Glaube versus Evolution: Das Kreuz mit Darwin

Rund 160 Jahre nach der Veröffentlichung von Charles Darwins „Die Entstehung der Arten“ sorgt seine Evolutionstheorie immer noch für Schlagzeilen. Unter den schärfsten Kritikern sind Religionsvertreter, auch wenn sich viele mit Darwin arrangiert haben.

Die Evolutionstheorie sei „veraltet und verfault“ - mit diesem Sager ließ der Sprecher der türkischen AKP-Regierung, Numan Kurtulmus, Anfang des Jahres aufhorchen. Er hatte damals schon angekündigt, was seit Kurzem feststeht: Darwin wird aus dem türkischen Lehrplan gedrängt. Die islamisch-konservative Regierung stellte den neuen Lehrplan kürzlich vor. Internationale Kritik war die Folge.

IGGÖ-Chef „persönlich gegen Theorie“

Wellen schlug die Causa auch in Österreich, weil Ibrahim Olgun, Chef der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), widersprüchliche Aussagen dazu machte. Zuerst sprach er sich gegen die Pläne der türkischen Regierung aus, später ruderte er in einer Stellungnahme gegenüber einem türkischsprachigen Onlinemagazin zurück.

Darauf angesprochen erklärte die IGGÖ, Olgun sei für die Behandlung der Lehre in den Schulen, aber persönlich gegen die Evolutionstheorie. Ihm wird vorgeworfen, auf Zuruf der AKP zurückgerudert zu sein. Die Glaubensgemeinschaft sagte, Olgun habe sich beim ersten Mal nur missverständlich ausgedrückt.

Fotografie von Charles Darwin, 1868, aufgenommen von Julia Margaret Cameron

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Charles Darwin (1809 - 1882) ist immer noch umstritten

Evangelikale gegen Darwin

Es ist kein neues Phänomen, dass gläubige Menschen und religiöse Vertreter der Evolutionstheorie ablehnend gegenüberstehen: Lieferte Darwin doch eine natürliche Erklärung für das Universum, das Leben und den Menschen, und keine göttliche. Es war eine Abkehr von der Schöpfungslehre, denn die Hypothese eines planendes Gottes findet sich in dieser Theorie nicht. Dass alle Organismen sich über Generationen hinweg entwickeln, und zwar ohne feste Artgrenzen durch den Prozess von Selektion und Mutation, wie Darwin im 19. Jahrhundert erklärte, ist für viele Menschen nicht in Stein gemeißelt.

Auch in den USA ist die Evolutionstheorie umstritten - besonders bei evangelikalen Protestanten. Eine Umfrage der Rice-Universität in Houston aus dem Jahr 2014 ergab, dass von etwa 2.000 Evangelikalen 43 Prozent den Kreationismus vertreten und auch mehr als 40 Prozent wollen, dass er in den Schulen anstatt der Evolutionstheorie gelehrt wird.

Spielarten des Kreationismus

Es gibt zwei Spielarten des Kreationismus, sagte Ulrich Körtner, Theologe an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, zu religion.ORF.at. Zum einen jene Kreationisten, die ein vormodernes Geschichtsbild vertreten: Sie nehmen die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich, gehen davon aus, dass ein göttlicher Schöpfer den Menschen und alles Leben geschaffen hat und die Erde erst einige tausend und nicht Milliarden Jahre alt ist.

Ulrich Körtner

ORF

Ulrich Körtner

Schöpfung im Biologieunterricht

Zum anderen gibt es jene Kreationisten - sie werden oftmals als Neokreationisten bezeichnet -, die Anhänger des Intelligent-Design-Konzepts sind. Sie glauben, dass es einen Schöpfer, eine planvolle Intelligenz gibt, „die zielgerichtet diese Lebewesen“ erschaffen hat, sagte Körtner. Sie sind der Ansicht, bestimmte Vorkommnisse in der Natur ließen sich mit der Evolutionstheorie und den Kenntnissen der modernen Genetik nicht erklären.

