Studie: Muslime fühlen sich wenig zugehörig

Österreich zählt zu jenen EU-Staaten, in denen sich Muslime am wenigsten zugehörig fühlen und sie oft Diskriminierungserfahrungen machen. Das besagt ein am Donnerstag veröffentlichter Bericht der EU-Grundrechteagentur (FRA) in Wien.

Im EU-Durchschnitt fühlen 76 Prozent der Befragten ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu dem Land, in dem sie leben. Sie vergaben auf einer Fünf-Punkte-Skala entweder vier oder fünf Punkte, was einen EU-Durchschnitt von 4,1 Punkten ergibt. Österreich liegt mit durchschnittlich 3,5 Punkten auf einem der letzten Plätze - nur in den Niederlanden und in Italien sind die Werte schlechter. In Österreich wurden allerdings nur Muslime mit türkischen Wurzeln befragt.

Negative Einstellung gegenüber Muslimen

Der Bericht verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2008, in der sich die österreichische Bevölkerung in Bezug auf negative Einstellungen gegenüber Muslimen (31 Prozent) mit Malta den zweiten Platz der 15 befragten EU-Staaten teilt.

Lediglich Zypern habe ein negativeres Bild von Muslimen (36 Prozent). „Die hohe negative Einstellung gegenüber Muslimen in Österreich wird auch durch den öffentlichen Diskurs beeinflusst“, erklärte FRA-Sprecherin Katya Andrusz. Es habe sich am Meinungsbild seit dem Jahr 2008 nicht extrem viel geändert.

Viele Diskriminierungserfahrungen

„Die Daten zeigen, dass immerhin 40 Prozent der befragten Muslime in Österreich in den letzten fünf Jahren auch tatsächlich Diskriminierung aufgrund der Herkunft erfahren haben“, so Andrusz. Die Studie zeigt zudem große geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf antiislamische Diskriminierung in Österreich: 16 Prozent der Männer, aber 36 Prozent der Frauen berichten von Diskriminierung. Gleichzeitig sei Österreich eines von zwei Ländern, in dem die nicht-muslimische Bevölkerung die weitreichende Diskriminierung von Muslimen geringer einschätze (51 Prozent) als die Muslime selbst (56 Prozent).

Der FRA-Bericht, der Teil einer 2016 erhobenen Umfrage von 25.000 Migranten und Angehörigen von Minderheiten in allen 28 EU-Staaten ist, erfasst die Erfahrungen von 10.527 Muslimen, sowohl Einwanderer als auch deren in der EU geborenen Kinder. Er konzentriert sich auf das Zugehörigkeitsgefühl von Muslimen zur EU, ihre Erfahrungen mit Diskriminierung sowie die Kenntnis ihrer Rechte. FRA-Sprecherin Andrusz erklärte dies auf APA-Anfrage damit, dass „Erfahrungen von Diskriminierung, Belästigung oder gar Gewalt mit niedrigem Zugehörigkeitsgefühl zusammenhängen.“

Musliminnen demonstrieren im Februar 2017 gegen ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und gegen ein Burkaverbot - Muslimban Demo.

APA/Herbert Pfarrhofer

Musliminnen demonstrierten Anfang des Jahres in Wien gegen ein Kopftuchverbot

Muslime in EU großes Vertrauen in Demokratie

Europaweit zieht die Studie dennoch eine positive Bilanz zur Integration von Muslimen. Nicht nur fühlen 76 Prozent der Befragten ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu dem Land, in dem sie leben - die meisten Muslime haben auch großes Vertrauen in demokratische Institutionen.

„Die Ergebnisse unserer Erhebung zeigen, dass es vollkommen lächerlich ist zu behaupten, Muslime wären in unseren Gesellschaften nicht integriert“, erklärte der FRA-Direktor Michael O’Flaherty. „Wir stellen fest, dass ihr Vertrauen in die demokratischen Institutionen größer ist als bei weiten Teilen der Allgemeinbevölkerung“. Vor allem das Vertrauen in Polizei und Justiz sei bei Muslimen hoch, wenngleich 42 Prozent der Befragten angegeben hätten, dass Polizeikontrollen aufgrund des Migrationshintergrundes bzw. der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit stattgefunden hätten.

Laut FRA-Bericht fühlten sich 39 Prozent in den fünf Jahren vor der Erhebung aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder ihres Migrationshintergrunds in einem oder mehreren Bereichen des Alltags - Beschäftigung, Bildung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung und bei der Inanspruchnahme von öffentlichen oder privaten Dienstleistungen - diskriminiert.

„Diskriminierung verhindert Inklusion“

Besonders bei der Suche nach Arbeit (44 Prozent) oder Wohnraum (53 Prozent) sei der Name oder die Hautfarbe Grund für Diskriminierung. Auch traditionelle oder religiöse Kleidung trage dazu bei. Der Bericht zeigt zudem, dass muslimische Befragte aus Nordafrika und Ländern südlich der Sahara besonders oft diskriminiert worden seien. Die Werte seien jedoch in Bezug auf die letzten zwölf Monate rückläufig.

Für O’Flaherty verhindere „jeder Fall von Diskriminierung und Hasskriminalität“ die Inklusion von Muslimen und verringere deren Möglichkeiten, Arbeit zu finden. „So gesehen laufen wir Gefahr, einzelne und ganze Bevölkerungsgruppen zu entfremden, was gefährliche Folgen haben kann“, fügte er hinzu.

Mit muslimischen Gemeinden zusammenarbeiten

Um die Situation zu verbessern, schlägt die FRA vor, verstärkt rechtliche Schritte einzuleiten, um der Diskriminierung in allen Lebensbereichen vorzubeugen und sie strafrechtlich zu verfolgen. Die Zusammenarbeit mit muslimischen Gemeinschaften und die bessere Einbindung von Muslimen in öffentliche Prozesse und Ämter könne ihr Vertrauen in die nationalen Institutionen noch weiter verbessern.

Zusätzlich müsse man gegenüber Muslimen Öffentlichkeitsarbeit leisten, um die Kenntnis ihrer Rechte zu fördern und einen Überblick nationaler Gleichbehandlungsorganisationen zu geben, die vor allem unter Muslimen in Österreich weitgehend unbekannt seien.

religion.ORF.at/APA

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