn der 14 orthodoxen Kirchen teil. Die meisten Treffen finden hinter verschlossenen Türen statt.

Orthodoxe Patriarchen treffen auf der Insel Kreta zusammen

Holy and Great Council/Sean Hawkey

Orthodoxe patriarchen aus zehn Landeskirchen

Sechs Hauptthemen

Das Forum will bis Sonntag in der Orthodoxen Akademie in Kolymbari auf Kreta sechs Hauptthemen behandeln: Ökumene; Fastenregeln; Eheregeln; Beziehungen zur modernen Welt; Leben in der Diaspora; schließlich das brisante Thema der Kriterienbestimmung für die Gewährung des Autonomiestatus an eine Landeskirche.

Dieses Thema hatte das Moskauer Patriarchat besonders beunruhigt, weil es die Ukraine beträfe. Allerdings kam am Wochenende eine beruhigende Botschaft aus Kreta: Man werde in Kolymbari nicht über die Ukraine reden, so Konzilsteilnehmer Erzbischof Job von Telmessos gegenüber „Interfax“.

Patriarch: Einheit nicht nur behaupten

Begleitet von neun Vorstehern eigenständiger orthodoxer Kirchen hatte das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, am Sonntag einen feierlichen Gottesdienst in der Kathedrale von Heraklion gefeiert, um für den Erfolg des Konzils zu beten - mehr dazu in Orthodoxe Kirche eröffnet Konzil mit Appell zur Einheit.

Bartholomaios ging in seiner Predigt nur indirekt auf die vier fehlenden Landeskirchen ein. Die Versammlung auf Kreta repräsentiere die ganze Orthodoxie, stellte er klar. Weiters verwies er auf zahlreiche „Irrtümer“ unter den Gläubigen, angesichts derer die kirchliche Einheit heute umso stärker vonnöten sei. Dabei genüge es nicht, die Einheit auf einer theoretischen Ebene zu behaupten, sondern es bedürfe auch einer Antwort auf der praktischen Ebene, die derzeit bedauerlicherweise fehle.

Konzil oder nur „Versammlung“?

Noch am Freitag hatte der Moskauer Patriarch Kyrill I. in einem nach eigenen Worten „um die Einheit der Orthodoxie bemühten“ Schreiben die in Kreta versammelten Hierarchen erinnert, dass er ihr Treffen lediglich als „Versammlung“ ansieht. Diese wiederum appellierten abermals an Kyrill und die drei anderen Vorsteher, ihre Entscheidung doch noch zu überdenken.

Das Konzil behält aus ihrer Sicht ungeachtet des Boykotts seinen Rang. Der Pressesprecher des Ökumenischen Patriarchats, Erzdiakon John Chryssavgis, sprach den Kirchen, die nicht nach Kreta kommen, schlicht das Recht ab, „das Ergebnis diktieren“ zu können. Es sei eine „grundlegende Annahme des internationalen Rechts, dass jede Partei, die sich weigert, an den Tisch zu kommen, ihr Recht aufgibt, bei der Abstimmung berücksichtigt zu werden“.

Ökumenische „Beobachter“

Auch die zur Eröffnungs- und Schlussversammlung eingeladenen „Beobachter“ aus der Ökumene sahen keinen Grund, nach den Absagen ebenfalls ihre Flüge zu stornieren. Unter ihnen sind der vatikanische „Ökumene-Minister“, Kardinal Kurt Koch, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sowie Vertreter des Weltkirchenrats und der Kirchen der Reformation.

Nicht an den Beratungen teil nimmt allerdings der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit. Er war zwar Gast in der Kathedrale von Heraklion, musste dann aber weiter nach Norwegen zur Tagung des ÖRK-Zentralausschusses reisen.

Wenige Frauen als „Beobachterinnen“

Unter den mehr als 170 Konzilsteilnehmern ist als Vertreter aus Österreich der Wiener Bischof der orthodoxen Kirche Serbiens, Andrej Cilerdzic. Er reiste erst am Montag nach Griechenland, da er am Sonntag in Salzburg eine Kirche einweihte.

Aus Deutschland sind drei Mitglieder der Orthodoxen Bischofskonferenz gekommen: Vorsitzender Metropolit Augoustinos (Patriarchat Konstantinopel), der rumänisch-orthodoxe Metropolit Serafim und der serbisch-orthodoxe Bischof Sergije Karanovic. Für die russische Delegation, die kurzfristig abgesagt hat, war auch der in München residierende Erzbischof Mark nominiert.

Delegationen aus bis zu 24 Bischöfen

Die Delegationen bestehen aus dem jeweiligen Primas und bis zu 24 weiteren Bischöfen. Nicht jede der orthodoxen Kirche hat allerdings so viele Bischöfe - in Tschechien und der Slowakei sind es nur drei, in Polen vier. Deshalb kommen bei den zehn Delegationen keine 250 Mitglieder zusammen. Nur zwei Kirchen haben unter den bis zu sechs „Beratern“ der Delegationen auch Frauen berufen: die von Albanien und das Patriarchat von Konstantinopel.

Diejenigen Kirchen, die kurzfristig eine Verschiebung des Konzils gefordert hatten, begründeten dies mit Kritik an der Verfahrensordnung und inhaltlichen Einwänden gegen die zur Beratung stehenden sechs Vorlagen über innerorthodoxe Fragen sowie das Verhältnis zu anderen Kirchen und die Weltverantwortung der Orthodoxie.

Besonders schmerzhaft war der Rückzieher der russisch-orthodoxen Kirche, zu der mehr als die Hälfte aller orthodoxen Christen weltweit gehören. Die Position des Moskauer Patriarchen Kyrill, nach der Absage von drei Kirchen handle es sich nicht mehr um ein „allorthodoxes Konzil“, stößt bei den auf Kreta versammelten Bischöfen allerdings auf wenig Verständnis.

religion.ORF.at/APA/dpa

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