Stephansdom: „Riesenorgel“ wird instand gesetzt

Die „Riesenorgel“ des Wiener Stephansdoms wird wieder instand gesetzt und spielbar gemacht. Der offizielle Startschuss für das Projekt zur Erneuerung des größten Musikinstruments Österreichs fällt in der Karwoche.

Die seit 1991 stillgelegte größte Orgel Österreichs, auch als Kauffmann-Orgel bekannt, werde in den kommenden drei Jahren mit großem Aufwand von Grund auf restauriert und teilerneuert, kündigte Domkapellmeister Markus Landerer am Mittwoch im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress an.

Einweihung für 2020 geplant

Am Ostersonntag 2020 soll die neue Riesenorgel auf der Westempore des Doms wieder eingeweiht werden - auf den Tag genau 75 Jahre nachdem ihre Vorgängerin, die Alte Riesenorgel, beim großen Dombrand in Österreichs Hauptstadtkathedrale am Ende des Zweiten Weltkriegs völlig zerstört worden ist.

Die Kauffmann-Orgel im Stephansdom

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Die Kauffmann-Orgel im Stephansdom

Begonnen werden soll in der Karwoche mit der Vertragsunterzeichnung durch die mit den Arbeiten beauftragte Vorarlberger Orgelbaufirma Rieger. Ihre Experten werden ab November 2017 die gesamte Orgel, die der Wiener Orgelbauer Johann M. Kauffmann (1910 - 1965) ab 1956 in vierjähriger Bauzeit errichtet hat, bis auf das Gehäuse abbauen und restaurieren.

Ein Großteil der 10.000 Orgelpfeifen wird nach Vorarlberg gebracht, überprüft und gesäubert. Vom vorhandenen Pfeifenbestand soll möglichst viel wiederverwendet werden. Technisch wird die Orgel völlig erneuert; damit einher geht eine Neuaufstellung der Pfeifenreihen, die Schwierigkeiten mit der Akustik beheben soll.

Der Wiederaufbau der Riesenorgel ist laut den Plänen ab 2019 vorgesehen. Die in den 1950er Jahren von Dombaumeister Kurt Stögerer (1923 - 1992) entworfene beeindruckende Schauseite der denkmalgeschützten Kauffmann-Orgel wird danach wieder strahlen.

Innenleben besser positioniert

„Der tolle Anblick des Orgelprospekts mit dem wunderbaren Glasfenster dahinter wird unverändert sein, aber das Innenleben der Orgel wird zum großen Teil auf den Kopf gestellt und akustisch günstiger positioniert“, schildert Domkapellmeister Landerer das Vorhaben. Wesentlicher Teil des Instandsetzungskonzepts ist nämlich eine überarbeitete Aufstellung der Orgelregister.

„Die Pfeifen werden anders aufgestellt, damit sie besser in den Raum abstrahlen können“, so Landerer. Der Stephansdom bekomme damit wieder eine Domorgel, die klanglich den gesamten Kirchenraum füllt.

Bisher ungekannte Klangwirkungen

In die Erneuerung eingebunden ist auch die 1991 errichtete kleinere Domorgel im rechten Seitenschiff der Kathedrale. Sie wird so adaptiert, dass künftig beide Orgeln von einem Spieltisch aus bedient werden können. Dadurch kann der Kirchenraum aus unterschiedlichen Richtungen zum Klingen gebracht werden. „Es werden Klangwirkungen hörbar sein, die man bisher nicht gekannt hat“, so Landerer. Der Stephansdom werde dann im Bereich der Orgel wieder mit anderen bedeutenden Kathedralkirchen der Welt gleichgestellt sein.

Die Instandsetzung der Riesenorgel schließe auch die letzte große Wunde, die der Dombrand 1945 gerissen hat, wie der Domkapellmeister betont. Finanziert wird das vom Domkapitel in Zusammenarbeit mit dem Verein Unser Stephansdom getragene Projekt wie beim Wiederaufbau des Doms nach dem Weltkrieg durch private Spenden und staatliche Gelder.

