Schönborn: „Amoris laetitia“ fokussiert auf Situation

Beim Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen hat die „Unterscheidung der Situationen“ - ein Begriff, der aus der ignatianischen Theologie kommt - eine zentrale Bedeutung, so Kardinal Christoph Schönborn.

Das sagte Schönborn am Donnerstag bei einem Pressegespräch am Rande der Familienpastoraltagung der Irischen Bischofskonferenz in Limerick. Er habe diese Position bei der Präsentation des - innerkirchlich mehrheitlich angenommenen - Papstschreibens „Amoris laetitia“ im April 2016 ausführlich dargelegt, so Schönborn.

Anderer Meinung als Müller

Dass seine Interpretation vom früheren Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, vergangene Woche als „wenig überzeugend“ abgetan worden sei, nehme er zur Kenntnis, so der Wiener Erzbischof: „Es ist meine Überzeugung. Ob sie andere Leute teilen, bleibt ihnen überlassen.“

Kardinal Schönborn kritisierte in dem Pressegespräch die sogenannten „Dubia-Kardinäle“, die den Papst mit fünf Zweifeln („dubia“) zu „Amoris laetitia“ konfrontiert hatten und ihn öffentlich um eine Audienz ersuchten. „Kardinäle, die ja engste Mitarbeiter des Papstes sein sollten, versuchen da, ihn zu etwas zu zwingen und Druck auf ihn auszuüben, um eine öffentliche Antwort auf ihren Offenen Brief zu erhalten. Das ist ein absolut ungebührliches Verhalten“, sagte er, und weiter: „Wenn sie eine Audienz mit dem Papst haben wollen, dann sollen sie um eine Audienz bitten. Aber dann veröffentlicht man nicht, dass man um eine Audienz gebeten hat“, fügte er hinzu.

Prinzipien nie in Frage gestellt

Grundsätzlich sei zu sagen, dass die Ehelehre der Kirche für gültige Ehen die Unauflöslichkeit festhalte. „Papst Franziskus hat die Prinzipien nie in Frage gestellt. Diese Prinzipien sind solche der Bibel und des Evangeliums, der Lehre Jesu. Aber diese Feststellung ist nicht eine Antwort auf alle Einzelfälle und Situationen, die wir im Alltag zu bewältigen haben.“

Schönborn betonte, der Papst habe in „Amoris laetitia“ sehr klar gesagt, „dass wir in der Praxis die Unterscheidung ausüben müssen. Wir müssen die Tugend der Klugheit ausüben, und das bedeutet, die Realität mit klarem Blick zu betrachten.“ Auch Papst Johannes Paul II. habe in seinem Schreiben „Familiaris Consortio“ ermahnt, dass „die Hirten verpflichtet sind, Situationen in ihrer Verschiedenheit zu erkennen“.

Irland „zwischen Tradition und Zeitgeist“

In der Gratiszeitung „Heute“ schrieb Kardinal Schönborn in seiner Freitagskolumne, er sei über seinen aktuellen Irland-Besuch dankbar. Ihn bewege das, was Europa Irland verdanke, etwa die Missionsbewegung der irischen Mönche. Diese hätten „mit dem christlichen Glauben auch unschätzbare Werte der Kultur und der Zivilisation in unsere Länder gebracht“.

Die kleine Insel habe aber auch viel erlitten, „Jahrhunderte der Unterdrückung und Ausbeutung durch England“ sowie die große Hungersnot nach 1841, der über eine Million Menschen zum Opfer fielen. Fast zwei Millionen Menschen seien zur Auswanderung gezwungen worden, um zu überleben. Heute sei Irland zwar wirtschaftlich erfolgreich, auch dank der EU, „aber seelisch sucht es noch seinen Weg zwischen Tradition und Zeitgeist, zwischen christlichen Werten und heutigen Trends“.

religion.ORF.at/KAP

Link: