Studie: Religion in Osteuropa im Aufwind

Gut ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Auflösung der Sowjetunion sieht eine Studie die Religionen in Zentral- und Osteuropa wieder im Aufwind.

In vielen zentral- und osteuropäischen Ländern, wo das kommunistische Regime Gottesverehrung über Jahrzehnte unterdrückt hatte, ist es der Religion gelungen, wieder zu erstarken, wie eine Studie des Pew Research Center ergab. Die Umfrage war zwischen Juni 2015 und Juli 2016 mit Interviews in 17 verschiedenen Sprachen mit 25.000 durchgeführt worden.

Befragt wurden Erwachsene über 18 Jahre in 18 Ländern: in Armenien, Weißrussland, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Georgien, Griechenland, Ungarn, Lettland, Litauen, Moldawien, Polen, Rumänien, Russland, Serbien und der Ukraine.

Orthodoxe stellen Mehrheit

Orthodoxe Christen stellen die Mehrheit in der untersuchten Region, so die Studie, Katholiken die zweitgrößte religiöse Gruppe. Insgesamt würden sich geschätzte 57 Prozent als orthodox bezeichnen. Große orthodoxe Mehrheiten gibt es demnach in zehn der Länder: in Russland, der Ukraine, Griechenland, Rumänien, Weißrussland, Bulgarien, Serbien, Georgien, Armenien und Moldawien. Orthodoxe Christen als große Minderheit weisen Bosnien (35 Prozent), Lettland (31 Prozent) und Estland (25 Prozent) auf.

Basilius-Kathedrale in Moskau

Reuters/Maxim Zmeyew

Basilius-Kathedrale in Moskau

Katholiken machen demnach etwa 18 Prozent der Bevölkerung in den behandelten Ländern aus, wobei Polen, Kroatien, Litauen und Ungarn katholische Mehrheiten aufweisen.

Die nächstgrößte Gruppe mit 14 Prozent machen die konfessionell Ungebundenen aus. Darunter befinden sich Menschen, die sich als Atheisten sehen, Agnostiker und solche, die „nichts Bestimmtes“ glauben. In der Tschechischen Republik stellt diese Gruppe die Mehrheit (72 Prozent), in Estland sind es 45 Prozent.

Abstieg bei Katholiken

Die Studie zeigt auch einen starken Anstieg bei den orthodoxen Christen und einen Abstieg bei den Katholiken auf: So stieg der Anteil der Russen, die sich als orthodoxe Christen bezeichnen, von 37 Prozent im Jahr 1991 auf 71 Prozent im Zeitraum der Umfragen. Ähnliche Muster zeichnen sich laut Pew Research Center in der Ukraine und in Bulgarien ab.

Gleichzeitig verzeichneten traditionell katholische Länder in Zentral- und Osteuropa einen gegensätzlichen Trend: Der katholische Anteil der Bevölkerung in Polen, Ungarn und Tschechien ist seit 1991 laut der Studie leicht gesunken.

86 Prozent gottgläubig

Im Durchschnitt bezeichneten sich 86 Prozent der Befragten in allen 18 Ländern als gottgläubig. In Georgien waren es 99 Prozent, in Armenien, Rumänien und Moldawien 95 und in Bosnien 94 Prozent „Gottgläubige“. Die großen Ausnahmen hier sind Tschechien und Estland: In beiden Ländern gab weniger als die Hälfte (Tschechien: 29, Estland: 44 Prozent) der Befragten an, an einen Gott zu glauben.

Grafik Religionen in Zentral- und Osteuropa

Pew Research Center

Das Pew Center stellte auch Fragen über die Einstellung der Interviewten zu Themen wie etwa die Beziehungen zwischen Staat und Religion. Daraus ergab sich, dass Menschen in Ländern mit einer orthodoxen Mehrheit eher - zu rund einem Drittel - zu der Ansicht neigen, dass ihre Regierungen die Verbreitung religiöser Werte und Lehren durch die jeweils dominante Nationalkirche unterstützen und diese finanziell unterstützen sollten.

Sehr hoch war die Zustimmung dazu in Armenien (59 Prozent) und Georgien (52 Prozent). Hingegen war die Zustimmung zu einer solchen Unterstützung durch den Staat in vorwiegend katholischen Ländern wie Polen, Kroatien und Ungarn zurückhaltend: Hier meinte eine Mehrheit im Gegenteil, dass Religion getrennt von Regierungspolitik gehalten werden sollte.

Orthodoxe konservativer

Orthodox dominierte Länder sind laut Studie auch konservativer als vorwiegend katholische. So gaben 85 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer im orthodox geprägten Russland an, „homosexuelles Verhalten“ sei „moralisch falsch“. Selbst unter den konfessionell ungebundenen russischen Befragten äußerten drei Viertel diese Meinung. Im Vergleich dazu sagte nur etwa die Hälfte (48 Prozent) der Befragten im katholisch dominierten Polen, „homosexuelles Verhalten“ sei „moralisch falsch“.

Viele in orthodox dominierten Ländern weisen Frauen traditionelle Rollen zu: Dort finden mehr Menschen als in anderen Ländern etwa, dass Frauen eine „soziale Verantwortung“ haben, Kinder zu gebären und dass sie ihren Ehemännern gehorchen müssten. Etwa vier von zehn Befragten der meisten vorwiegend orthodoxen Länder sagte auch, dass im Fall hoher Arbeitslosigkeit Männer mehr Anrecht auf Jobs haben sollten als Frauen.

religion.ORF.at

Mehr dazu:

Link: