Integrationspaket: „Schlag ins Gesicht“ für Muslime

Die Regierung hat sich in ihrem neuen Regierungsprogramm auf ein Neutralitätsgebot bei uniformierten Exekutivbeamten, Richtern und Staatsanwälten geeinigt, was de-facto ein Kopftuchverbot bedeutet. Muslime reagieren darauf mit scharfer Kritik.

Ein Kopftuchverbot, das als Teil des Integrationspakets verhandelt wurde, wird zwar in dem Arbeitsprogramm nicht explizit angeführt, es heißt aber wörtlich: „Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten. In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformierten ExekutivbeamtInnen sowie RichterInnen und StaatsanwältInnen darauf geachtet, dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitätsgebot gewahrt wird.“ Ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen - wie jüngst von ÖVP-Politikern gefordert - ist laut derzeitigen Informationen wohl nicht angedacht.

IGGiÖ warnt vor „Lex Islam“

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Ibrahim Olgun (IGGIÖ) warnte schon vor der Präsentation des Regierungsprogramms in einer Aussendung - erste Einzelheiten waren schon durchgesickert - vor einer "Lex Islam“, die dürfe es nicht geben. "Falls selbst verklausuliert Bestimmungen Einzug finden, die sich vor allem gegen Musliminnen richten, wäre das aber der Fall. Religionsfreiheit ist nicht verhandelbar.“

Ibrahim Olgun

APA/IGGIÖ

Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Ibrahim Olgun

In der Aussendung wird Olgun mit den Worten zitiert: „Das Kopftuch ist weder ein religiöses und erst recht kein politisches Symbol. Selbstbestimmte Frauen zeigen schon heute, dass es wesentlich darauf ankommt, was im Kopf steckt und nicht womit dieser bedeckt ist, um einen Menschen zu bewerten.“ Er verwies auf Beispiele aus Ländern wie Großbritannien, wo religiöse Kopfbedeckung in Uniformen integriert werden können.

„Unterwerfungsgesten“

Die IGGiÖ befürchtet, dass durch das Integrationspaket sichtbar muslimische Frauen ausgegrenzt werden und spricht vom „Exekutieren purer Unterwerfungsgesten gegen Musliminnen“, um bestehende Ängste und Ressentiments gegen den Islam populistisch zu kanalisieren.

Ehe vorschnelle Entscheidungen getroffen werden, sollte der seitens der Politik in Aussicht gestellte runde Tisch der Religionsvertreter einberufen werden, um sachlich und konstruktiv Themen wie etwa religiöse Zeichen oder Kleidung im öffentlichen Dienst mit den Betroffenen zu besprechen, heißt es in der Aussendung der IGGiÖ. Das dürfte auch der Wunsch von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sein.

Gespräch mit Religionsvertretern

Das Neutralitätsgebot im öffentlichen Dienst strebe die Regierung an, wolle dieses aber „in Konsultation mit den Religionsgemeinschaften“ entwickeln, sagte Kern bei der Präsentation des Regierungsprogramms auf Nachfrage.

Sowohl die katholische Kirche, als etwa auch die jüdische und die muslimische Religionsgemeinschaft seien hier gefragt. Auf die Nennung des Terminus „Kopftuch“ habe man im Regierungspapier bewusst verzichtet, um nicht nur Muslime herauszugreifen, so Kern.

„Gegen die Selbstbestimmung“

Kritik kommt auch vom Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ), das der ÖVP und SPÖ vorwirft, das Parteiprogramm der FPÖ bedenkenlos übernommen zu haben bzw. zu unterstützen. Vielen Menschen sei bereits während der sogenannten „Burka-Diskussion“ bewusst gewesen, dass dies nur der Auftakt für die Diskussion über ein Kopftuchverbot sei.

„Was sich hier als Integrations-Maßnahme tarnt, ist ein destruktiver Schlag ins Gesicht für all jene, die sich tagtäglich unermüdlich für eine positive und gelungene Integration von Minderheiten in Österreich einsetzen.“ Der Plan der Regierung greife in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein. Ihnen würde vorgeschrieben, „wie wenig oder wieviel sie von ihrem Körper zeigen dürfen, und ihnen ansonsten mit strukturellem Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt“ gedroht.

Vollverschleierung wird verboten

Neben dem Neutralitätsgebot in Teilen des öffentlichen Dienstes soll ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum durchgesetzt werden. Man bekenne sich zu einer offenen Gesellschaft, die auch eine offene Kommunikation voraussetze, heißt es in Arbeitsübereinkommen der SPÖ-ÖVP-Koalition. „Vollverschleierung im öffentlichen Raum steht dem entgegen und wird daher untersagt“, so die beiden Regierungsparteien.

Der Schritt hin zu einem Vollverschleierungsverbot falle der Regierung nicht leicht, sagte Bundeskanzler Kern bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Arbeitsübereinkommens. „Es gibt Argumente dafür und dagegen.“ Vizekanzler Mitterlehner sprach im Zusammenhang mit dem Vollverschleierungsverbot wörtlich von einem „symbolhaften Verbot“, eine offene Gesellschaft brauche „Face-to-Face-Kommunikation“. Auf weitere Details zur Umsetzung gingen die beiden vorerst nicht ein.

religion.ORF.at/KAP/APA

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