Nach Angaben Landerers haben alle österreichischen Bundesländer und der Bund bereits zugesagt, einen Teil der Renovierungskosten von 2,6 Millionen Euro zu finanzieren. Mehr als ein Drittel der Summe wird das Domkapitel von St. Stephan aufbringen müssen. Dazu ist auch eine Spendenkampagne geplant.

Aus dem Jahr 1886

Die Alte „Riesenorgel“ der Firma Walcker aus dem Jahr 1886 - sie ist nach ihrem Standort auf der Westempore des Stephansdoms direkt über dem Hauptportal der Kathedrale (Riesentor) benannt - wurde beim Dombrand 1945 völlig zerstört. Ab 1956 erbaute Johann M. Kauffmann eine neue Riesenorgel mit vier Manualen, 125 Registern und 10.000 Pfeifen.

Das Innere des Wiener Stephansdoms

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Wiener Stephansdom

Der damalige Wiener Erzbischof Kardinal Franz König (1905 - 2004) und der Kölner Kardinal Josef Frings (1887 - 1978) weihten die Orgel mit ihrer beeindruckenden Schauseite (Prospekt) im Oktober 1960 bei einem großen Festgottesdienst ein.

Unbefriedigende Akustik

Schon bald wurden jedoch Stimmen laut, die kritisierten, dass die akustische Qualität der Orgel unbefriedigend sei. Ein Grund dafür war wohl, dass ihre Register aufgrund der Platzverhältnisse auf der Westempore nicht ideal aufgestellt werden konnten.

Weil beim Dombrand 1945 auch die Musikempore im vorderen Teil der Kathedrale verbrannte, musizierte die gesamte Dommusik mit Chor und Orchester später auf der Westempore, erklärt Domkapellmeister Landerer. Unter diesen Vorzeichen und den damals verfügbaren technischen Möglichkeiten musste Orgelbauer Kauffmann zu einem speziellen Platzkonzept greifen.

Dessen Folge sei gewesen, dass der Orgelklang nicht in den Kirchenraum gelangte: „Die Orgel hat den Dom nicht gefüllt, obwohl sie sehr schöne Register und schöne Klänge hatte“, so Landerer.

Neues Konzept

1991 wurde im südlichen (rechten) Seitenschiff nahe der Vierung eine neue Domorgel mit 55 Registern auf vier Manualen errichtet, mit der seither Gottesdienste im Stephansdom musikalisch gestaltet werden. Die Kauffmann-Orgel auf der Westempore wurde nicht mehr verwendet.

Schon seit Jahren habe man überlegt, was man mit der unter Denkmalschutz stehenden, jedoch unbespielbaren Riesenorgel machen könne, erzählt Landerer, der seit 2007 die Dommusik am Stephansdom leitet. Sechs internationale Orgelbauer haben schließlich Konzepte für den Bau einer wieder klang- und raumfüllenden Domorgel entworfen und eingereicht. 2014 wurde die Riesenorgel mit großem technischen Aufwand für eine Nacht in Betrieb genommen, um Akustikexperimente durchzuführen.

Steinbogen als akustische Barriere

Eine akustische Barriere für den Orgelklang ist ein großer, zwischen den beiden Heidentürmen auf der Stephansdom-Westfassade gelegener Steinbogen. Im Riesenorgel-Konzept der Orgelbaufirma Rieger, das nun umgesetzt wird, werden die wichtigsten Teile der Orgel vor diesen Bogen gestellt und nicht wie derzeit dahinter. Zusätzlich zur Umpositionierung der Register bekommt die erneuerte Riesenorgel auch ein vom Kirchenraum aus nicht sichtbares Gehäuse, damit der Klang besser abstrahlt und das Instrument vor Verschmutzung geschützt ist.

Erste Töne aus der Riesenorgel werden erstmals Mitte 2019 zu hören sein, wenn die mehrmonatigen Arbeiten zur Intonation des Instruments beginnen. Läuft alles nach Plan, findet am Ostersonntag, 12. April 2020 - exakt am 75. Jahrestag des Dombrands von 1945 - die Orgelweihe statt.

religion.ORF.at/KAP

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