Irland: Entsetzen über Kinderleichen in früherem Heim

Nach dem Fund von Überresten Hunderter Kinderleichen auf dem Gelände eines ehemaligen Mutter-Kind-Heims der katholischen Kirche im irischen Tuam haben Vertreter aus Politik und Kirche Entsetzen geäußert.

Der Erzbischof von Tuam, Michael Neary, zeigte sich am Sonntag schockiert von der Größenordnung des Funds. Die Vereinigung katholischer Priester Irlands (ACP) sprach von „Traurigkeit und Scham“. Als Priester seien sie Teil einer Institution, die in dieser traurigen Angelegenheit eine zentrale Rolle gespielt habe.

Frage, wer für „Entsorgung“ verantwortlich war

Die zuständige Untersuchungskommission hatte am Freitag bekanntgegeben, es handle sich bei den Überresten um Föten sowie um Kinder im Alter von bis zu drei Jahren. Der Todeszeitpunkt lasse sich auf den Zeitraum zwischen 1925 und 1961 eingrenzen, in dem das Mutter-Kind-Heim betrieben wurde; ein Teil der Überreste stamme mutmaßlich aus den 1950er-Jahren. Näheres wolle man in weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen klären. Man gehe zudem der Frage nach, „wer verantwortlich war für die Entsorgung menschlicher Überreste in dieser Art“.

796 Totenscheine, eine Bestattung

Das ehemalige St. Mary’s Mother and Baby Home in Tuam geriet 2014 international in die Schlagzeilen. Die Lokalhistorikerin Catherine Corless hatte ermittelt, dass für den Zeitraum zwischen 1925 und 1961 in dem Heim, betrieben vom katholischen Frauenorden der Bon-Secours-Schwestern, 796 Totenscheine für Babys und Kleinkinder ausgestellt worden waren. Im gleichen Zeitraum gab es jedoch lediglich eine beurkundete Bestattung. Die meisten Kinder waren laut den Ermittlungen Corless’ Krankheiten wie Tuberkulose, Masern, Keuchhusten oder Grippe erlegen.

Extrem hohe Kindersterblichkeit

Seit Anfang 2015 arbeitet eine Untersuchungskommission Vorgänge aus 14 irischen Mutter-Kind-Heimen im Zeitraum von 1922 bis 1998 auf. Während dieser Zeit lebten rund 35.000 Frauen in solchen Einrichtungen. Meist handelte es sich um unverheiratete Schwangere, die dort ihre Kinder zur Welt bringen sollten. Im katholischen Irland wurden diese Frauen lange ausgegrenzt. Mitunter mussten sie in den Einrichtungen Zwangsarbeiten verrichten; die Sterblichkeitsrate der Kinder war Medienberichten zufolge unverhältnismäßig hoch.

Erzbischof Neary betonte am Sonntag, eine würdige Bestattung der sterblichen Überreste müsse nun Priorität haben. Die Ergebnisse der Kommission seien „ein weiterer notwendiger Schritt auf dem Weg zur Wahrheit“. Seine Erzdiözese werde die Arbeit der Experten in jeder möglichen Weise weiter unterstützen, auch wenn sie selbst an den Vorgängen nicht beteiligt gewesen sei.

Kirche übernimmt Verantwortung

Die Vereinigung katholischer Priester in Irland betonte, die Kirche müsse aufgrund der herausgehobenen Position, die sie zum Zeitpunkt des Geschehens in dem katholisch geprägten Land inne gehabt habe, einen großen Teil der Verantwortung übernehmen. Zwar hätten Schwangerschaften unverheirateter Frauen in der gesamten Gesellschaft als inakzeptabel gegolten - Priester hätten jedoch durch Ratschläge an Eltern und eine öffentliche Verurteilung die Mutter-Kind-Heime häufig als einzige Option erscheinen lassen.

Die irische Ministerin für Kinder und Jugend, Katherine Zappone, zeigte sich betroffen: „Das sind sehr traurige und beklemmende Nachrichten.“ Es habe allerdings schon länger Gerüchte gegeben, dass auf dem Gelände des Heims menschliche Überreste zu finden seien.

Der Frauenorden der Bon-Secours-Schwestern, der das Heim betrieben hatte, teilte mit, man arbeite vollumfänglich mit der Untersuchungskommission zusammen. Den Fund an sich kommentierte der Orden nicht.

religion.ORF.at/KAP/KNA