Papst: Lateinamerikas Kirche braucht Leidenschaft

Zu einem leidenschaftlichen, demütigen und konkreten Einsatz für die Menschen in Lateinamerika hat Papst Franziskus die Kirche des Kontinents aufgerufen.

Bei seiner rund 45-minütigen Begegnung mit dem Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM am frühen Donnerstagnachmittag (Ortszeit) beschwor er die anwesenden gut 60 Vertreter: „Wenn wir unserem Lateinamerika (...) dienen wollen, müssen wir es mit Leidenschaft tun. Heute braucht es Leidenschaft.“ Die „eines verliebten jungen und eines weisen alten Menschen; Leidenschaft, die die Ideen in durchführbare Träume verwandelt.“

„Hoffnung kommt von oben“

Dazu müsse die Kirche „weiterhin demütigen Dienst zum wahren Wohl des Menschen“ leisten. Ohne zu ermüden müsse sie Brücken bauen, Mauern niederreißen, Verschiedenartigkeiten integrieren, Begegnung und Dialog ermöglichen, zu Vergebung und Versöhnung erziehen sowie zu Gerechtigkeit und Friedensmut. „Unser Volk hat gelernt, dass keine Enttäuschung groß genug ist, um es zu beugen“, sagte in der Nuntiatur in Kolumbiens Hauptstadt Bogota. Dabei sei der Kirche eine „Jammermentalität nicht erlaubt, denn die Hoffnung, die wir haben, kommt von oben“.

Papst Treffen Bischöfe Kolumbien

REUTERS/Andrew Medichini/Pool

Papst Franziskus ruft die Bischöfe „zu Leidenschaft“ auf

Besonders betonte der Papst die Bedeutung der Frauen für die Kirche in Lateinamerika. Eine neue und lebendige Phase des Glaubens auf diesem Kontinent gebe es nicht ohne die Frauen. Denn „von ihren Lippen haben wir den Glauben gelernt; fast mit der Muttermilch ihrer Brüste haben wir uns den Charakter unserer mestizischen Seele und die Immunität gegen Hoffnungslosigkeit angeeignet“. Keinesfalls dürften Frauen „auf Dienstmägde unseres widerspenstigen Klerikalismus reduziert werden“.

„Evangelium konkret leben“

Zudem müsse die Kirche das Evangelium sehr konkret leben. Wie Jesus durch die Felder und Ortschaften Galiläas zog, Menschen traf, sich ihnen näherte, sie ansprach, berührte, heilte und rettete, genauso sollten Bischöfe und Priester, Ordensleute und Katecheten zu den Menschen in ihrer Nachbarschaft gehen. „Es ist uns nicht erlaubt, uns durch die klimatisierte Luft der Büros, durch die Statistiken und die abstrakte Strategien lähmen zu lassen“, fuhr Franziskus fort.

Vielmehr gelte es, die christliche Botschaft in der Mentalität der Mestizen Lateinamerikas zu verkünden. In Bildern, Worten und Gesten, die die Menschen nachempfinden können; wie sie sich an den großen Wallfahrtsorten Aparecida (Brasilien) und Guadalupe (Mexiko) zeige. Gleichzeitig sei es wichtig, noch mehr in die Bildung junger Menschen zu investieren. Lateinamerika warte immer noch auf einen kompetenten, visionären und selbstbewussten Stand von Laien, die als Gläubige an einer gerechteren und demokratischeren Gesellschaft mitwirken.

Der Papst erinnerte in seiner Rede auch an das wegweisende Dokument „Mision Continental“, das der Bischofsrat CELAM vor zehn Jahren - unter Mitwirkung von Kardinal Jorge Mario Bergoglio - in Aparecida veröffentlicht hatte. Ähnlich wie schon bei seinem ersten Lateinamerikabesuch in Rio de Janeiro hob er auch nun erneut „die fortwährende Notwendigkeit“ der „Beteiligung der lokalen Kirchen“ hervor.

Begegnung mit Bischöfen Venezuelas

Im Anschluss an das CELAM-Treffen kam laut dem Sender Caracol ein privates Treffen von fünf Kardinälen und Bischöfen aus Venezuela mit dem Papst zustande. Die Begegnung war nicht Teil des offiziellen Programms; venezolanischen Medien zufolge war die innenpolitische Krise in Venezuela Gesprächsthema.

Bereits zuvor waren dutzende in Kolumbien lebende Venezolaner dem Papst in Kolumbien begegnet. Entlang der Straßen Bogotas, die das Papamobil an seinem ersten Besuchstag zwischen der Plaza Bolivar und der Apostolischen Nuntiatur passierte, waren etliche Menschen mit venezolanischen Fahnen und Bildern der Jungfrau von Coromoto, der Patronin von Kolumbiens Nachbarland, zu sehen. Berichten des Senders Caracol zufolge kam der Papst mit mehreren Menschen ins Gespräch und erhielt von ihnen die Bitte, für den Frieden in dem krisengeschüttelten Land zu beten und auch politisch zu intervenieren.

Überfall nahe Nuntiatur

Zu einer Schrecksekunde für die Sicherheitskräfte in Bogota kam es, als Unbekannte in unmittelbarer Nähe der Unterkunft von Papst Franziskus einen Raubüberfall auf einen Supermarkt verübten. Der Überfall ereignete sich nur zwei Häuserblocks von der Apostolischen Nuntiatur entfernt, in dem das Kirchenoberhaupt während seines noch bis Sonntag andauernden Kolumbien-Besuchs übernachtet, wie der Radiosender LA FM am Donnerstag berichtete.

Trotz der massiven Präsenz von Polizei und Armee in dem Viertel im Zentrum Bogotas fuhren die Täter demnach am Mittwochabend (Ortszeit) mit einem Taxi vor, forderten mit vorgehaltener Waffe die Tageseinnahmen und verschwanden anschließend mit einem Bus in Richtung Süden. Der Stadtteil Teusaquillo, in dem sich die Nuntiatur befindet, gilt als eines der bestbewachten Viertel Bogotas während des Papst-Besuchs. Trotz der sofort eingeleiteten Fahndung fehlt von den Tätern bislang jede Spur.

Mordfreier Tag in Bogota

Dennoch gilt der Tag der Ankunft von Papst Franziskus als Lichtblick für Bogota: In der kolumbianischen Hauptstadt gab es am Mittwoch keinen einzigen Mord, berichtete die Tageszeitung „El Espectador“ unter Berufung auf Bogotas Bürgermeister Enrique Penalosa am Donnerstag auf ihrer Internetseite.

Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli erfasste die örtliche Kriminalitätsstatistik demnach 633 Morde - das entspricht einem Durchschnitt von drei gewaltsamen Todesfällen am Tag. Der Mittwoch sei jedoch ein „mordfreier“ Tag gewesen.

religion.ORF.at/KAP

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