Schönborn: Islamisierung versus Entchristianisierung

Den Muslimen „Schuld“ an einer möglichen Islamisierung Europas zu geben, hält Kardinal Christoph Schönborn für unangebracht. Die Bevölkerung müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht genug für eines christlichen Europas zu tun, so Schönborn im „Krone“-Interview.

Wenn etwa in Holland Kirchen zu Supermärkten umgewandelt würden und der Konsum an die Stelle der christlichen Wurzeln Europas trete, „dürfen wir uns nicht wundern, dass Europa sich entchristlicht“, sagte Kardinal Christoph Schönborn im Interview mit der Kronenzeitung (Sonntag-Ausgabe). „Wenn wir sehen, dass die Moscheen gut besucht sind und die Kirchen schlecht besucht sind, dann dürfen wir nicht den Muslimen den Vorwurf machen, dass sie Europa islamisieren wollen.“

Kardinal Christoph Schönborn

ORF/Marcus Marschalek

Kardinal Christoph Schönborn

Die kulturellen Differenzen zwischen einem aufgeklärten Europa und muslimischer Lebensweise forderten zur Geduld heraus. Er vertraue darauf, „dass sich in der islamischen Welt auch etwas ändert, da sehe ich ein großes Potential“. Angesichts von Terrorakten mahnt Schönborn von der muslimischen Glaubensgemeinschaft allerdings vehement eine klare Distanzierung ein. Das sei in Österreich nur zum Teil geschehen.

„Kriminalität ist Kriminalität“

Bei Fragen zur Mindestsicherung, einer Flüchtlings-Obergrenze oder der Abschiebung krimineller Flüchtlinge sei eine Schwarz-Weiß-Malerei unangebracht. Rechtliche Maßnahmen seien wichtig, müssten allerdings flexibel und menschlich bleiben. Die Toleranz für kriminelle Flüchtlinge ende dort, wo sie auch für Österreicher ende. Kriminalität sei Kriminalität, so der Kardinal.

„Und wie bei den Menschen in Österreich gibt es auch unter den Flüchtlingen Menschen, die Missbrauch üben mit den Sozialleistungen.“ Von ihnen auf alle Flüchtlinge zu schließen, wäre nicht richtig. „Man sagt ja auch nicht, weil im Wiener Landesgericht derzeit über 1.000 Häftlinge sitzen, dass Österreich ein Land von Kriminellen ist.“

Zukunftsperspektiven wichtig

Klare Zukunftsperspektiven hält der Kardinal für das beste Mittel gegen Flüchtlings-Kriminalität, denn von der Trostlosigkeit sei der Weg zur Kriminalität oder zumindest zur Brutalität vorgezeichnet. „Wenn junge Menschen das Gefühl haben, sie kommen gar nicht hinein in die Gesellschaft, sie haben keine Chance auf Integration, auf Arbeit, sie haben letztlich ‚No Future‘, dann ist das dramatisch und gefährlich.“

Auch Angesichts der Sorgen und Nöte mahnt er für 2017 zur Hoffnung. Schönborn merkte an, der oft gebrauchte Ausdruck „Die Hoffnung stirbt als letzte“ störe ihn und sei seiner Überzeugung nach auch unrichtig; „denn die Hoffnung stirbt überhaupt nicht“.

Einen möglichen Besuch Papst Franziskus 2017 in Österreich hält er für unwahrscheinlich. „Papst Franziskus hat eine ganz klare Option, er geht in die armen Länder, zu denen gehört Österreich nicht.“ Den Neujahrstag verbringt Schönborn in Mariazell und bei seiner Mutter in Vorarlberg. Sie erwarte ihn jedes Jahr am 1. Jänner, „rüstig wie eh und je. Sie ist ja auch erst 96“.

religion.ORF.at/KAP