Studie: Protestanten und Katholiken immer ähnlicher

Die theologischen Unterschiede, die das westliche Christentum im 16. Jahrhundert gespalten haben, sind laut einer Studie des Pew Research Centers sowohl in Westeuropa als auch in den Vereinigten Staaten immer weniger vorhanden.

Während Protestanten im Jahr 2017 500 Jahre Reformation feiern, herrscht sowohl in Europa als auch den USA die Ansicht vor, dass sich Protestanten und Katholiken in Religionsfragen heutzutage mehr ähneln als unterscheiden. Das geht aus einer am Donnerstag vom Pew Center veröffentlichten Studie hervor. Die Reformation in Europa, die zur Teilung in evangelische und katholische Christen führte, wurde im 16. Jahrhundert in verheerenden Kriegen und Verfolgung ausgetragen.

Das hat sich grundlegend geändert, denn laut Studie ist es heute für neun von zehn europäischen Protestanten und Katholiken die gegenseitige Akzeptanz kein Problem mehr. So würden Angehörige der jeweils anderen Konfession ohne Schwierigkeiten als Nachbarn oder Familienmitglieder akzeptieren, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. Auch Glaubensunterschiede bestehen oft nicht mehr.

Glaube und gute Taten

Besonders deutlich wird die Nivellierung der theologischen Unterschiede anhand des Erlösungsgedankens: Martin Luther und andere protestantische Reformatoren erklärten, dass die Erlösung allein durch den Glauben erreicht werden könne (lat. sola fide).

In fast allen befragten europäischen Ländern hält gegenwärtig die Mehrheit beider Konfessionen an der traditionell katholischen Auffassung fest, dass sowohl der Glaube als auch gute Taten notwendig sind, um Erlösung zu erlangen. In allen Ländern, mit Ausnahme von Norwegen, befindet sich damit der Glaube an sola fide auch bei Protestanten in der Minderheit.

Bibeln in einem Regal

APA/dpa/Christoph Schmidt

500 Jahre nach der Reformation glauben viele Protestanten auch an katholische Inhalte

Pew Research Center

Das Pew Research Center ist nach eigenen Angaben ein neutraler Fact Tank, der die Öffentlichkeit über Themen, Meinungen und Trends informiert, die Amerika und die Welt bewegen. Das Center betont, keine politischen Positionen zu beziehen.

In Westeuropa führte das Center von April bis August 2017 telefonische Umfragen unter 24.599 Personen in 15 Ländern durch. In den USA wurde die Umfrage von Mai bis August 2017 unter 2.599 Teilnehmern des American Trends Panel des Pew Research Centers online erstellt. Die Ergebnisse wurden aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsarten und teilweise abweichenden Fragen separat veröffentlicht.

Wenige regelmäßige Gottesdienstbesucher

Europäische Katholiken und Protestanten gaben in der Regel eine geringe Einhaltung religiösen Brauchtums an: Im Durchschnitt sagten nur 8 Prozent der Protestanten und 14 Prozent der Katholiken, dass sie wöchentlich oder öfter Gottesdienste besuchen. Jene, für die Religion „sehr“ oder „etwas“ wichtig ist, halten erwartungsgemäß eher an den ursprünglichen Glaubensinhalten fest. So glauben beispielsweise in Schweden 31 Prozent der religiöseren Protestanten an sola fide, im Vergleich zu 10 Prozent aller anderen schwedischen Protestanten.

Die Niederlande sind das einzige westeuropäische Land, in dem der Großteil der Bevölkerung konfessionslos ist. 48 Prozent der Erwachsenen beschreibt sich dort als atheistisch, agnostisch oder religiös „ohne Zugehörigkeit“. Doch diejenigen, die religiös sind, sind es laut der Studie umso mehr. Niederländische Protestanten zeichnen sich durch einen der höchsten Anteile an Kirchgängern aus: 43 Prozent dieser Gruppe gaben an, mindestens einmal pro Woche in die Kirche zu gehen.

Gleicher Trend in den USA

Auch in den USA definieren sich Protestanten nicht mehr durch die Kontroversen der Reformation. Auch dort gab etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) die traditionell katholische Position an, sowohl gute Taten, als auch der Glaube an Gott führten zum Himmel. 46 Prozent sind überzeugt, dass der Glaube allein Heil bringt.

Amerikanische Protestanten sind bei einem weiteren Schlüsselthema der Reformation gespalten: 46 Prozent folgen dem traditionell protestantischen Glauben, die Bibel gebe Christen alle notwendigen religiösen Anleitungen (lat. sola scriptura). 52 Prozent sind dagegen der Ansicht, dass Christen religiöse Anleitung sowohl in kirchlicher Lehre und Tradition als auch in der Bibel suchen sollen – auch das eine Überzeugung, die in der katholischen Kirche vorherrscht.

Nur 30 Prozent aller U.S.-Protestanten glauben sowohl an sola fide als auch an sola scriptura. Stärker ist dieser Glaube nur bei weißen Evangelikalen vertreten. 44 Prozent derjenigen, die sich selbst als weiße Evangelikale bezeichnen, äußerten in der Umfrage beide Überzeugungen. Bei denjenigen von ihnen, die mindestens einmal pro Woche in die Kirche gehen, steigt dieser Wert auf 59 Prozent.

Unterschiedlicher Wissensstand

Die meisten U.S.-Amerikaner (65 Prozent) identifizieren den Begriff Reformation korrekt als den Begriff, der gewöhnlich verwendet wird, um auf die historische Periode zu verweisen, in der sich Protestanten von der katholischen Kirche abgespalten haben. Und ein ähnlicher Anteil (67 Prozent) identifiziert Martin Luther als die Person, deren Schriften und Handlungen die Reformation inspirierten.

Aber nur 23 Prozent wissen, dass der sola-fide-Gedanke eine rein protestantische Lehre ist. 45 Prozent meinen, dass sowohl Protestantismus als auch Katholizismus traditionell diese Position vertreten und 19 Prozent ordnen ihn gar keiner der beiden Konfessionen zu. Einer von zehn U.S.-Amerikanern glaubt, dass sola fide aus dem Katholizismus kommt.

Ansichten über sola fide sind, das folgt aus der Studie, an den Wissensstand darüber gebunden. Unter den Protestanten, die wissen, dass nur der Protestantismus lehrt, Erlösung erlange man allein durch Glauben, glauben etwa drei Viertel auch tatsächlich daran. Dem viel größeren Anteil der Protestanten ist nicht bewusst, dass sola fide nur eine evangelische Lehre ist, von ihnen sind nur 35 Prozent überzeugt, dass der Glaube allein reicht, um in den Himmel zu kommen.

religion.ORF.at

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