Papst: Kirche soll sich bei Homosexuellen entschuldigen

Papst Franziskus hat am Sonntagabend auf dem Rückflug von Armenien gegenüber Journalisten gesagt, die katholische Kirche solle sich bei den Homosexuellen entschuldigen.

„Die Christen sollten dafür um Vergebung bitten, dass sie viele falsche Entscheidungen begleitet haben“, sagte das katholische Kirchenoberhaupt auf dem Rückflug von seiner dreitägigen Armenienreise, wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete. Auch bei Armen und anderen vernachlässigten Menschen sollte man sich entschuldigen, so Jorge Mario Bergoglio. Er schloss demnach auch vergewaltigte Frauen und ausgebeutete Kinder mit ein.

„Respektieren und begleiten“

Mit Blick auf Schwule und Lesben wiederholte der 79-Jährige, sie dürften nicht diskriminiert werden: Der Katechismus der Kirche schreibe vor, dass diese Personen nicht diskriminiert werden dürften, sondern respektiert und seelsorglich begleitet werden müssten. „Wer sind wir zu urteilen?“, fragte der Papst laut ANSA außerdem und benutzte dabei eine ähnliche Formulierung wie auf seiner ersten Auslandsreise nach Brasilien 2013 - mehr dazu in Papst: „Wer bin ich, um Schwule zu verurteilen?“. Damals hatte er gesagt: „Wenn jemand Gott mit gutem Willen sucht, wer bin ich, dass ich urteile?“

Papst Franziskus auf dem Rückflug von Armenien

APA/AFP/Tiziana Fabi

Papst Franziskus mit Journalisten auf dem Rückflug von Armenien

Franziskus antwortete damit auf die Frage, was er zu dem Vorwurf sage, die katholische Kirche habe zum Hass auf diese Personen beigetragen, der nach dem Attentat auf einen Treffpunkt von Homosexuellen in Orlando erhoben wurde. Eine US-amerikanische Journalistin berief sich darin auf eine Äußerung des Münchener Kardinals Reinhard Marx. Dieser habe jüngst in Dublin gesagt, die Kirche müsse für die Ausgrenzung von Homosexuellen um Entschuldigung bitten.

Es gebe jedoch in einigen Ländern Kulturen, die eine „andere Mentalität“ in dieser Frage hätten. Weiter sagte er, man könne Homosexuelle nicht aus „ideologischen Motiven“ verurteilen. Verurteilen könne man nur ein „politisches Verhalten, gewisse Kundgebungen, die zu offensiv für die anderen sind“. Zugleich betonte Franziskus, dass sich die Kirche nicht nur bei Homosexuellen entschuldigen müsse, sondern auch bei Armen und bei ausgebeuteten Frauen und Kindern. Ebenso entschuldigen müsse sie sich dafür, dass sie Waffen gesegnet habe.

Papst würdigt Martin Luther

Papst Franziskus würdigte während des Interviews den deutschen Reformator Martin Luther (1483-1546). Luthers Absichten seien „nicht falsch“ gewesen, wenn auch „vielleicht einige Methoden nicht richtig“ erschienen, sagte er vor den mitreisenden Journalisten. Der Reformator habe damals gegen eine korrupte und verweltlichte Kirche protestiert, die „kein Modell zum Nachahmen“ gewesen sei, so der Papst.

Auf die Frage eines deutschen Journalisten, ob nicht angesichts des bevorstehenden Gedenkens zum 500. Jahrestag der Reformation eine Aufhebung von dessen Exkommunikation oder eine andere Form der Rehabilitierung angebracht sei, ging Franziskus nicht ein. Der Papst reist am 31. Oktober zu einem ökumenischen Reformationsgedenken ins schwedische Lund, dem Gründungsort des Lutherischen Weltbundes.

Der Papst betonte zugleich, dass sich Protestanten und Katholiken über die Rechtfertigungslehre Luthers geeinigt hätten. Die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von Vatikan und Lutherischem Weltbund von 1997 bezeichnete Franziskus als eines der „reichhaltigsten und tiefsten ökumenischen Dokumente“.

„Brexit“: Warnung vor „Balkanisierung“ Europas

Nach der „Brexit“-Abstimmung könnten Regionen wie Schottland oder Katalonien ihre Unabhängigkeitsbestrebungen von Großbritannien und Spanien verstärken, sagte der Papst vor Journalisten. Das könne zu einer „Balkanisierung“ Europas führen.

„Es gibt etwas, was in dieser gewaltigen, schweren Union nicht funktioniert“, sagte Franziskus im Flugzeug vor Journalisten. „Wir dürfen das Kind aber nicht mit dem Bade ausschütten“, fügte das Oberhaupt der katholischen Kirche hinzu. Damit die EU ihre Kraft zurückerlange, müsse sie offen sein für „Kreativität und gesunde Zwietracht“. Sie müsse den Mitgliedstaaten zudem „mehr Unabhängigkeit, mehr Freiheit“ geben.

Bei dem „Brexit“-Referendum hatten am Donnerstag knapp 52 Prozent der Briten für einen Ausstieg aus der Europäischen Union gestimmt. Dabei sprachen sich die Wähler in Schottland allerdings mit 62 Prozent klar für einen Verbleib des Königreichs in der EU aus. Schottland stemmt sich nun gegen den Austritt: Die schottische Regionalregierung will Gespräche mit Brüssel führen, um in der EU bleiben zu können. Regierungschefin Nicola Sturgeon kündigte zudem ein neues Unabhängigkeitsreferendum an.

Kritik aus Türkei zurückgewiesen

Der Vatikan hat den türkischen Vorwurf einer „Kreuzfahrermentalität“ des Papstes zurückgewiesen. Franziskus sei kein Kreuzfahrer, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi einem Bericht von Radio Vatikan zufolge am Sonntag während der Reise des katholischen Kirchenoberhaupts in Armenien.

Der 79-Jährige hatte die Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 101 Jahren als „Völkermord“ bezeichnet. Das hatte scharfe Kritik der Türkei zur Folge, auf die Lombardi nun antwortete. Der türkische Vize-Regierungschef Nurettin Canikli hatte der Agentur Anadolu zufolge gesagt, die Erklärung zeige eine „Kreuzfahrermentalität“ des Papstes und des Heiligen Stuhles. Die Türkei lehnt den Ausdruck „Völkermord“ ab.

Papst Franziskus und das Oberhaupt der armenischen Kirche, Katholikos Karekin II., lassen auf dem Berg Ararat Tauben frei

APA/AFP/Osservatore Romano

Papst Franziskus und das Oberhaupt der armenischen Kirche, Katholikos Karekin II., lassen auf dem Berg Ararat Tauben frei

Letzte Station von Franziskus’ Armenienbesuch war am Sonntag das Kloster Chor Virap in Sichtweite zur türkischen Grenze unterhalb des Bergs Ararat. Vor dem Rückflug am Nachmittag unterzeichneten Franziskus und das Oberhaupt der armenischen Kirche, Katholikos Karekin II., eine gemeinsame Erklärung.

Darin erinnerten sie noch einmal an die Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg. Auch hier wird das Wort „Völkermord“ verwendet. Angesichts der Millionen Flüchtlinge weltweit sprachen beide von einer „ungeheuren Tragödie, die sich vor unseren Augen abspielt“. Sie riefen die Menschen dazu auf, „ihre Herzen und ihre Hände den Opfern von Krieg und Terrorismus, den Flüchtlingen und ihren Familien zu öffnen“.

religion.ORF.at/APA/AFP/dpa/KAP

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