Umgang mit Missbrauch: Papst räumt eigenen Fehler ein

Papst Franziskus hat eingeräumt, dass er sich zu Beginn seiner Amtszeit bei der Begnadigung eines Priesters nach sexuellem Missbrauch geirrt habe. Das werde er nie wieder tun, sagte der Papst laut einem Bericht der italienischen Tageszeitung „L’Avvenire“ (Freitag-Ausgabe).

Die Äußerungen des Papstes fielen am Vortag bei einer Begegnung mit Mitgliedern der vatikanischen Kinderschutzkommission unter Leitung des Bostoner Kardinals Sean O’Malley. Sie wurden von den offiziellen vatikanischen Medien zunächst nicht veröffentlicht. Die Zeitung „L’Osservatore Romano“ berichtete am Freitag lediglich, der Papst habe den Anwesenden zusätzlich zu einem offiziell verbreiteten Redetext auch „einige Überlegungen ohne Manuskript vorgetragen“.

Papst Franziskus mit dem Bostoner Kardinals Sean O'Malley und Mitgliedern der vatikanischen Kinderschutzkommission

Reuters/Osservatore Romano/Handout

Papst Franziskus und der Bostoner Kardinals Sean O’Malley (vorne re.) und Mitgliedern der vatikanischen Kinderschutzkommission

Begnadigter Priester wurde rückfällig

Franziskus erklärte laut „Avvenire“, er habe seinerzeit das Gnadengesuch eines des Missbrauchs überführten Priesters in der italienischen Diözese Crema angenommen und sich für eine „milde“ Variante entschieden. Später sei der von ihm teilweise begnadigte Priester rückfällig geworden. Daraus habe er gelernt, betonte der Papst. „Es war das einzige Mal, dass sich das gemacht habe, danach nie wieder!“

Franziskus erklärte, inzwischen habe er verstanden, dass Pädophilie eine schreckliche Krankheit sei. „Ich habe von Kardinal O’Malley gelernt, ich habe von den Opfern gelernt, denen ich begegnet bin“, erklärte der Papst. Daher werde er nie wieder einen Priester begnadigen, der entsprechende Straftaten begangen hat.

Bischofsurteil abgemildert

Mit seinen Äußerungen brachte der Papst persönlich mehr Licht in ein dunkles Kapitel aus der Frühzeit seines Pontifikats. 2014 hatte er ein Urteil des Diözesanbischofs von Crema gegen den Priester Mauro Inzoli abgemildert. Statt das Priesteramt aufzugeben, musste der für seinen Hang zu Luxus bekannte Geistliche ein zurückgezogenes Leben in Gebet und Buße führen und eine Psychotherapie antreten.

Italienische Medien berichteten damals, der Papst habe sich mit seinem barmherzigen Urteil auch über eine gegenteilige Empfehlung der Römischen Glaubenskongregation hinweggesetzt. Noch 2012 hatte die Glaubenskongregation Inzoli zur Entlassung aus dem Priesterstand verurteilt.

Regeln 2016 verschärft

Papst Franziskus selbst hat 2016 durch das Motu proprio „Come una madre amorevole“ (Wie eine liebende Mutter) festgelegt, dass Kirchenobere ihres Amtes enthoben werden können, wenn sie in schwerwiegender Weise ihre Sorgfaltspflicht bei der Verfolgung von Missbrauchstätern verletzt haben und in der Folge weiteren Opfern neuer Schaden zugefügt wurde.

Im Fall Inzoli hielt sich der vom Papst teilweise begnadigte Priester nicht an die ihm gemachten Auflagen. 2016 verurteilte ihn ein staatliches Strafgericht wegen mehrerer Missbrauchsfälle aus den Jahren 2004 bis 2008 zu vier Jahren und neun Monaten Haft.

Anwälte: Papst „schlecht informiert“

Die Strafverteidiger des von Papst Franziskus 2014 zunächst teilweise begnadigten geistlichen Missbrauchstäters widersprachen unterdessen am Freitag der Darstellung des Papstes, wonach ihr Mandant nach seiner kirchlichen Teilbegnadigung 2014 rückfällig geworden und das der Grund für die erneute kirchliche Bestrafung gewesen sei. Der Lokalzeitung „Cremona Oggi“ (Onlineausgabe) sagten die Anwälte Nerio Dioda und Corrado Limentani, der mittlerweile aus dem Priesterstand entlassene Mauro Inzoli habe damals keine neuen Straftaten begangen. Hier sei der Papst offenbar „schlecht informiert“.

Tatsächlich sei die zweite Laisierung erfolgt, nachdem der Vatikan 2016 die Akten des weltlichen Strafgerichtsprozesses zur Kenntnis genommen habe. Die Missbrauchsfälle selbst ereigneten sich demnach zwischen 2004 und 2008.

Strafgerichtliche Verurteilung

Im Sommer 2016 hatte ein Strafgericht in Cremona Inzoli in erster Instanz wegen sexuellen Missbrauchs an Burschen im Alter von zwölf bis 16 Jahren zur einer Strafe von vier Jahren, sieben Monaten und zehn Tagen verurteilt. In der Berufungsverhandlung verkürzte ein Gericht in Brescia die Strafe später um 50 Tage.

Der Fall Inzoli erregte international Aufmerksamkeit, weil es neben der staatlichen auch eine widersprüchliche kirchliche Befassung mit dem Fall gab. 2012 wurde der Geistliche von der Römischen Glaubenskongregation zunächst zur Entlassung aus dem Priesterstand verurteilt. Papst Franziskus begnadigte ihn 2014 teilweise; es wurden ihm ein zurückgezogenes Leben in Buße und eine Psychotherapie auferlegt. Erst 2016, nachdem der Papst neue Fakten über den Fall zur Kenntnis genommen hatte, wurde Inzoli abermals aus dem Priesterstand entlassen - diesmal für immer.

religion.ORF.at/KAP

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