Die Kreationisten argumentieren, dass es sich beim Intelligent Design um eine wissenschaftliche Theorie handelt und verlangen, zum Teil mit Erfolg, dass sie in den USA zumindest gleichwertig mit der Evolutiontheorie gelehrt wird - und zwar im Biologieunterricht. Ein prominenter Anhänger ist Mike Pence, Vizepräsident der USA und Evangelikaler.

Russisch-orthodoxe Ablehnung

In Russland stellen orthodoxe Christen die Mehrheit, und auch dort sind Darwins Theorien schlecht gelitten. „Wer glauben will, dass er vom Affen abstammt, soll das ruhig tun. Aber er darf diese Ansichten niemand anderem aufzwingen“, sagte vor zehn Jahren das mittlerweile verstorbene Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Alexi II.

Er hatte bei einem Vortrag unter Applaus die Evolutionstheorie kritisiert und gefordert, dass in Schulen der Schöpfungsglaube unterrichtet werden soll. Debatten über die Schöpfung und das Zurückdrängen von Darwin in Lehrplänen wurden in der Vergangenheit immer wieder kontrovers geführt - etwa im römisch-katholischen Italien und zuletzt auch im orthodoxen Serbien.

„Mit Darwin arrangiert“

Die Debatte hat Tradition: Die Evolutionstheorie wurde im 19. Jahrhundert auch von der römisch-katholischen Kirche stark zurückgewiesen. Mittlerweile hat sich die Position der lateinischen Kirche allerdings geändert. Der Wandel folgte Schritt für Schritt. So schwächte etwa Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 die Kirchenkritik an der Theorie ab, indem er betonte, sie sei „mehr als eine bloße Hypothese“. Er erklärte die Evolutionstheorie mit dem Glauben für vereinbar.

Papst Johannes Paul II.

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Johannes Paul II. sagte, die Evolutionstheorie sei mehr als eine Hypothese

Auch unter Papst Benedikt XVI. habe es Entwicklungen zu einer Harmonisierung hin gegeben, sagte Körtner. So sprach Benedikt XVI. vor zehn Jahren vor Priestern davon, dass eine Gegenüberstellung von Kreationismus und Evolutionismus, als dürfe jemand, der an Gott glaubt, nicht an die Evolution denken, absurd sei.

Er betonte aber, dass die Evolution nicht alle Fragen beantworte, etwa die philosophische: Woher kommt alles? Die katholische Kirche habe sich mit Darwin „arrangiert“, so Körtner. Das gelte auch für evangelischen Kirchen: Vor einigen Jahren formulierte etwa die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine Orientierungshilfe zum Thema Evolution und Schöpfung, in der ähnlich wie in der katholischen Kirche argumentiert wird.

Kontroverse um Schönborn

Für eine Debatte sorgte allerdings Kardinal Christoph Schönborn 2005 mit einem Artikel in der „New York Times“. Darin schrieb er, die „Evolution im Sinne einer gemeinsamen Abstammung kann wahr sein, aber Evolution im neodarwinististischen Sinne - ein ungeleiteter, ungeplanter Prozess zufälliger Variation und natürlicher Auslese - ist es nicht.“ Seine Worte wurden im In- und Ausland zitiert, diskutiert und kritisiert. Und auch in der aktuellen Diskussion über die Aussagen von IGGÖ-Chef Olgun wurden in Sozialen Medien Berichte über die Aussagen Schönborns wieder in Erinnerung gerufen.

In späteren Wortmeldungen relativierte Schönborn seine Aussage. Zwar blieb er dabei, die Evolution könne wahr sein, doch sagte er auch, er sehe die christliche Schöpfungslehre nicht als Alternative zur Evolutionstheorie. Die Evolutionstheorie sei eine naturwissenschaftliche These, die Schöpfungslehre sei eine Sache des Glaubens, und beide sollten füreinander offen sein. Letzlich, so Körtner, sei Schönborn wieder auf die offizielle Lehrmeinung der Kirche zurückgerudert.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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