Deradikalisierung durch Kampfsport und Religion

Aus religiöser Überzeugung setzen sich immer mehr Kampfsport-Idole gegen Radikalisierung ein. Die Wiener Initiative „Not in God’s Name“ versammelt Trainer und Kämpfer, die Jugendlichen Perspektiven zeigen.

Wiederholt wurde und wird Europa von terroristischen Anschlägen erschüttert. Gegen die Radikalisierung Jugendlicher aktiv etwas zu tun, hat sich die NGO zum Ziel gesetzt. Mittlerweile sind es kanpp 20 muslimische und christliche Sportler, die „Not in God’s Name“ gewinnen konnte. So etwa auch den österreichischen Thaibox-Star Karim Mabrouk. Der gläubige Muslim möchte Jugendlichen den „geraden Weg“, wie er es nennt, zeigen. Abseits von Kriminalität und Radikalismus. Dazu gehen die jungen Sportler in Parks und Bars und sprechen mit Jugendlichen über „das Leben“: Schule, Studium, Perspektiven, Religion.

Wobei die Religionszugehörigkeit der Gesprächspartner nicht im Vordergrund steht. „In jeder Religion wird gelehrt, dass man nichts mit Gewalt angehen sollte“, so Mabrouk. Er will sich selbst als Muslim von Gewalt abwenden und aus dem heraus auch andren helfen, „nichts Falsches zu tun“ sagte er im Gespräch mit religion.ORF.at.

Karim Mabrouk mit Kindern, die er trainiert

Tosan

Karim Mabrouk will seinen Trainings-Kindern als Vorbild dienen

„Das Wichtigste ist die Vorbildwirkung“, so Mabrouk. Als Kampfsportidol kennen viele den 23-jährigen österreichischen Staatsmeister mit ägyptischen Wurzeln. Die Jugendlichen würden auf das hören, was eines ihrer Idole sagt, so Mabrouk. Das ist auch der Ansatz, dem der Initiator des Projekts, Alexander Karakas folgt. „Die Politik erreicht diese Jugendlichen nicht, die Testimonials schon“, so Karakas gegenüber religion.ORF.at. „Die Jugendlichen gehorchen ihren Idolen aufs Wort“.

Vorbildersammlung auf facebook

Auch andere Jugendidole nützen ihre Popularität, um Jugendliche von der Sympathie mit der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) oder kriminellen Gedanken abzuhalten. Der Austro-Perser Foad Sadeghi, österreichischer Thai- und Kickboxweltmeister und Kampfsport-Studiobesitzer in Wien, gehört auch dazu. „Not in God’s Name“ bemüht sich laufend um weitere Sportler, die sich dem Konzept anschließen, auf facebook sind alle versammelt.

Zu diesem Zweck führte Kickboxweltmeister Sadeghi Ende Mai eine Delegation aus Kindern und Nachwuchstalenten seines Kampfsportcenters Tosan zum amtierenden Box-Schwergewichts-Weltmeister Tyson Fury an. Im Namen der NGO überreichten die Kinder dem Champion einen eigenen Pokal zur „Sportperson des Jahres“. Fury war zuvor mit antisemitischen, sexistischen und homophoben Äußerungen aufgefallen, wofür er sich später öffentlich entschuldigte und betonte, für ein friedliches, gewaltfreies Zusammenleben aller einzutreten. Diesen Wandel wollte man bei „Not in God’s Name“ honorieren. Fury findet sich nun auch auf der facebook-Seite des Projekts.

Box-Schwergewichts-Weltmeister Tyson Fury mit Thaibox-Weltmeister Foad Sadeghi

Not in God's Name

v.l.: Tyson Fury, Alexander Karakas und Foad Sadeghi mit dem „Not-in-God’s-Name“-Award

„Not in God’s Name“

„Not in God’s Name - fight against Radicalism“ ist eine Initiative zur Deradikalisierung von Jugendlichen. Muslimische und christliche Kampfsport-Idole nützen ihre Popularität, um Jugendliche auf einen „geraden Weg“ zu bringen.

Verbindende Regeln im Sport

Initiator Karakas, ein gläubiger Katholik mit christlich-muslimischen Wurzeln, engagiert sich seit mehreren Jahren für den Dialog zwischen den Religionen - unter anderem bei „Trialog“-Fußballmatches mit jüdischen, christlichen und muslimischen Kindern. Beim Kampfsport sah er wieder, wie Juden, Christen und Muslime gemeinsam trainieren, ohne dass aus den unterschiedlichen Religionen und Nationalitäten Konflikte entstanden wären.

Der studierte Politikwissenschaftler stellte zusammen mit Testimonials und dem ehemaligen Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac, sein Projekt unter anderem dem belgischen Botschafter in Wien, Willem Van de Voorde, vor, worauf die Initiative nach Brüssel eingeladen wurde.

Kämpfer Vahit Kuzey Ipek und Valtrim Saliu, Alexander Karakas, der belgische Botschafter Willem Van de Voorde und Fuat Sanac, der ehemalige Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

Not in God's Name

Kämpfer Vahit Kuzey Ipek und Valtrim Saliu, Alexander Karakas, der belgische Botschafter Willem Van de Voorde und Fuat Sanac, der ehemalige Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

Träge Politik

Im Juni stellte die Initiative in Belgien Politikern und Sportlern ihr Projekt vor. In Österreich reagiere die Politik nicht, so Karakas enttäuscht: „Ganz Belgien will mit uns zusammenarbeiten, nur Österreich nicht.“ Bisher habe er keine Unterstützung seitens der Politik bekommen und auch noch keine Sponsoren für das Projekt gefunden. Auch Mabrouk merkt an, dass er sich das Ticket nach Belgien selbst bezahlt habe.

Dass die Politik in Österreich langsam reagiert, bestätigt der muslimische Gefängnisseelsorger, Imam, Religionslehrer und Integrationsbeauftrgate Ramazan Demir. Er fordert seit langem die Finanzierung hauptberuflicher muslimischer Seelsorger für die etwa 1700 inhaftierten Muslime in Österreich, die derzeit nur von ehrenamtlichen Seelsorgern betreut werden könnten, so Demir im Gespräch mit religion.ORF.at. Es sei besonders wichtig, die Inhaftierten vor radikalem Gedankengut zu schützen da die Religion im Gefängnis häufig an Bedeutung gewinne, so Demir.

Imam Ramazan Demir und der Rabbiner Schlomo Hofmeister

Magdalena Blaszczuk

Ramazan Demir

Es sei ein Irrtum, so Demir, zu glauben, im Gefängnis seien Radikalisierte außer Gefecht gesetzt. Denn sie könnten ihre Ansichten verbreiten. Es sei daher besonders wichtig, die anderen Inhaftierten vor radikalem Gedankengut zu schützen. Durch die Situation im Gefängnis gewinne die Religion häufig an Bedeutung und die Häftlinge seien empfänglich - auch für radikales Gedankengut.

Zugang bekommen ist wichtiger Schritt

Demir findet es „großartig“, dass die Sportler diese Präventionsarbeit leisten. Überhaupt einen Zugang zu den Jugendlichen zu bekommen, ihnen Perspektiven aufzuzeigen, sei ein wichtiger Schritt. Demir gibt aber im Gespräch mit religion.ORF.at zu bedenken, dass für die Deradikalisierung gefährdeter Personen theologisches Wissen nötig sei und, wie er betont, ein Vertrauensverhältnis zu den einzelnen Jugendlichen sowie eine längerfristige Betreuung. Denn es müssten „die Vorurteile, Missverständnisse und Falschinformationen in diesen Köpfen“ beseitigt werden.

Deradikalisierung sieht der Imam letztlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich in einem „Wir-Gefühl“ ausdrücke. Viele könnten leider nicht zwischen Radikalität und Religiosität unterscheiden. Solange es für Syrien keine politische Lösung gebe und Jugendliche hier Diskriminierungserfahrungen machten, werde sich die Radikalität vermehren, „und jeder Radikalisierte ist einer zu viel“, so Demir.

Nina Goldmann, religion.ORF.at

Link: