Ungarn: Zwei Bischöfe kritisieren Flüchtlingspolitik

In Ungarn haben sich zwei Bischöfe nuanciert-kritisch gegenüber Premier Viktor Orban geäußert und eine Mäßigung der flüchtlingsfeindlichen Rhetorik sowie eine Änderung der Politik gefordert.

Es handelt sich um Miklos Beer (Diözese Vac) und Janos Szekely (Weihbischof in Budapest). Die Orban-Regierung hatte zuletzt beschlossen, dass Asylbewerber künftig in Internierungslagern in Gestalt umzäunter Container-Burgen festgehalten werden müssen.

Gleichzeitig versucht Orban, Kritik aus den Kirchen abzublocken, indem er die Verpflichtung seiner Regierung betont, Europas christliches Erbe zu beschützen. In Ergänzung richtete er Europas erstes Staatssekretariat zum Schutz verfolgter Christen ein; Budapest konnte in der Folge prominente orientalische Kirchenführer bei Veranstaltungen des Sekretariats begrüßen. In der harten Haltung gegenüber Flüchtlingen gibt es von Regierungsseite allerdings kein Einlenken.

Wahrheiten im Gleichgewicht halten

Gegenüber dem regierungskritischen ungarischen Nachrichten Fernsehsender „Hir TV“ sagte Weihbischof Szekely am Wochenende, die katholische Kirche müsse versuchen, zwei Wahrheiten im Gleichgewicht zu halten. Einerseits hätten auch Migranten Pflichten, das heißt, sich anzupassen und Gesetze einzuhalten. Andererseits müsse sie denen helfen, „die in ihrer Heimat nicht mehr leben können und deshalb die Flucht ergreifen“.

Wörtlich sagte Szekely: „Wir Christen müssen das Mögliche tun, auch wenn das manchmal nicht viel ist. Helfen wir vor allem jenen Menschen, die sich bereits in Ungarn aufhalten. Es geht hier um einige hundert Menschen, von denen bereits vielen Asyl gewährt wurde bzw. deren Asylantrag noch bearbeitet wird. Versuchen wir wenigstens, denen zu helfen. Gott sei Dank gibt es immer mehr, die mitmachen - sei es mit Unterkunft oder Sicherung eines Arbeitsplatzes.“

Laut amtlichen Angaben wurden im letzten Jahr 154 Asylanträge anerkannt und etwa 200 Antragsteller temporär unter Schutz gestellt. Gleichzeitig wurden aber 50.000 Asylverfahren eingestellt.

„Christ“ wird unterschiedlich verstanden

Der Diözesanbischof von Vac, Miklos Beer startete im Februar dieses Jahres eine regelrechte Bewegung, als er dazu aufrief: „Jeder, der in der Lage ist, soll einem Migranten beistehen.“ Wichtig sei, einen Flüchtling persönlich kennenzulernen, um zu erfahren, was die Beweggründe seiner Flucht waren. „Wenn wir ihr persönliches Schicksal verstehen, hätten wir auch weniger Angst vor ihnen“, so Beer.

In einem anderen Interview, das er der unabhängigen liberalen Wirtschaftswochenzeitung HVG gab, sagte Beer, es gebe Punkte, in denen er mit Ministerpräsidenten Viktor Orban einer Meinung sei. Mit der Flüchtlingspolitik des Kabinetts sei er jedoch nicht einverstanden. Sehr zu bedauern sei, dass in diesem Punkt viele auch den Papst kritisierten. „Politiker verstehen eben unter dem Begriff ‚Christ‘ etwas anderes als gläubige Menschen“, sagte der Bischof.

Miklos-Radnoti-Menschenrechtspreis für Beer

Beer erhielt am Montagabend in Budapest den angesehenen Miklos-Radnoti-Menschenrechtspreis. Die Anerkennung wird für Verdienste zur Unterstützung verfolgter Menschen verliehen. Sie erinnert an den gleichnamigen bedeutenden ungarischen Dichter jüdischer Abstammung, der in Arbeitslager in Serbien verschleppt wurde und auf einem langen zwangsweisen Fußmarsch Richtung Westungarn 1944 von ungarischen Pfeilkreuzlern erschossen wurde.

Praktische Lösungen finden

Bischof Beer sagte nach der Preisverleihung im Interview mit dem Privatsender „Klub Radio“, er wolle erneut zur Unterstützung von Flüchtlingen aufrufen. „Was ich tue, ist nur ein Zeichen, es folgt nur dem Grundprinzip meines christlichen Glaubens.“ Er selbst nahm drei Migranten auf, die bereits studieren, Ungarisch lernen und auf dem besten Wege sind, sich zu integrieren.

Beers Gruppe arbeitet eng mit der Initiative „Kalunba“ zusammen, die von früheren Mitgliedern der Reformierten Hilfsmission gegründet wurde. „Kalunba“ will - anders als die Führung der reformiert-kalvinistischen Kirche - die offizielle Flüchtlingspolitk nicht mittragen. Der Gründer der Bewegung, Balazs Acsai, sagte dem Fernsehsender „Hir TV“ gegenüber: „Sinn unserer Tätigkeit ist es, wenn wir praktische Schwierigkeiten sehen nach praktischen Lösungen zu suchen. Hat jemand zum Beispiel kein Dach über dem Kopf, sorgen wir für eine Unterkunft. Sollten Flüchtlingen nicht Ungarisch sprechen, dann bringen wir ihnen das bei.“

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Ungarn: Klage über fehlende Menschlichkeit bei Asyl
(religion.ORF.at; 24.2.2017)
Ungarn: Alle Pfarrgemeinden sollen Flüchtlingen helfen
(religion.ORF.at; 20.2.2017)

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