Frau im Fokus: Feminismus und Theologie

Die christliche Theologie steht nicht im Ruf, besonders frauenfreundlich zu sein. Anders ihre „Unterdisziplin“, die Feministische Theologie. Sie stellt ganz klar die Frau in den Fokus. In ihren Ausprägungen ist sie freilich überaus vielschichtig.

Feministische Theologie wurzelt in der Frauenbewegung – und die beginnt mit einem blutigen Kapitel der Geschichte: der französischen Revolution. Ganz im Geiste der Aufklärung verkündete 1789 die französische Nationalversammlung die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Der kleine Schönheitsfehler war, dass man die Frauen ausschloss, was diese wiederum auf die Barrikaden brachte.

Mehr Geltung für Frauen

Die Schriftstellerin Marie Olympe de Gouges formulierte daher 1791 die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin und forderte darin nicht weniger als die volle Gleichstellung der Frauen. „Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Mann an Rechten gleich“, schrieb sie - und starb auch dafür zwei Jahre später unter der Guillotine. Es folgte, in mehreren Wellen, eine erstarkende Frauenbewegung.

Die Theologin Susanne Heine

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Die Theologin Susanne Heine

In den 1960er und 1970er Jahren schließlich griff der Feminismus im Zuge der Studentenrevolten auf verschiedene Wissenschaftsgebiete über. Auch die Theologie blieb davon nicht unberührt. Das Ziel einer feministischen Theologie sei es „ganz allgemein, Frauen zur verdienten Geltung zu bringen“, formuliert die Praktische Theologin und Religionspsychologin Susanne Heine gegenüber religion.ORF.at. „In der Bibel ebenso wie in allen anderen theologischen Disziplinen.“

Patriarchat kontra „Heilsgeschichte“

Innerhalb der Feministischen Theologie lassen sich zwei recht konträre Richtungen unterscheiden. Da ist zum einen der religionskritische Ansatz, den es übrigens - wie Heine anmerkt - durchaus auch im Judentum und im Islam gibt. Diesem Ansatz zufolge ist Religion in einem patriarchalen System entstanden und durch die rein männliche Perspektive vollkommen verdorben worden.

Die zweite Richtung sucht im Gegensatz dazu nach einer Art „Heilsgeschichte“ der Frauen. Da wird etwa Jesus Christus als „frauenidentifizierter Mann“ gesehen und eine Art matriarchale Spurensuche in der Bibel vorgenommen, wie Heine sagt. Beispielsweise wird so die Syrophönizierin aus Markus 7,24-30 zu einer Vertreterin des Matriarchats, von der Jesus lernt.

Auf der Suche nach biblischen Frauentraditionen

So richtig glücklich wird Heine mit keiner der beiden Positionen: „Ich halte diese ‚Heilsgeschichte‘ für historisch nicht vertretbar“, sagt die Theologin. Die Religionskritik wiederum nimmt ihr zufolge das Selbstverständnis der Texte nicht ernst. Heine selbst geht davon aus, dass die biblische Überlieferung „selbstverständlich in einer patriarchalen Kultur entstanden ist“. Dennoch gebe es Frauentraditionen in der Bibel und darüber hinaus – und genau diese gilt es demnach aufzuspüren.

Maria Magdalena, Phoebe & Co.

Da ist zum einen die Frühzeit des Christentums. Zahlreiche Indizien und Belege weisen darauf hin, dass Frauen in den frühen christlichen Gemeinden eine andere, eine tragende Rolle spielten. Dass sie wie die Männer lehrten und in den Hausgemeinden gottesdienstliche Funktionen wahrnahmen. Im Römerbrief grüßt Paulus seine Mitarbeiter - darunter auch viele Frauen. Maria Magdalena etwa wurde noch bis ins 3. Jahrhundert hinein als „Apostelin“ bezeichnet.

Das ändert sich jedoch im Laufe der Tradition. Heine verweist hier auf die „Charismathese“ des Soziologen Max Weber. „Am Anfang einer neuen Bewegung werden alle gebraucht – Männer, Frauen, Arme und Reiche. Daher ist das Geschlechterverhältnis egalitär“, so Heine. Doch das bleibt nicht so. „In dem Moment, wo sich Institutionen bilden, werden Frauen wieder zurückgeschickt ins Haus.“

Eine von Paulus genannte Junia wird im Laufe der Tradition zum - vermännlichten - Junius. Und Paulus ist es auch, der eine Frau namens Phoebe in Kenchreä, dem Osthafen von Korinth, weiterempfiehlt. Im griechischen Original wird Phoebe als „diakonos“ bezeichnet. Heine sieht den Begriff ganz klar als einen Amtstitel und Phoebe als Diakonin einer Gemeinde. In manchen Ausgaben wird „diakonos“ jedoch noch immer mit „Dienerin“ übersetzt. Und die Tradition macht aus der Apostelin Maria Magdalena sogar eine reumütige Dirne.

Weibliche Gottesbilder in der Bibel

Besonders spannend wird es, wenn es um die biblischen Gottesbilder geht. Tatsächlich werden hier überwiegend „männliche Vergleiche“ bemüht. Doch wie Heine betont, geht es nicht um die Beschaffenheit Gottes. Gott hat kein Geschlecht, es sind vielmehr Analogien. Es gehe darum, wie Gott handelt, so die Theologin. Zum Beispiel: „Er handelt liebevoll oder ermahnend wie ein Vater.“

Weibliche Gottesbilder sind zwar selten, doch es gibt sie: „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch“, heißt es etwa (Jes 66,13). Es findet sich auch das Gottesbild einer Gebärenden (Jes 42,14) und einer stillenden Mutter (Hos 11,4) und die Analogie zur Bärenmutter, die ihre Jungen verteidigt (Hos 13,8). Gott handelt auch wie eine Henne, die ihre Küken beschützend unter ihre Flügel nimmt (Ps 17,8-9).

Eine textgetreue feministische Exegese, so Theologin Heine, sucht vor allem nach solchen Texten, die eine Gleichstellung der Geschlechter aussagen. Schon in der Genesis heißt es schließlich: „Gott schuf den Menschen (...) als Mann und Frau.“ Und in Jesus Christus sind sämtliche vermeintlichen Unterschiede aufgehoben: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer‘ in Christus Jesus“ (Gal 3,28).

Wirkung auf die (kirchliche) Praxis

So viel also zur Theorie. Doch welche praktischen Folgen hat die Feministische Theologie? Eine einschneidende Veränderung war die Ordination von Frauen in den lutherischen Kirchen. Die katholische Kirche tut sich mit diesem Thema bekanntermaßen bis heute sehr schwer. Der letzte „Aufreger“ war diesbezüglich im Sommer 2016 die Einrichtung einer Prüfkommission zum Frauendiakonat durch den Papst. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.

Doch wie Heine deutlich macht, ist auch die lutherische Frauenordination eine recht junge Errungenschaft, die es zu bewahren gilt. Sofern sie überhaupt praktiziert wird. Denn das tut nur etwa die Hälfte der lutherischen Kirche weltweit. In Österreich sind Pfarrerinnen übrigens erst seit 1980 ihren männlichen Kollegen rechtlich völlig gleichgestellt.

Außerdem könne die Frauenordination qua Synodalbeschluss auch rückgängig gemacht werden, erinnert die Theologin. So geschehen erst im vergangenen Jahr in Lettland. Der Internationale Frauentag am 8. März soll und darf also durchaus ein Anlass sein, sich die Rolle und Stellung der Frauen im Kontext der Religion(en) einmal mehr kritisch vor Augen zu führen.

Sabine Aßmann, für religion.ORF.at

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