„MuslimBan“: Demo von und für muslimische Frauen

Zwischen 2.000 und 3.600 Personen - je nach Schätzung - haben am Samstag an einer Demonstration gegen die Diskriminierung muslimischer Frauen mit Kopftuch in Wien teilgenommen.

Laut Polizeiangabe haben sich mehr als 2.000 Menschen dem Protest der Frauen angeschlossen, die Veranstalterinnen schätzten die Zahl auf fast 4.000, schrieb das Netzwerk Muslimischer Zivilgesellschaft (NMZ) in einer Aussendung vom Sonntag. Mit Parolen wie: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Freiheit raubt“ und „Hey minister, hands off my sister“ begann der Marsch beim Omofuma-Denkmahl am Platz der Menschenrechte, führte am Parlament und an der SPÖ Parteizentrale vorbei und endete vor dem Integrationsministerium.

Integrations- vs. Diskriminierungspaket

Die österreischische Bundesregierung hatte sich in ihrem neuen Regierungsprogramm auf ein Neutralitätsgebot bei uniformierten Exekutivbeamten, Richtern und Staatsanwälten geeinigt, was de-facto ein Kopftuchverbot bedeutet. Muslime reagierten seither mit scharfer Kritik.

„Das ist kein Integrationspaket, das ist ein Diskriminierungspaket,“ sagte die Politikwissenschaftlerin, Autorin und Frauenrechtsaktivistin Ishraga Mustafa in Richtung Sebastian Kurz. Auch die Frauenreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Amina Baghajati, hielt eine Rede. Sie richtete sich an die jungen Frauen: „Ihr habt das Potenzial alles zu werden. Österreich kann gar nicht ohne euch! Wir stehen heute für die Neutralität und für die Pluralität.“

"MuslimBan Austria": Demonstrationsteilnehmer mit Warnwesten und Plakaten.

Dokustelle für Muslime

Zwischen 2.500 und 4.000 Menschen demonstrierten am Sonntag

Nicht nur Muslime Teilnehmer

„Heute hat eine Gruppe von muslimischen Frauen in Österreich erstmalig einen solchen Protest unabhängig von den großen Verbandsstrukturen initiiert und durchgeführt. Wir freuen uns, dass sich uns so viele muslimische wie nicht-muslimische Verbände und Organisationen angeschlossen haben. Wir danken für die Solidarität,“ so Gözde Taskaya vom NMZ.

Besonders hervorgehoben wurde seitens der Organisatorinnen, dass auch Menschen mit anderen Weltanschauungen und Lebensweisen die Demonstration unterstützt hätten und sich mit muslimischen Frauen solidarisch zeigten.

Kritik an Beteiligungen

Diese Tatsache betrachtete der ehemalige grüne Bundesrat Efgani Dönmez kritisch. Unter anderem hatten Vertreter von Atib (verlängerter Arm der türkischen Religionsbehörde), Milli Görüs oder Müsiad (konservativer türkischer Unternehmerverband) mitdemonstriert. Dönmez beklagte via Twitter auch eine „Linkswende“. „Trauriges Schauspiel, dass es nun links ist, gegen den säkularen Staat zu sein“, so Dönmez. Auch, dass junge Mädchen mit Kopftuch zu sehen waren, heißt er nicht gut.

Dass auch konservative Islam-Vertreter mitmarschiert seien, liege in einer Demokratie in der Natur der Sache, sagte Organisatorin Elif Öztürk von der Dokustelle Muslime dem Kurier. „Natürlich schicken wir niemanden weg, der für die Selbstbestimmung der Frauen demonstrieren will. Und wenn es um Vereine geht, denen nachgesagt wird, sie seien patriarchalisch geprägt, dann ist doch gut, wenn ein Fortschrittsgedanke erkennbar ist.“

Mitspracherecht für muslimische Frauen gefordert

Die Demonstration unter dem Motto „Mein Körper, mein Recht auf Selbstbestimmung“ lief friedlich ab. Man habe damit „ein Zeichen gegen die geplante, gesetzliche Diskriminierung von sichtbaren Musliminnen und für die Gleichbehandlung aller Menschen gesetzt“, so das NMZ. „Die muslimische Frau darf nicht zu einem Objekt ohne Mitspracherecht degradiert werden, sie ist fähig ihre Anliegen selbst zu vertreten.“

Öztürk sagte in ihrer Rede: „Es gab Zeiten, in denen Frauen die Fähigkeit rational handeln zu können, abgesprochen wurde. Es musste lange gekämpft werden bis Frauen an ihrer Professionalität und Qualität gemessen wurden. Es ist ein Rückschritt, wenn wir ähnliche Debatten nochmal führen.“

Deniz Eroglu-Koc vom Jugendrat der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich zeigte sich via Aussendung erfreut, "dass die Führung der Frauen in der Community so gut akzeptiert wurde und die Männer sich mit uns solidarisch gezeigt haben, uns in unseren Anliegen zu unterstützen. Wir haben uns heute nicht nur für muslimische Frauen eingesetzt, sondern für alle Frauen und dafür, dass sie ihr Leben selbst bestimmen dürfen,“ so Eroglu-Koc.

religion.ORF.at

Mehr dazu:

Integrationspaket: „Schlag ins Gesicht“ für Muslime
(religion.ORF.at; 30.1.2017)
Frauenbeauftragte: Kopftuch ist für Mündige
(religion.ORF.at; 2.2.2017)

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