Kardinal Scola reicht Rücktritt ein und übt Kritik an EU
Scola forderte in einem Geburtstag-Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ (Sonntagsausgabe) einen „Marshall-Plan mindestens auf europäischer Ebene“ zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Von Italien verlangte er in dem Interview einen entschiedenen Kurs gegenüber der EU. „Wir Italiener müssen sehr hart gegen dieses Europa sein, weil es uns alleinlässt“, sagte Scola und fügte hinzu: „Dies ist ein sehr schlimmes Symptom für die Zukunft des Kontinents, und ich hoffe nicht, dass es das Symptom einer tödlichen Krankheit ist.“
APA/EPA/Massimo Percossi
Zeit für Integration
Zur Frage nach einer Ablehnung der Migranten in der Bevölkerung sagte Scola, es gebe zu wenig Aufklärung und Information. Die Menschen würden „zur Beute von Instrumentalisierungen“. Integration brauche Zeit und gemischte Reaktionen seien unausweichlich, aber er sehe „kein rassistisches Abdriften“.
Die Welt stehe vor einer historischen Entwicklung, sagte der Kardinal mit Verweis auf dutzende Millionen Migranten weltweit. „Die Geschichte fragt nicht um unsere Erlaubnis, um Entwicklungen in Gang zu bringen, aber sie verlangt unser Handeln, um ihnen eine Richtung zu geben“, so der frühere Professor für Politische Philosophie und Moraltheologie.
Unterschiedliche Aufgaben in Kirche und Politik
Die Antwort der Kirche auf die Flüchtlingskrise müsse in der unmittelbaren Aufnahme und Hilfe liegen. Die Aufgabe der Politik sei eine andere und bestehe in einer konzertierten Lösung des Problems in den Herkunfts- und Zielländern der Migranten, so Scola. Dabei verwies er auf den Marshall-Plan, das milliardenschwere Hilfsprogramm der USA für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der aus Malgrate am Comer See stammende Scola steht der Erzdiözese Mailand seit 2011 vor, nachdem er zuvor neun Jahre Patriarch von Venedig war. Am Montag vollendet er sein 75. Lebensjahr und muss nach dem Kirchenrecht dem Papst seinen Rücktritt anbieten.
religion.ORF,at/KAP