Brasilien: Befreiungstheologe Arns gestorben

Kardinal Paulo Evaristo Arns, prominenter Befreiungstheologe und Menschenrechtler in Brasilien, ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 95 Jahren in einem Krankenhaus in Sao Paulo an Organversagen, wie brasilianische Medien melden.

Der Alterzebischof von Sao Paulo wird am Freitag um 15.00 Uhr (Ortszeit) in der Krypta der Kathedrale seiner Bischofsstadt beigesetzt. Die Einsegnung und das Requiem leitet der Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Odilo Pedro Scherer. Während der Militärdiktatur (1964-1985) protestierte der deutschstämmige Kirchenmann gegen die Verbrechen des Regimes. Seit dem Übergang zur Demokratie mobilisierte er Kirche und Sozialbewegungen gegen Ungerechtigkeit, Folter und unmenschliche Arbeitsbedingungen.

Papst „großer Schmerz“

In einer Botschaft vom Donnerstag an den Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Odilo Scherer, bezeichnet Papst Franziskus „Dom Paulo“, wie er Arns nennt, als „unerschrockenen“ und „großherzigen Hirten“ und betont, dass es „dem Herrn zu danken gilt“, dass er der katholischen Kirche Paulo Arns geschenkt habe. Der Papst schreibt, dass er mit „die Nachricht von dem Tod des verehrten Bruders“ mit großem Schmerz entgegengenommen habe.

Kardinal Paulo Evaristo Arns

APA/AP/Dario Lopez-Mills

Kardinal Paulo Evaristo Arns

„An diese diözesane Gemeinschaft, die den Verlust ihres geliebten Hirten betrauert, ebenso wie an die Kirche, die in ihm einen sicheren Bezugspunkt hatte, und an diejenigen, die diese Zeit der Trauer teilen“, wolle er seinen Segen übermitteln, so Franziskus. Er hebt in den Schreiben hervor, dass die Kirche in der Trauer die Auferstehung verkünde.

Der Papst unterstreicht die Arbeit von „Dom Paulo“ und nannte die karitativen Dienste für Benachteiligte. Der Kardinal habe als „authentischer Zeuge für das Evangelium in der Mitte der Menschen gestanden“. Allen habe er den „Weg der Wahrheit in der Liebe“ und des Dienstes für die Gemeinschaft gezeigt, durch ständige Aufmerksamkeit für die Benachteiligten.

Boff: „Unvergesslicher Lehrmeister“

Der Theologe Leonardo Boff bezeichnete Kardinal Arns gegenüber der Zeitung „El Pais“ als seinen „unvergesslichen Lehrmeister“. Boff sagte zum Tod von Arns, der einst Erzbischof von Sao Paulo war: „Er ist aufgebrochen, um sich mit dem Herrn zu treffen, dem er stets durch sein Wirken für die Armen und Gefolterten gedient hat.“ Arns und Boff waren Ordensmitbrüder im Franziskanerorden

Arns lebte seit einigen Jahren zurückgezogen in einer franziskanischen Ordensgemeinschaft in Taboao da Serra im Großraum Sao Paulo. Zuletzt verzichtete er weitestgehend auf öffentliche Auftritte und widmete sich Medienberichten zufolge der Lektüre und Übersetzung religiöser Texte.

Kinderpastoral ins Leben gerufen

Der am 14. September 1921 im südbrasilianischen Forquilhinha geborene Sohn deutscher Einwanderer trat bereits mit 18 Jahren in den Franziskanerorden ein. Später studierte er an der Pariser Sorbonne; 1970 wurde er im Alter von 49 Jahren zum Erzbischof von Sao Paulo sowie 1973 zum Kardinal ernannt. Außer Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. war Arns der letzte verbliebene Kardinal, der noch vom Konzilspapst Paul VI. ernannt wurde. 1985 rief Arns gemeinsam mit seiner Schwester, der Kinderärztin Zilda Arns Neumann, die Kinderpastoral der katholischen Kirche Brasiliens ins Leben.

Arns war drittältester Kardinal der Weltkirche, und sein Tod bedeutet einen Verlust für das große Land. Arns zählte vor 40 Jahren wohl zu den bestinformierten Menschen im Land. Er wusste, wo gefoltert und gemordet wurde; er versteckte Verfolgte - und stellte Militärs mutig zur Rede. Ein Redeverbot war die Folge. In den 1980er Jahren leitete Arns das Projekt „Brasil: Nunca Mais“ (Nie wieder) über die Verbrechen der Militärdiktatur.

Aufarbeitung der Militärdiktatur

Er sammelte heimlich Dokumente über die Verbrechen der Militärs. 1985, kurz nach Ende der Diktatur, wurden die Ergebnisse in Buchform veröffentlicht. Das Projekt gilt bis heute als die ausführlichste Aufarbeitung der damals begangenen Verbrechen durch den Staatsapparat. 1992 war Arns in der Dominikanischen Republik in einen Unfall mit bis heute nicht eindeutig geklärter Ursache verwickelt. Er selbst betonte stets, dass er den Unfall als Attentatsversuch ansehe.

Seit dem Übergang zur Demokratie mobilisierte Arns Kirche und Sozialbewegungen gegen Ungerechtigkeit, Folter und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Auch Konflikten mit Rom ging der streitbare Kardinal nicht aus dem Weg. So forderte er schon früh, mit Blick auf den wachsenden Priestermangel, den Pflichtzölibat für katholische Priester neu zu hinterfragen. Es handle sich um ein historisch bedingtes Kirchengesetz ohne biblische Verankerung.

1998 nahm Papst Johannes Paul II. den Amtsverzicht von Kardinal Arns als Erzbischof aus Altersgründen an - mit vergleichsweise jungen 76 Jahren. Johannes Paul II. schätzte seinen Mut und sein soziales Engagement, weniger jedoch seine Nähe zur Befreiungstheologie, hinter der der Papst aus Polen stets den Sozialismus witterte.

Gegen Korruption und Nepotismus

Von einem „Ruhestand“ konnte freilich keine Rede sein. Arns schrieb weiter Bücher und erreichte über das Radio viele Menschen mit seinen Botschaften. Der höfliche ältere Herr, der er war, zeigte den Mächtigen doch stets die Zähne, wies Korruption, Vetternwirtschaft und Verschwendung nach.

Arns erhielt ungezählte weltliche Auszeichnungen durch Vereinte Nationen, Regierungen und Menschenrechtsorganisationen. Rund zwei Dutzend Universitäten in der ganzen Welt verliehen ihm Ehrendoktorwürden. Seine letzten Lebensjahre verbrachte der Kardinal zurückgezogen in einer franziskanischen Ordensgemeinschaft. Nach dem Tod des drittältesten Kardinals der Weltkirche hat der Senat des Papstes noch 227 Mitglieder. Davon sind 120 unter 80 Jahre alt und damit bei einer Papstwahl stimmberechtigt.

religion.ORF.at/KAP

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