Wenn Bademode koscher sein muss

Für orthodoxe Jüdinnen, die sich wie viele Musliminnen an religiöse Kleidungsvorschriften halten, ist der Griff zum freizügigen Bikini ein No-go. Daher produzieren jüdische Designerinnen sittsame, aber schicke Bademode und erreichen damit nicht nur religiöse Frauen.

Wenn von religiösen Bekleidungsvorschriften die Rede ist, stehen meist Musliminnen, das Kopftuch und im Sommer besonders der Burkini im Mittelpunkt des Interesses. Doch auch orthodoxe Juden halten sich an religiöse Gesetze, die bestimmen, wie sie sich zu kleiden haben. So sollen Frauen Röcke tragen, die mindestens über das Knie reichen, und am Oberkörper Kleidungsstücke, die die Ellbogen bedecken. Verheiratete orthodoxe Jüdinnen bedecken außerdem ihr Haar - mit einer Perücke, Haube oder einem Hut.

Schluss mit Männerhosen

Sara Wolf und Daniella Teutsch, zwei orthodoxe Jüdinnen aus New York, gründeten 2007 ihr eigenes Modelabel: HydroChic. Seit der Gründung wachse das Unternehmen jährlich um 20 Prozent, berichtete die „Times of Israel“ kürzlich - eine Erfolgsgeschichte. Die New Yorkerinnen stießen mit der sittsamen, aber schicken Bademode auf einen kaum besetzten Markt vor.

Eine Jüdin trägt ein Badekleid zum Schwimmen

Aqua Modesta

Aqua Modesta wirbt mit dem Slogan „original koscher“

Als Wolf eines Tages am Strand spazierte, kam ihr der Gedanke, dass es für sie und ihre jüdischen Freundinnen doch etwas Besseres geben müsse, als den Strand in langen Männerbadehosen und großen T-Shirts zu besuchen. Die Idee, orthodoxen Jüdinnen eine schöne und religionsadäquate Alternative zu traditionell freizügiger Bademode zu bieten, war geboren.

Körper nicht betonen

Mit dem hebräischen Wort Zniut (Bescheidenheit) wird der Verhaltenskodex im Judentum beschrieben, der festlegt, wie Juden sich in verschiedenen Lebensbereichen - von der Bekleidung bis zum Umgang mit anderen Menschen - zu verhalten haben. Auf die Kleiderfrage bezogen gilt für Männer und Frauen, dass sie sich bescheiden und demütig kleiden und ihren Körper nicht betonen sollen.

Die Bekleidungsvorschriften erschweren es orthodoxen Jüdinnen, ihre Religiösität mit sportlichen Aktivitäten wie Schwimmen zu verbinden. Doch seit einigen Jahren schaffen jüdische Frauen selbst Alternativen, indem sie Bademode produzieren, die mit den religiösen Bekleidungsvorschriften in Einklang steht.

Zwischen Burkini und Surfmode

Es ist Schwimmkleidung, die sich nicht eng an den Körper schmiegt und mehr verdeckt als gewöhnliche Bikinis und Badeanzüge. Die Leggings, Schwimmshirts und Schwimmkleider erinnern an die Anzüge von Surfern, einige Exemplare sind dem von muslimischen Frauen getragenen Burkini sehr ähnlich. Manche Stücke sind von normalen Kleidern nicht zu unterscheiden, andere wiederum sehen aus wie funktionale Sportkleidung fürs Radfahren oder Joggen.

Eine Jüdin trägt koschere Bademode von Csuta

Csuta

Bademode von Csuta, schick und koscher, aus Israel

Problem der Vermarktung

In Israel schneidert die Jüdin Michal Siv unter dem Modelabel Csuta Badekleidung für orthodoxe Jüdinnen und auch arabische Frauen. Siv sagte im einem Interview mit dem Onlineportal Evangelisch.de vor einigen Jahren, dass sie große Probleme mit der Vermarktung ihrer Bademode in Israel gehabt habe.

Abbildungen von Frauen sind in der ultraorthodoxen Presse nicht erlaubt. Jene Medien sind dafür bekannt, Frauen in Fotografien wegzuretuschieren bzw. unkenntlich zu machen. In der Vergangenheit kam es in Israel vonseiten ultraorthodoxer Juden immer wieder zu Vandalenakten, bei denen Werbeplakate, die Frauen zeigten, abgerissen wurden. Auf ihrer Unternehmenswebsite wirbt die Israelin trotzdem mit Models aus Fleisch und Blut. Es gibt auch Anbieterinnen, die ihre Mode ausschließlich an Puppen präsentieren.

Trend zur Keuschheit

Auf den Markt für sittsame Schwimmbekleidung kam jedenfalls in den vergangenen Jahren Bewegung - nicht nur in Israel, sondern auch in den USA, wo viele Jüdinnen leben. Rund zehn Jahre, nachdem die zwei New Yorkerinnen HydroChic gegründet haben, zeigt sich, dass sich nicht nur orthodoxe Jüdinnen für die alternative Bademode interessieren.

Unterschiedliche Designs von HydroChic-Bademode, koschere und nicht-koschere Modelle

HydroChic

Im Sortiment von HydroChic gibt es koschere und nicht koschere Mode

Frauen, die es aus unterschiedlichen, oft nicht religiösen Gründen bevorzugen, weniger Haut zu zeigen, gehören zu der Kundschaft der Unternehmerinnen. Unter den Kundinnen finden sind auch Frauen, die ihre Haut vor den Gefahren erhöhter Sonneneinstrahlung schützen wollen.

Die vielfältige Kundschaft hat sich zunehmend auf das Sortiment ausgewirkt: Mittlerweile findet sich dort auch Schwimmmode, die zwar mehr Haut bedeckt als Bikinis und Badeanzüge, aber mit den religiösen Geboten orthodoxer Juden trotzdem nicht vereinbar ist. Dazu zählen etwa Minischwimmkleider, die zwar locker am Körper liegen, aber bereits mehrere Zentimeter über dem Knie enden.

Alles koscher

Eine Entwicklung, die die New Yorkerin und Gründerin von Aqua Modesta, Regine Tessone, nicht mitmachen will. Von der Zielgruppe orthodoxer Jüdinnen wolle sie nicht abweichen: „Da Bescheidenheit unsere höchste Priorität ist, wird unsere Linie das immer reflektieren, unabhänig von den Trends und der Mode unserer Zeit“, heißt es auf der Unternehmenswebsite. Alle Schwimmkleider und Badehosenanzüge bedecken mindestens die Knie der Frauen. Wohl auch, um sich von anderen Anbietern abzugrenzen, bezeichnet Tessone ihre Schwimmkollektion als „original koscher“.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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