Kardinalsernennungen: „Erdbeben“ in der Kurie

Am 19. November wird Papst Franziskus 17 neue Kardinäle ernennen. Wie bei den vergangenen Ernennungen geht er dabei „an die Ränder der Welt“ - Europas Einfluss wird verringert. Kommentatoren sprechen gar von einer „seismischen Verschiebung“ in der Kurie.

Die Kardinäle sind fünf Europäer, vier Nordamerikaner, zwei Südamerikaner, drei Afrikaner, zwei Asiaten und ein Ozeanier, teilte der Heilige Stuhl am Sonntag mit. Vier der Kandidaten sind über 80 Jahre alt und damit bei einer Papstwahl nicht stimmberichtigt. Nur ein neuer Purpurträger stammt aus Italien und nur einer ist Mitglied der Kurie.

Franziskus’ „progressiver Stempel“

Franziskus habe der amerikanischen katholischen Kirche mit der Wahl dreier Gleichgesinnter „seinen progressiven Stempel“ aufgedrückt, schreibt die Rom-Korrespondentin des britischen „Guardian“ in seiner Onlineausgabe (Montag). Alle drei Kandidaten hätten sich für Frauen, Einwanderer und eine in den USA als heißes Thema gehandelte verschärfte Waffenpolitik ausgesprochen. Klar zurückgewiesen habe er Bischöfe, die für den Ausschluss Geschiedener und Homosexueller aus der katholischen Kirche plädiert hatten, so der „Guardian“.

Bischof von Chicago, Blaise Cupich

Reuters/Charles Rex Arbogast/Pool

Der Erzbischof von Chicago, Blase Cupich

Wichtig für Wahl des Nachfolgers

Die Kardinäle der katholischen Kirchen fungieren nicht nur als wichtigste Berater des Papstes, sie werden (sofern sie unter 80 Jahre alt sind) eines Tages auch seinen Nachfolger wählen. So kann der Papst durch Ernennungen also ein wenig den von ihm eingeschlagenen Kurs den Weg in die Zukunft ebnen. Die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI., Franziskus’ Vorgänger, hätten weit konservativere Richtungen eingeschlagen, so die britische Zeitung.

Einige „traditionelle“ Kardinalssitze gehen in dieser „Runde“ leer aus, darunter Venedig, Turin und Berlin, aber auch Philadelphia. Stattdessen werden die Erzbischöfe von Chicago, Blase Cupich, und Indianapolis, Joseph William Tobin, in den Kardinalsrang erhoben. Cupich gelte als „Franziskus’ Mann in der US-Bischofskonferenz“, so ein Kommentar auf zdf.de vom Sonntag.

Gemäßigte Bischöfe ausgewählt

Die Auswahl neuer Kardinäle in den USA könnte eine „seismische Verschiebung“ in der katholischen Hierarchie verursachen, so der Kommentator John L. Allen Jr. auf der US-Website Crux Now, einer katholischen Nachrichtenseite. Alle drei stellten einen Teil des „gemäßigten, nicht kulturkämpferischen Flügels“ in der Hierarchie der amerikanischen Kirche dar, so Allen.

Stimmen für Frauen und Immigranten

Tobin habe sich für eine stärkere Stimme der Frauen ausgesprochen. Der irischstämmige Kevin Farrell, der dritte neue US-Kardinal aus Dallas und einziger Vertreter der Kurie bei der Ernennungswelle, unterstützt schärfere Waffengesetze. Der Erzbischof von Philadelphia hingegen, der „streng konservative“ („Guardian“) Charles Chaput, wurde übergangen. Er hatte im Sommer für Schlagzeilen gesorgt, weil er in Sache Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene eine harte Linie gefahren war - gegen die versöhnlichere des Papstes.

Der apostolische Nuntius in Damaskus, Mario Zenari

APA/AP/Andrew Medichini

Der apostolische Nuntius in Damaskus, Mario Zenari

Der einzige nominierte Italiener unter den neuen Kardinälen ist Erzbischof Mario Zenari, der apostolische Nuntius in Damaskus. Darin zeige sich die hohe Bedeutung, die der Papst dem Syrien-Konflikt zuschreibe, hieß es bei Radio Vatikan. Weitere neue Würdenträger sind der Erzbischof von Bangui, Dieudonne Nzapalainga, aus der Zentralafrikanischen Republik, die Franziskus 2015 besuchte.

Nicht stimmberechtigt, weil über 80, ist der im Kommunismus verfolgte albanische Priester Ernest Simoni. Außerdem reiht sich der Erzbischof von Dhaka, Patrick D’Rozario, künftig unter die Kardinäle, aus Europa ernannt wurden der Erzbischof von Mecheln-Brüssel, Jozef De Kesel, und Madrids Erzbischof Carlos Osoro Sierra.

Erzbischof von Bangui, Dieudonne Nzapalainga, aus der Zentralafrikanischen Republik

Reuters/Luc Gnago

Der Erzbischof von Bangui, Dieudonne Nzapalainga, aus der Zentralafrikanischen Republik

Weitere Kandidaten sind der Erzbischof von Port Moresby in Papua Neuguinea, John Ribat, und Maurice Piat, Erzbischof von Port-Louis auf Mauritius. Aus Lateinamerika kommen der Erzbischof von Brasilia, Sergio da Rocha, der Erzbischof von Merida in Venezuela, Baltazar Enrique Porras Cardozo, und der Erzbischof von Tlalnepantla in Mexiko, Carlos Aguiar Retes.

Konsistorium beschließt Heiliges Jahr

In Rahmen des Konsistoriums, der Vollversammlung der Kardinäle der katholischen Kirche, am 19. November - dem Vorabend des Endes des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit - werden die Ernennungen vonstatten gehen. Am 20. November schließt der Papst die am 8. Dezember 2015 geöffnete Heilige Pforte des Petersdoms.

religion.ORF.at

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