Missbrauchsopfer verlässt Vatikan-Kommission

Aus „Frustration“ über mangelnde Kooperationsbereitschaft vatikanischer Behörden ist das irische Missbrauchsopfer Marie Collins aus der von Papst Franziskus gegründeten Kinderschutzkommission ausgetreten.

In Collins’ auf der katholischen Nachrichten-Website National Catholic Reporter publiziertem Rücktrittschreiben erklärt sie ihre Beweggründe und wirft den Behörden der römischen Kurie mangelnde Zusammenarbeit vor: „Es ist vernichtend, im Jahr 2017 zu sehen, wie diese Männer noch immer andere Interessen vor die Sicherheit von Kindern (...) stellen können.“

„Mangel an Zusammenarbeit“

Den „Mangel an Zusammenarbeit“, besonders der am meisten mit den Missbrauchsfällen befassten Behörde, bezeichnet Collins als „beschämend“. Die aus Dublin stammende Anti-Pädophilie-Aktivistin war in den 1960er Jahren von einem römisch-katholischen Priester sexuell missbraucht worden und engagiert sich seit längerem für einen besseren Schutz von Kindern in der katholischen Kirche.

Im Detail führt Collins in ihrem Schreiben die Gründe für ihren Rücktritt an: Ein Mangel an Ressourcen, unangemessene Strukturen, zu langsames Vorankommen und eine „Kultur der Gegenwehr“. „Das größte Problem war der Widerwille einiger Mitglieder der vatikanischen Kurie, die Empfehlungen der Kommission umzusetzen, trotz der Zustimmung durch den Papst“, kritisiert Collins.

Marie Collins, ehemaliges Mitglied der päpstlichen Opferschutzkommission. Selbst Missbrauchsopfer

Reuters/Tony Gentile

Marie Collins trat aus Frust aus der päpstlichen Kinderschutzkommission aus

„Vergangenes Jahr hat der Papst auf unser Ersuchen hin alle Abteilungen des Vatikans angewiesen dafür zu sorgen, dass sämtliche Zuschriften von Opfern und Überlebenden (von Missbrauch, Anm.) beantwortet werden. Durch einen Brief von der zuständigen Behörde letzten Monat weiß ich jetzt, dass sie verweigern, das zu tun“, schriebt Collins.

Schöne Worte, gegensätzliche Handlungen

Sie finde es „unmöglich, öffentlichen Aussagen der Kirche über die tiefe Sorge über jene, deren Leben durch Missbrauch zerstört wurden, zuzuhören, und gleichzeitig persönlich zu erleben, wie die Kongregation im Vatikan sich weigert, auch nur ihre Briefe zu lesen!“ Das sei ein Symbolbild dafür, wie „diese ganze Missbrauchskrise in der Kirche gehandhabt wurde: mit schönen Worten in der Öffentlichkeit und gegensätzlichen Handlungen hinter geschlossenen Türen“, so Collis. „Ich fühle, dass ich keine andere Möglichkeit habe, als zurückzutreten, um mir meine Integrität zu bewahren.“

An Papst Franziskus übte sie zwar keine direkte Kritik, doch lässt sie in ihren Schreiben durchblicken, er habe sich auch nicht ausreichend für ihr Arbeit interessiert: "Während der letzten drei Jahre habe die „nie die Möglichkeit gehabt, mich mit dem Papst zusammenzusetzen und zu reden“, schreibt Collins.

Kein Missbrauchsopfer mehr in Kommission

Mit ihrem Rücktritt gehört der nun 16 Mitglieder umfassenden Kommission kein Missbrauchsopfer mehr an. Das zweite Missbrauchsopfer in dem Gremium, der Brite Peter Saunders, war im Vorjahr freigestellt worden, weil er sich kritisch über den hochrangigen australischen Kardinal George Pell geäußert hatte, der in seiner Heimat im Zentrum einer Untersuchungskommission um Missbrauch in der Kirche stand.

„Ich bin ‚beurlaubt‘, weil ich zu offen rede“, sagte Saunders im Rahmen der Rücktrittsankündigung von Marie Collins laut einem Korrespondentenbericht der Deutschen Presse-Agentur. In einem dpa-Interview Anfang des Jahres hatte Saunders gesagt, Papst Franziskus sei ein „cleverer Mann“, der sich aber mit „zwielichtigen“ Leuten umgebe.

Weiter Zusammenarbeit

Weiter kündigte die Kommission am Mittwoch an, dass Collins bereit sei, weiter mit dem Gremium zusammenzuarbeiten. „Wir werden auch weiter aufmerksam auf all das hören, was Marie uns über ihre Sorgen mitteilen möchte und werden ihre wichtigen Beiträge als Kommissionsmitglied sehr vermissen“, heißt es in einer Erklärung des Kommissionsvorsitzenden, Bostons Kardinal Sean Patrick O’Malley. Zugleich kündigte O’Malley an, in der nächsten Sitzung der Kommission über Collins’ Beweggründe zu erörtern.

Seit Gründung der Kommission dabei

Collins war Gründungsmitglied und eine der profiliertesten Stimmen der im März 2014 von Papst Franziskus eingerichteten „Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen“. Das Gremium soll Vorschläge für ein wirksameres Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche erarbeiten.

Der Kommission gehören Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Theologen und Juristen an, unter ihnen der deutsche Jesuit Hans Zollner, der das Kinderschutzzentrum der Päpstlichen Universität Gregoriana leitet.

religion.ORF.at/KAP/AFP/APA/dpa

Mehr dazu:

Missbrauch: 1.265 australische Priester beschuldigt
(religion.ORF.at; 7.2.2017)
-Missbrauchskommission hält Pell für unglaubwürdig
(religion.ORF.at; 31.10.2016)

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