Orthodoxer Streit um Relevanz des Kreta-Konzils

Für Wirbel innerhalb der Weltorthodoxie sorgt eine Pressekonferenz des Moskauer Patriarchen Kyrill I., die er vor einer Woche im Anschluss an die Feiern zu seinem 70. Geburtstag gegeben hat.

Das Zentralthema des Journalistengesprächs war das Panorthodoxe Konzil in Kolymbari/Kreta von Juni 2016, an dem die russisch-orthodoxe Kirche allerdings nicht teilnahm und dessen gesamtkirchliche Relevanz Kyrill deshalb abstritt. Der Patriarch begründete sein Fernbleiben mit Dissens verschiedener Nationalkirchen - u. a. Georgien, Bulgarien, Serbien - im Vorfeld und dem Fehlen von Einstimmigkeit.

Verärgert über „sehr unfreundliche Antwort“

Kritik an der Stellungnahme Kyrills, der in seinem Statement auch Verärgerung über „eine sehr unfreundliche Antwort“ zu seiner Absage seitens des Ökumenischen Patriarchats durchklingen ließ, übte die Website www.amen.gr. Sie gilt als Organ des Ökumenischen Patriarchats in Istanbul/Konstantinopel.

Forderung nach neuer Synaxis

Kyrill forderte bei der Pressekonferenz, dass vorerst einmal eine neue Synaxis (Gipfeltreffen) der neun orthodoxen Patriarchen und fünf Oberhäupter von Autokephalkirchen abgehalten werden solle. Dabei solle dann „ein wahres Konzil“ vorbereitet werden. So ein Konzil müsse mit dem Kirchenrecht konform sein, wirklich gesamtorthodox unterstützte Beschlüsse verkünden und in passender Form erfolgen. Laut „amen“ bedeute dies „Einstimmigkeit“ und nicht nur „Einmütigkeit“, wie dies Konstantinopel und die anderen Teilnehmer von Kreta als Kriterium festgelegt hatten.

Patriarch Kyrill in der Londoner russisch-orthodoxen Kirche

APA/AP/Alastair Grant

Der Moskauer Patriarch Kyrill

Im russischen Verständnis macht die Abwesenheit einer der 14 orthodoxen Kirchen vom Konzil dieses ungültig, während für den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und die Mehrheit der Patriarchen und autokephalen Erzbischöfe die Abwesenden - in Kreta waren es außer Moskau noch Antiochia, Bulgarien und Georgien - nur sich selbst ins Abseits stellen. Auch in Sachen einer für die Gültigkeit des Konzils aus Moskauer Sicht nötigen „allorthodoxen Annahme“ seiner Beschlüsse beharrte Kyrill bei der Pressekonferenz allerdings auf seinem Standpunkt.

Mehrheitssynodale: Beschlüsse gültig

Demgegenüber steht eine Konzilsmehrheit, die die Beschlüsse von Kolymbari nicht erst durch ihre Rezeption bestätigen lassen will. Konzilsbeschlüsse seien aus sich selbst heraus als solche gültig, heißt es bei den Mehrheitssynodalen.

Als „Draufgabe“ wandte sich der „amen“-Beitrag aber auch gegen den „weltlichen Pomp“ und die „deutlichen Elemente eines Zurschaustellens zaristischer Macht“ bei den Kyrill-Feierlichkeiten in Moskau. Vom neuen Abt Evlogij des russischen Klosters am Athos habe sich Kyrill als „Allheiligkeit“ ansprechen lassen, obwohl dieser Titel nur dem Ökumenischen Patriarchen zukomme.

(V l. n. r.:) Patriarch Bartholomaios I., Patriarch Theophilos von Jerusalem, Patriarch Daniel von Rumänien

APA/AP/Sean Hawkey/Holy and Great Council

(V l. n. r.:) Patriarch Bartholomaios I., Patriarch Theophilos von Jerusalem und Patriarch Daniel von Rumänien beim Konzil auf Kreta

Auch andere Pressestimmen hatten Kyrills Prunk und Pracht dem schlichten 25-jährigen Amtsjubiläum von Bartholomaios im Phanar am 22. Oktober gegenübergestellt. Die Oberhäupter der orthodoxen Kirchenfamilie, die in Moskau mit dabei waren, hielten sich allerdings mit Kritik zurück; nur Erzbischof Anastasios von Albanien wagte in Richtung Kyrill die Bemerkung: „Wir haben Sie in Kreta vermisst.“

Kirche von Griechenland verschiebt „Konzilsprüfung“

Unterdessen zeigte sich in Athen, dass doch eine größere Zahl von Landeskirchen Probleme mit der Annahme des Konzils von Kreta haben. Eine zur Nachentscheidung über die Haltung der Kirche von Griechenland zum Konzil am 23./24. November einberufene Sonderbischofskonferenz ging nämlich ohne Entscheidung zu Ende.

Zuvor hatte Patriarch Bartholomaios I. in einem Schreiben an den Athener Erzbischof Hieronymos Liapis davor gewarnt, an den Konzilsbeschlüssen zu rütteln. Andererseits versicherte Patriarch Kyrill I. von Moskau Hieronymos und der griechische Hierarchie seiner Unterstützung, was immer sie auch beschließen sollten.

Minderheit gegen Konzilsvorlagen

Die orthodoxe Kirche von Griechenland - die nur für ein Drittel von dessen Territorium zuständig ist - der Löwenanteil gehört zum Patriarchat Konstantinopel - hatte zwar am Konzil von Kreta teilgenommen, doch stimmten einige ihrer Bischöfe gegen Konzilsvorlagen, besonders gegen das „Ökumenismusdekret“.

Dieselbe Konzilsminderheit hatte jetzt eine nachträgliche Beschlussfassung der griechischen Bischofskonferenz gefordert, um zu entscheiden, ob Athen das Konzil annehmen oder sich nicht doch den Konzilsgegnern um die Patriarchen von Antiochia und Moskau anschließen sollte.

Der diplomatische Erzbischof Hieronymos konnte aber die drohende Spaltung des griechischen Bischofskollegiums durch Vertagung des Streites auf die lange Bank schieben. Vorerst werden sich verschiedene Fachausschüsse mit einer „Überprüfung“ des Konzils und seiner Entscheidungen befassen.

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Link: